JudikaturJustiz5Ob2392/96t

5Ob2392/96t – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Dezember 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin E***** AG, ***** wegen Pfandrechtseinverleibung ob den Liegenschaften EZ 638 und 640 je des Grundbuches ***** sowie EZ 930 des Grundbuches *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der (offenen Handelsgesellschaft) O*****, vertreten durch Dr.Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 9.September 1996, AZ 46 R 1086/96p, womit der Rekurs der Liegenschaftseigentümerin (offene Handelsgesellschaft) O***** gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21. Jänner 1988, TZ 413/88, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der bezüglich der Liegenschaft EZ 930 des Grundbuches ***** als unangefochten unberührt bleibt, wird im übrigen aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird im Umfang der Aufhebung eine neue Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Alleineigentümerin der Liegenschaften EZ 638 und 640 je des Grundbuches ***** ist eine offene Handelsgesellschaft mit dem Firmennamen "O*****". Sie ist unter diesem Namen im Grundbuch als Eigentümerin ohne einen auf die Firmeneigenschaft hinweisenden Zusatz eingetragen.

Aus dem Grundbuch ergibt sich allerdings, daß die Eintragung dieses Firmennamens zu TZ 6690/1987 jeweils auf Grund einer Änderung des Namens der vorher als Alleineigentümerin eingetragen gewesenen K***** M***** erfolgte. Persönlich haftende Gesellschafter dieser offenen Handelsgesellschaft sind M***** und O*****, geboren 1959, die jeder für sich selbständig vertreten.

O*****, geboren 27.4.1959, ist überdies Eigentümer der 190/5098 Anteile der Liegenschaft EZ 930 des Grundbuches *****.

Das Erstgericht bewilligte über Antrag der E***** Aktiengesellschaft als Pfandgläubigerin mit Beschluß vom 21.1.1988, TZ 413/88 ob den genannten Liegenschaften die Einverleibung des Simultanpfandrechtes für einen Höchstbetrag von S 7,200.000,-. Sowohl in diesem Grundbuchsbeschluß als auch in der ihm zugrundeliegenden Pfandbestellungsurkunde ist O*****, geboren 27.4.1959, als Eigentümer dieser Liegenschaft bzw Liegenschaftsanteile genannt. Die Pfandbestellungsurkunde ist (insoweit folgerichtig) von O*****, geboren am 27.4.1959, ohne Hinweis auf seine Vertretungsbefugnis bezüglich der offenen Handelsgesellschaft "O*****" unterschrieben.

Dieser Beschluß des Erstgerichtes wurde der Pfandgläubigerin und O*****, geboren am 27.4.1959, entsprechend der gemäß § 118 GBG in den Grundbuchsbeschluß aufgenommenen Zustellverfügung zugestellt.

Die Zustellung dieses Beschlusses an den unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht einschreitenden Vertreter der Liegenschaftseigentümerin wurde über deren Antrag verfügt (Abfertigung am 22.5.1996).

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Liegenschaftseigentümerin bezüglich der Liegenschaften EZ 638 und 640 des Grundbuches ***** als verspätet, bezüglich der Liegenschaftsanteile des O***** an der EZ 930 des Grundbuches ***** mangels Rechtsschutzinteresses zurück, und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-

übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete die allein noch den Gegenstand des Revisionsrekurses bildende Zurückweisung des Rekurses der Liegenschaftseigentümerin betreffend die Liegenschaften EZ 638 und 640 des Grundbuches ***** im wesentlichen damit, daß O***** seit 1.1.1983 selbständig vertretungsbefugter Gesellschafter der Liegenschaftseigentümerin sei. Jeder Gesellschafter sei für sich allein - und zwar sogar bei Gesamtvertretung - passiv vertretungsbefugt, also im Stande, Willenserklärungen an die Gesellschaft wirksam entgegenzunehmen. Dazu gehöre auch die Entgegennahme von Zustellungen und Ladungen in Gerichtsverfahren. Der angefochtene Beschluß sei dem passiv vertretungsbefugten organschaftlichen Vertreter der Liegenschaftseigentümerin zugestellt worden. Diese erste Zustellung sei daher für die Liegenschaftseigentümerin rechtswirksam gewesen, sodaß der - von dieser ersten Zustellung an gerechnet - erst nach 30 Tagen erhobene Rekurs verspätet sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes betreffend die passive Vertretungsbefugnis eines von mehreren vertretungsbefugten Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspreche (HS 4.133, SZ 59/138).

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Liegenschaftseigentümerin O***** (offene Handelsgesellschaft) insoweit, als der Rekurs bezüglich der Liegenschaften EZ 638 und 640 je des Grundbuches ***** als verspätet zurückgewiesen wurde, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß insoweit aufzuheben und dem Rekursgericht eine Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

a) Zur Zulässigkeit:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht - wie im folgenden gezeigt werden wird - bei Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses die Rechtslage verkannte.

b) Zum Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes:

Gemäß § 119 Z 1 GBG hätte das Erstgericht den die Pfandrechtseinverleibung bewilligenden Beschluß dem Liegenschaftseigentümer, also der offenen Handelsgesellschaft O***** (im folgenden "Gesellschaft" genannt), zuzustellen gehabt. Offenbar ausgehend von der dem Grundbuchsstand widersprechenden Annahme, daß die natürliche Person O*****, geb. am 27.4.1959, mit dem auch der Pfandbestellungsvertrag abgeschlossen worden war, in dem diese natürliche Person ebenso wie im Grundbuchsantrag als Liegenschaftseigentümer bezeichnet worden war, Liegenschaftseigentümerin sei, verfügte das Erstgericht die Zustellung an die bereits mehrfach genannte natürliche Person.

