JudikaturJustiz5Ob227/22a

5Ob227/22a – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers A*, vertreten durch Dr. Lucas Tschol, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegenerin K*, vertreten durch Dr. Christian Ortner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Verlängerung eines Landpachtvertrags, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 3. August 2022, GZ 4 R 327/21y-25, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 12 Z 7 LPG zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin mehrerer Liegenschaften und schloss mit dem nunmehrigen Antragsteller einen zunächst auf drei Jahre befristeten Pachtvertrag über einen landwirtschaftlichen Betrieb zur Tierhaltung und Milchwirtschaft. Diesen Vertrag ergänzten die Parteien um weitere Grundstücke und verlängerten ihn in der Folge. Nach dem Vertragsinhalt war der Antragsteller zur Tierhaltung verpflichtet. Eine schriftliche Kündigung ohne Angabe von Gründen sollte je zum 4. Februar eines jeden Jahres möglich sein.

[2] Die Antragsgegnerin wurde mehrfach von dritter Seite auf Missstände bei der Tierhaltung im Betrieb hingewiesen und fürchtete daher um ihren Ruf. Gegen den Antragsteller wurde in der Folge ein verwaltungsbehördliches Tierhalteverbot ausgesprochen und er wurde strafgerichtlich wegen des Vergehens der Tierquälerei rechtskräftig verurteilt. Seit September 2019 ist der Sohn des Antragstellers Tierhalter der landwirtschaftlichen Nutztiere des Antragstellers; ob bei ihm eine ausreichende Betreuung der Tiere gewährleistet ist, konnte nicht festgestellt werden. Die Entscheidungsbefugnis über die Maßnahmen im landwirtschaftlichen Betrieb liegt nach wie vor beim Antragsteller.

[3] Mit Schreiben vom 23. Jänner 2019 kündigte die Antragsgegnerin den Landpachtvertrag zum 4. Februar 2020 außergerichtlich auf. Da der Antragsteller das Pachtobjekt nicht räumte, brachte die Antragsgegnerin eine Räumungsklage ein; das Verfahren darüber ist seit dem Antrag auf Verlängerung des Pachtvertrags unterbrochen.

[4] Das Erstgericht wies den vom Antragsteller erhobenen Antrag auf Verlängerung des Landpachtvertrags ab.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers dagegen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

[6] In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Antragsteller keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[7] 1.1 Der Anspruch auf Verlängerung eines Landpachtvertrags setzt grundsätzlich voraus, dass die in § 6 Abs 1 LPG zwingend angeordnete Interessenabwägung ein Überwiegen der Interessen des Pächters an der Fortsetzung des Pachtvertrags ergibt. Schon die Gleichwertigkeit der Interessen schließt eine Verlängerung aus. Ob die Interessen des Pächters an einer Vertragsverlängerung jene der Verpächterin an seiner Beendigung überwiegen, hängt von den jeweiligen Umständen des zu beurteilenden Falls ab, denen – von auffallender Fehlbeurteilung abgesehen – keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0114811).

[8] 1.2 Bei dieser Interessenabwägung ist gemäß § 6 Abs 2 LPG insbesondere auf die wirtschaftliche Lage der beiden Vertragsteile Bedacht zu nehmen (vgl dazu etwa RS0066224). Es sind auch jene Umstände zu berücksichtigen, die bei einem im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Dauerschuldverhältnis zur außerordentlichen Kündigung berechtigen; dazu gehören auch solche, die ausschließlich in der Person und der Verlässlichkeit des Pächters liegen (vgl RS0066167).

[9] 1.3 Die Interessen des Pächters an der Verlängerung des Pachtverhältnisses überwiegen gemäß § 6 Abs 2 LPG insbesondere dann nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Verpächter zur Aufhebung des Vertrags nach § 1118 ABGB berechtigt (Z 1), oder wenn der Pächter ohne Zustimmung des Verpächters wesentliche Teile des Pachtgegenstands nicht nur vorübergehend anderen Personen überlassen hat (Z 2).

