JudikaturJustiz5Ob231/23s

5Ob231/23s – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Februar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Bernhard Österreicher, Rechtsanwalt in Pfaffstätten, gegen die beklagte Partei F*, vertreten durch Mag. Thomas Fraiß, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.450 EUR sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 7. August 2023, GZ 18 R 106/23a 31, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 10. Mai 2023, GZ 8 C 1279/12h 26, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Text

[1] Der Beklagte beantragte die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des gegen ihn ergangenen Urteils des Erstgerichts vom 1. 10. 2013, weil der in diesem Verfahren für ihn wegen unbekannten Aufenthalts bestellte Kurator nach § 116 ZPO mangels ausreichender Erhebungen zu unrecht bestellt worden sei.

[2] Das Erstgericht hob die Vollstreckbarkeitsbestätigung auf.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und wies den Antrag ab. Die vom Erstgericht gepflogenen Erhebungen seien im Hinblick darauf, dass der Vater des Beklagten dort vorgesprochen und mitgeteilt habe, der Beklagte halte sich seit 13 oder 14 Jahren nicht mehr in Österreich auf und ihm sei eine aktuelle Adresse nicht bekannt, ausreichend gewesen, um die Bestellung eines Zustellkurators nach § 116 ZPO zu rechtfertigen.

[4] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil die Frage, ob ausreichende Erhebungen durchgeführt worden seien, zwar einzelfallabhängig, allerdings im Hinblick auf den weltweiten Ausbau des Datennetzes eine höchstgerichtliche Klarstellung geboten sei, ob in jedem Fall auf internationaler Ebene Nachforschungsmaßnahmen und wenn ja welche, geboten seien.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Beklagten, in dem er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses anstrebt, ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs nicht zulässig, er kann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzeigen.

[6] Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO).

[7] 1. Den gegen den Vorsitzenden des Rechtsmittelsenats gerichteten Ablehnungsantrag des Beklagten hat das Landesgericht Wiener Neustadt mit Beschluss vom 14. 11. 2023, AZ 13 Nc 9/23h, rechtskräftig zurückgewiesen.

[8] 2.1. Voraussetzung für die Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO ist, dass die Person unbekannten Aufenthalts ist und erfolglos versucht wurde, den Aufenthalt der betreffenden Person zu ermitteln (RIS Justiz RS0036476 [T7]; vgl auch RS0112828 [T1]). Dabei sind zumutbare, wenngleich auch nicht sehr umfangreiche Erhebungen zu pflegen, wozu insbesondere Nachforschungen im persönlichen Umfeld der betreffenden Person, also bei leicht erreichbaren Verwandten und sonstigen Personen, die üblicherweise vom Aufenthalt einer Person Kenntnis haben, zählen (RS0036476 [T2]; RS0049217 [T1]). Es können aber auch naheliegende Anfragen bei ausländischen Behörden geboten sein, vor allem wenn amtsbekannt ist, dass diese Meldeanfragen in angemessener Zeit beantworten (10 Ob 2/13m; 10 Ob 32/21k). Sind allerdings aufgrund der Sachlage Nachforschungen von vornherein wenig aussichtsreich, also nicht erfolgversprechend, ist eine Kuratorenbestellung auch ohne diese möglich (RS0036476 [T3]; 10 Ob 32/21k). Von einem unbekannten Aufenthalt wurde etwa dann ausgegangen, wenn nicht nur der Antragsteller keine Kenntnis vom derzeitigen Aufenthaltsort seines Gegners hat, sondern wenn er auch im Personenkreis unbekannt ist, der üblicherweise davon Kenntnis hat wie etwa Verwandte oder Verschwägerte (6 Ob 16/14t). Welche Erhebungen erforderlich sind, ist typischerweise von den konkreten Umständen und Verhältnissen abhängig, sodass deren notwendiges Ausmaß im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (RS0036476 [T4]; 10 Ob 32/21k). Eine auch im Einzelfall aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung des Rekursgerichts liegt nicht vor.

