JudikaturJustiz5Ob231/22i

5Ob231/22i – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin K*, vertreten durch Mag. Roland Herbst, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. I*, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in Wien, 2. M*, wegen § 37 Abs 1 Z 1, 8 und 11 MRG iVm §§ 2, 15 und 16 MRG, über den außerordentlichen Revisionrekurs des Erstantragsgegners gegen den Teilsachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Oktober 2022, GZ 39 R 122/22p 43, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur der Feststellungsantrag der Antragstellerin, sie sei vom Juni 2017 bis 30. Juni 2019 Hauptmieterin einer näher bezeichneten Wohnung im Haus des Erstantragsgegners gewesen.

[2] Das Erstgericht gab dem Antrag insoweit statt.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Erstantragsgegners in diesem Umfang nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[4] Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Erstantragsgegners zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1.1. Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln, dass ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem Mietrechtsgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde, so kann der Mieter, mit dem der Untermietvertrag geschlossen wurde, begehren, als Hauptmieter des Mietgegenstands mit den sich aus dem Mietrechtsgesetz ergebenden Rechten und Pflichten anerkannt zu werden. Liegen konkrete Anhaltspunkte für eine solche Umgehungshandlung vor – dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Hauptmieter mehr als eine Wohnung im selben Gebäude zur Gänze untervermietet oder bei Vorliegen eines befristeten Hauptmietvertrags die Wohnung zur Gänze untervermietet –, so obliegt es dem Antragsgegner, das Fehlen der Umgehungsabsicht zu beweisen (§ 2 Abs 3 MRG).

[6] 1.2. Materiell rechtliche Voraussetzung für die Anerkennung als Hauptmieter nach § 2 Abs 3 MRG ist das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts (RIS Justiz RS0069660; RS0069854). Die Umgehungsabsicht muss bei beiden Parteien des formellen Hauptmietvertrags gegeben sein, wobei es genügt, wenn sie die Umgehung wenigstens in Kauf nahmen (RS0069660 [T3]). Wenn auch § 2 Abs 3 MRG eine besondere Absicht der Parteien des formellen Hauptmietvertrags voraussetzt, ist doch dieses subjektive Tatbestandselement schon dann als erfüllt anzusehen, wenn bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund besteht, daran zu zweifeln. Der Umgehungstatbestand des § 2 Abs 3 MRG kann daher auch dann vorliegen, wenn letzte Gewissheit über die vom Gesetzgeber verpönte Absicht der Parteien eines formellen Hauptmietvertrags fehlt. Es reicht aus, wenn genügende Anhaltspunkte für eine derartige Absicht vorhanden sind (RS0069733). Ob ein Hauptmietvertrag unter festgestellten konkreten Umständen nur zur Untervermietung durch den der Hauptmieter zwecks Umgehung der diesem nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen wurde, ist dann im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu entscheiden (RS0069733 [T3]). Als derartige festgestellte äußere Umstände, die ein Indiz für die Umgehungsabsicht bieten, ist in der Rechtsprechung insbesondere die Vermietung von mehr als einer Wohnung durch denselben Hauptmieter anerkannt (RS0069733 [T6]).

[7] 1.3. Die Anwendung des § 2 Abs 3 MRG ist ausgeschlossen, wenn der Hauptmietvertrag nicht nur (ausschließlich) zu dem verpönten Umgehungsziel des § 2 Abs 3 MRG geschlossen wurde, sondern einen anderen Vertragszweck hatte (vgl RS0069820 [T4]). Ein solcher Sonderfall ist etwa die von der Rechtsprechung als zulässig angesehene „echte Sanierungshauptmiete“, bei der der Hauptmieter eine Wohnung im Standard anzuheben hat, dafür aber seine Investitionen durch die gestattete Untervermietung amortisieren darf. Für die Beurteilung einer dabei vorliegenden (oder eben fehlenden) Umgehungsabsicht sind vor allem wirtschaftliche Gesichtspunkte maßgebend. Indizien für ein Umgehungsgeschäft auch bei Vorliegen einer Sanierungshauptmiete wären etwa der Rückfluss des vo m Hauptmieter eingehobenen Untermietzinses an den Hauseigentümer derart, dass dieser im Ergebnis mehr als den Kategoriemietzins erh ält , das Fehlen von Investitionen des Hauptmieters, die Speisung solcher Investitionen aus dem Vermögen des Hauseigentümer s , der das erforderliche Kapital – wenn auch über Umwege – dem Hauptmieter zur Verfügung stellt, die Beherrschung des Hauptmieters durch d en Eigentümer oder das Erreichen desselben Zwecks durch Einschaltung von Familienmitgliedern oder sonstigen Strohmännern (vgl RS0069851). Allerdings müssen – um die Umgehungsabsicht iSd § 2 Abs 3 MRG zu bejahen – nicht alle in dieser Judikatur zu findenden Indikatoren vorliegen (RS0069851 [T10]).