[10] 1.4 Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Bestandgegenstand im Sinn des § 1118 erster Fall ABGB vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch Unterlassung notwendiger Vorkehrungen durch den Bestandnehmer die Substanz des Bestandgegenstands erheblich verletzt wurde oder dies auch nur droht oder wichtige wirtschaftliche oder sonstige, auch ideelle Interessen des Bestandgebers verletzt werden (vgl etwa RS0070348; RS0020940 [T1]; RS0102020 [T6, T10a]; RS0021031 [T5]). Die wichtigen Gründe in der Person des Bestandnehmers müssen die Interessen des Bestandgebers so weit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtung einen verständigen Bestandgeber zur Vertragsauflösung veranlassen würden und diese als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen (RS0020981 [T17]).

[11] 2.1 Die Beurteilung des Rekursgerichts, hier liege ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Pachtgegenstands im Sinn des § 1118 ABGB iVm § 6 Abs 2 Z 1 LPG vor, weil der Antragsteller als vertraglich zur Tierhaltung verpflichteter Pächter des Betriebs wegen Tierquälerei rechtskräftig verurteilt wurde, steht mit der hier wiedergegebenen Rechtsprechung im Einklang. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers bedarf es keines Eingriffs in die Substanz des Bestandgegenstands, um den Tatbestand des § 1118 ABGB zu erfüllen.

[12] 2.2 Das Verfahren über die beantragte Verlängerung des Landpachtvertrags setzt keine diesem vorangehende außerordentliche Kündigung durch den Verpächter voraus; Anlass dafür kann ebenso – wie hier – eine ordentliche Kündigung des Landpachtvertrags durch den Verpächter sein (vgl dazu die Gesetzesmaterialien RV 1216 BlgNR 21. GP 9). Die Bestimmung des § 6 Abs 2 LPG normiert Umstände, die der beantragten Verlängerung des Pachtvertrags entgegenstehen, und regelt ausdrücklich, dass bei deren Vorliegen die Interessen des Pächters nicht überwiegen. Daraus, dass im Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Auflösungserklärung – wie hier im Jänner 2019 – auch ein wichtiger Grund für die außerordentliche Vertragsauflösung vorgelegen wäre, lässt sich für den Rechtsstandpunkt des Antragstellers nichts gewinnen: Für die Frage der Berechtigung des Verlängerungsantrags, insbesondere für das Ergebnis der Interessenabwägung, ist der Grund der Vertragsbeendigung nicht maßgeblich; die unterbliebene Geltendmachung eines außerordentlichen Auflösungsgrundes bedeutet nicht, dass dieser gar nicht vorhanden gewesen wäre.

[13] 2.3 Soweit das Rekursgericht in seiner Begründung auch den Umstand der Übertragung des Eigentums an den Tieren auf den Sohn des Antragstellers heranzog, ist darauf nicht näher einzugehen, weil bereits der Tatbestand des § 6 Abs 1 Z 1 LPG der beantragten Vertragsverlängerung entgegenstand und der Frage einer Weitergabe wesentlicher Teile des Pachtgegenstands daher nur theoretische Bedeutung zukommt.

[14] 3. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor: Das Rekursgericht hat sich mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts zu den rechtlich relevanten Tatsachen hinreichend befasst und einen Mangel verneint (etwa RS0040180; RS0043150; RS0043371 ua). Der im Rechtsmittel vermissten Einholung einer Stellungnahme der Landwirtschaftskammer nach § 12 Z 3 LPG zu den Fragen der Überlebensfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebs und der adäquaten Betreuung der Tiere durch den Sohn des Antragstellers bedurfte es hier ebensowenig wie zusätzlicher Feststellungen zur wirtschaftlichen Lage der Parteien oder darüber, ob die Missstände in der Tierhaltung der (breiten) Öffentlichkeit bekannt wurden oder nicht.

[15] 4. Für die ohne Freistellung durch den Obersten Gerichtshof eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung steht der Antragsgegnerin gemäß der analog anzuwendenden Bestimmung des § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO kein Kostenersatzanspruch zu (RS0124792).

Rechtssätze
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