Nun ist es zwar richtig, wie das Rekursgericht ausführte, daß bei Vorhandensein mehrerer vertretungs- befugter Gesellschafter - wie hier bei der Liegenschaftseigentümerin - jeder von ihnen an die Gesellschaft gerichtete Willenserklärungen gemäß § 125 Abs 2 HGB wirksam entgegennehmen kann (SZ 59/138, HS 4133). Darüberhinaus ist davon auszugehen, daß das - wie immer erlangte - Tatsachenwissen eines vertretungsbefugten Gesellschafters Wissen der Gesellschaft darstellt, weil die Gesellschaft als solche gar nichts anderes als ihre sie im Rechtsverkehr repräsentierenden Gesellschafter wissen kann. Ihr Wissensstand ist demnach - von weitergehenden, hier nicht interessierenden Zurechnungsbereichen abgesehen - auf das Wissen der genannten Gesellschafter abzustellen.

Die Anwendung der aufgezeigten Grundsätze auf die vom Erstgericht ursprünglich angeordnete und anordnungsgemäß bewirkte Zustellung des Pfandrechtseinverleibungsbeschlusses an O***** als natürliche Person in dieser Eigenschaft und nicht als Vertreter der Gesellschaft schließt es aus, diese Zustellung gemäß § 125 Abs 2 HGB der Gesellschaft zuzurechnen, weil die Sendung gerade nicht an die Gesellschaft (zu Handen ihres Vertreters) gerichtet war. Zustellung ist nämlich der an eine gesetzliche Form geknüpfte Vorgang, durch den dem als Empfänger des Schriftstückes bezeichneten Adressaten Gelegenheit geboten wird, von einem im Auftrag des Gerichtes an ihn (hier: die natürliche Person O*****) gerichteten Schriftstück (hier: Beschlußausfertigung) Kenntnis zu nehmen (s Gitschthaler in Rechberger, ZPO, Rz 1 zu § 87). Adressat war aber nicht die Gesellschaft und auch nicht O***** in seiner Eigenschaft als Organ der Gesellschaft, wie sich aus der Zustellverfügung eindeutig ergibt. Eine Heilung der vom Erstgericht fehlerhaft verfügten und demnach zwar verfügungsgemäß, aber fehlerhaft, nämlich an den fälschlich als Liegenschaftseigentümer angesehenen O***** durchgeführten Zustellung dadurch, daß das Schriftstück ohnedies der wirklichen Liegenschaftseigentümerin, vertreten durch ihren vertretungsbefugten Gesellschafter, zugekommen wäre, konnte nicht eintreten, weil hiefür die hier nicht gegebene Voraussetzung erfüllt sein müßte, daß sowohl in der Zustellverfügung als auch auf dem Zustellstück der nach dem jeweils anzuwendenden Verfahrensrecht richtige Empfänger (als solcher) genannt war (Gitschthaler, aaO, Rz 2 zu § 87). Gerade dies ist in der hier zu entscheidenden Rechtssache nicht der Fall.

Auf das auch der Gesellschaft zuzurechnende Wissen des O***** von der Existenz und dem Inhalt eines die Liegenschaften der Gesellschaft betreffenden Beschlusses über die Einverleibung eines Pfandrechtes kommt es nicht an, weil bloße Kenntnis des Inhaltes des Zustellstückes weder einen Ersatz für die unterlassene Zustellung darstellt noch eine Erkundigungspflicht auslösen könnte (vgl Gitschthaler, aaO, Rz 2 zu § 87 mwN).

Aus den dargelegten Gründen würde daher die Rekursfrist für die Gesellschaft - unter Berücksichtigung der Bestimmungen der §§ 62, 119 und 120 GBG - erst mit der an sie persönlich (und nicht schon an den bloß sich auf die Einschreitervollmacht berufenden Rechtsanwalt) erfolgten Zustellung des Pfandrechtseinverleibungsbeschlusses zu laufen beginnen, sodaß der - schon vor wirksamer Zustellung eingebrachte - Rekurs entgegen der Meinung der zweiten Instanz rechtzeitig ist. Bei der hier gegebenen Fallgestaltung schadet es auch nicht, daß der Rekurs an die zweite Instanz nicht bei dem nach den Übergangsbestimmungen (Art VII § 2) der 3.Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien, BGBl 1992/756, mit dem das Bezirksgericht Josefstadt geschaffen wurde, weiterhin für anhängige Verfahren zuständig gebliebenem Erstgericht (= BG Innere Stadt Wien) eingebracht wurde, sondern bei dem nunmehr die Haupteinlage als Grundbuchsgericht führenden Bezirksgericht Josefstadt. Da infolge noch offener Rekursfrist der Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß abermals eingebracht werden könnte, würde es einen leeren Formalismus darstellen, das schon behandelte Rechtsmittel (zwecks Sanierung des Fehlers bei Einbringung des Rechtsmittels) nur deswegen dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien zuzuleiten, damit es dieses zu dem Akt nimmt, bei dem es schon ist.

Dazu kommt noch, daß das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die diesem zugestellten Ausfertigungen der Rekursentscheidung dem Bezirksgericht Josefstadt "zur weiteren Erledigung" übermittelte. Darin liegt eine Abtretung der Sache an das Bezirksgericht Josefstadt, der vom letztgenannten Gericht entsprochen wurde. Nach derzeitiger Aktenlage ist daher die Zuständigkeit - umfassend nur die dem Erstgericht obliegenden Agenden im Zuge von Rechtsmittelverfahren - des Bezirksgerichtes Josefstadt für die nunmehr beim Obersten Gerichtshof anhängige Grundbuchssache gegeben. Daraus folgt, daß der Revisionsrekurs zutreffend beim Bezirksgericht Josefstadt eingebracht wurde.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.