[9] 2.2. Hier ergab die vom Erstgericht eingeholte Meldeanfrage, dass der Beklagte – nach einer Hauptmeldung an der Wohnadresse seines Vaters bis 27. 3. 2009 – dort noch bis 1. 2. 2011 einen Nebenwohnsitz hatte und davor aus Spanien zugezogen war. Nach diesem Zeitpunkt war er nach unbekannt verzogen. Der Vater des Beklagten, der mit dem irrtümlich an ihn zugestellten Zahlungsbefehl beim Prozessgericht erster Instanz vorsprach, gab (in einem von ihm unterfertigten Aktenvermerk) an, der Beklagte sei seit 13 oder 14 Jahren nicht mehr an dieser Adresse wohnhaft, eine neue Adresse sei ihm nicht bekannt. Dass er die Telefonnummer seines Sohnes kannte (und ihn unter dieser erreichen konnte), verschwieg der Vater des Beklagten. Das Rekursgericht wertete dies dahin, er habe damit kundgetan, in der Rechtssache nicht weiter behilflich sein zu können, sodass sich eine weitere (formelle) Vernehmung mangels Erfolgsaussichten erübrigt habe. Diese Auffassung ist nicht korrekturbedürftig. Dass andere, leicht erreichbare Angehörige (vgl RS0036476) über den Aufenthalt des Beklagten Mitteilung machen hätten können, kam im Verfahren nicht hervor.

[10] 2.3. Auch die Auffassung des Rekursgerichts, Erhebungen bei ausländischen Vertretungsbehörden oder im spanischen Firmenbuch seien nicht zu verlangen, weil nach der Aktenlage nicht bekannt gewesen sei, wohin es den Beklagten verschlagen habe, ist im Einzelfall nicht korrekturbedürftig. Dass er viele Jahre zuvor einmal aus Spanien zugezogen war, nicht als ausreichendes Indiz dafür zu werten, er sei nach Spanien zurückgekehrt, ist jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung, die eines Eingreifens des Obersten Gerichtshofs bedürfte. Auf die Frage, ob von einer ausreichenden Erreichbarkeit des Beklagten dann auszugehen wäre, wäre dem Kläger dessen Telefonnummer bekannt gewesen, kommt es nicht an; dass (nur) dem Vater des Beklagten dessen Telefonnummer bekannt gewesen war, stellte sich erst im Verfahren über den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung heraus. Hinweise dafür, der Vater des Beklagten wäre berechtigt gewesen, im Zug vorprozessualer Erhebungen dem Kläger oder dessen Vertreter die Telefonnummer des Beklagten bekanntzugeben, bietet die Aktenlage nicht; dies hat der Beklagte in seiner eidesstattlichen Erklärung auch nicht behauptet.

[11] 2.4. Auch die Auffassung des Rekursgerichts, vom Kläger sei angesichts der Aktenlage und der vom Erstgericht gepflogenen Erhebungen im Jahr 2013 keine Internetrecherche zu verlangen gewesen, um eine Zustellanschrift des Beklagten in Erfahrung zu bringen, begegnet keinen Bedenken im Einzelfall. Die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 8 Ob 35/11x betraf die Frage der Verjährung und ging davon aus, dass die dortigen Kläger aufgrund ihnen bekannter Umstände die Person des wahren Ersatzpflichtigen (Unfallgegners) ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung hätten bringen können. Dort wurde es als zumutbar erachtet, die Organisation eines im Rettungswesen tätigen Verbands durch Erhebungen wie die Prüfung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, Einsicht in das Vereinsregister und (ergänzend) eine einfache Internetrecherche herauszufinden. Wesentliche Schlüsse für die hier zu beurteilende Frage der Zumutbarkeit einer weltweiten Internetrecherche nur mit dem Namen des Beklagten lassen sich daraus nicht ziehen, zumal der Kläger nach der Aktenlage nicht wissen konnte, wonach genau er im Internet suchen hätte sollen. Davon auszugehen, von ihm sei die Behauptung einer erfolglosen Internetrecherche im Jahr 2013 vor seinem Antrag auf Kuratorenbestellung nach § 116 ZPO nicht zu verlangen gewesen, ist daher ebenso nicht zu beanstanden. Auf die vom Erstgericht angeblich unterlassene Feststellung, auf den Webseiten i*.ws und o*.com sei die Zustellanschrift der Firma in Spanien, deren Geschäftsführer der Beklagte gewesen sei, auffindbar gewesen, kommt es da her nicht an.

[12] 3. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.