[8] 1.4. Nach ständiger Rechtsprechung hat grundsätzlich der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung als Hauptmieter zu beweisen, die Gegner müssen – wenn er dieser Beweispflicht im zumutbaren Ausmaß nachgekommen ist – die allein in ihrer Sphäre liegenden Umstände dartun und offenlegen, die den erbrachten Nachweis entkräften (RS0069728). Auch Indizien für eine Umgehungsabsicht können entkräftet werden. Ob dieser Beweis dem Eigentümer oder Hauptmieter gelungen ist, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und wirft daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0069728 [T2]). Dies gilt gleichermaßen für die eben so von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilung des Vorliegens einer „Sanierungshauptmiete“ und einer in diesem Fall gegebenen oder fehlenden Umgehungsabsicht. Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt der Revisionsrekurswerber nicht auf.

[9] 2.1. Die Auffassung des Rekursgerichts, hier sei aufgrund der festgestellten äußeren Umstände von einer Umgehungsabsicht beider Antragsgegner (zumindest in Form des bedingten Vorsatzes) auszugehen, auch wenn das Erstgericht eine subjektive Absicht der Umgehung nicht ausdrücklich fest stellte , ist nicht zu beanstanden. Für diese Beurteilung konnte das Rekursgericht nicht nur den Umstand der (befristeten) gänzlichen Weitervermietung der konkreten Wohnung heranziehen, sondern auch – wie sich aus der zum integrierten Bestandteil der Feststellungen erklärten Zusatzvereinbarung ./2 zum Mietvertrag ergab – den Umstand, dass der Erstantragsgegner die Untervermietung der Wohnung ausdrücklich gestattete und der Zweitantragsgegner als Hauptmieter sich dort sogar verpflichtete „für alle Wohnungen“ ein Elektrobuch anzufertigen, woraus das Rekursgericht nachvollziehbar den Schluss zog, der Erstantragsgegner habe mehr als diese eine Wohnung an den Zweitantragsgegner vermietet. Als weitere relevante Indizien hob das Rekursgericht hervor, dass der vom Zweitantragsgegner zu leistende Hauptmietzins von 138,60 EUR netto den zulässigen Kategoriemietzins von netto 50,42 EUR nicht nur geringfügig, sondern deutlich überstieg und auch der von der Antragstellerin pauschal zu bezahlende Untermietzins von 600 EUR – selbst unter Berücksichtigung eines angemessenen Betrags für Betriebskosten und Inventar – diesen beträchtlich überschritt. Dass das Rekursgericht daraus den Schluss zog, das subjektive Tatbestandselement der Umgehungsabsicht beider Antragsgegner sei erfüllt, weil bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund bestand, daran zu zweifeln, ist daher im Einzelfall nicht zu beanstanden . Der in dem Zusammenhang gerügte Mangel des Rekursverfahrens, weil das Rekursgericht eine positive Feststellung der Umgehungsabsicht für rechtlich nicht erforderlich ansah, liegt nicht vor, was keiner weiteren Begründung bedarf (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[10] 2.2. Zur echten Sanierungshauptmiete vermisst der Erstantragsgegner höchstgerichtliche Rechtsprechung, ob da für auch eine Anhebung der Ausstattungskategorie notwendig ist. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof setzt aber voraus, dass die Entscheidung von der Lösung dieser erheblichen Rechtsfrage tatsächlich abhängt (RS0088931), was nicht der Fall ist. D as Rekursgericht teilte nämlich explizit (vgl Rekursentscheidung S 16) die vom Revisionsrekurswerber vertretene Ansicht, dass nicht nur solche Arbeiten, die zur Anhebung der Ausstattungskategorie führen, eine Anmietung zur Untervermietung rechtfertigen können. Es verlangte nur die Durchführung solcher Arbeiten, die erhebliche Mittel und die Hereinbringung durch de n Untermietzins erfordern und zu einer wesentlichen Verbesserung der Wohnung in Richtung eines zeitgemäßen Standards führen. Bei den festgestellten Bodensanierungsarbeiten (Estrich und Belege) der 39,31 m 2 großen Wohnung und dem Einbau einer Dusche samt Boiler bei – aufgrund WC am Gang zur Gemeinschaftsbenützung unveränderten – Ausstattungskategorie D könne davon aber keine Rede sein, zumal das Erstgericht Feststellungen zu weiteren Arbeiten nicht treffen habe können. Das Rekursgericht verlangte daher keineswegs Arbeiten, die zur Anhebung der Ausstattungskategorie D führen hätten können, sondern eine Sanierung, die tatsächlich zu einer Standardanhebung der Wohnung führte, was sich im Rahmen der dazu bereits bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung hält . Die Beurteilung, bei den festgestellten Arbeiten sei dies nicht der Fall gewesen, zumal auch der (finanzielle) Umfang der Investitionen und deren konkreter Nutzen (im Vergleich zum vorherigen Wohnungszustand) nicht feststellbar war, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Hier unbeschadet des Umstands, dass nicht sämtliche der in der Rechtsprechung (vgl RS0069851) aufgelisteten Indizien für ein Umgehungsgeschäft bei Vorliegen einer Sanierungshauptmiete vorlagen, von einer Umgehungsabsicht beider Antragsgegner auszugehen, ist daher insgesamt nicht zu beanstanden.

[11] 3. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedurfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtssätze
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