JudikaturJustiz5Ob214/23s

5Ob214/23s – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch die Schmelz Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei L* GmbH, *, vertreten durch Dr. Erich Moser, Dr. Martin Moser, Rechtsanwälte in Murau, wegen 33.967,86 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. Oktober 2023, GZ 2 R 132/23h 22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger zog sich anlässlich einer Skiabfahrt in dem von der Beklagten betriebenen Skigebiet bei einem seitlichen Notsturz in ein zur Sperre der Piste gespanntes Seil Verletzungen zu.

[2] Das Erstgericht wies dessen Klage auf Schadenersatz und Feststellung der Haftung der Beklagten ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[4] 1. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Pistenhalter atypische Gefahren zu sichern, also solche Hindernisse, die der Skifahrer nicht ohne weiteres erkennen kann, und solche, die er trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann (RS0023417 [T17]).

[5] Das Ausmaß der Sicherungsvorkehrungen auf einer Skipiste richtet sich nicht allein nach der fehlenden Erkennbarkeit oder Vermeidbarkeit des Hindernisses, sondern auch nach der Art und dem Ausmaß der Gefahrenquelle. Künstlich geschaffene Hindernisse und Gefahrenquellen sind zu entfernen oder doch so kenntlich zu machen, dass sie für den vernünftigen Durchschnittsfahrer auch bei schlechten Sichtverhältnissen keine besondere Gefahr bilden (RIS Justiz RS0023469 [T6, T9]).

[6] Bei der Beurteilung der danach vom Pistenhalter zu treffenden Sicherungsmaßnahmen ist auf die Zumutbarkeit Bedacht zu nehmen (RS0023271 [T3]) und auch die dem Pistenbenützer obliegende Verpflichtung zu einer kontrollierten Fahrweise zu berücksichtigen (RS0023429 [T13]; vgl auch RS0023485). Jeder Skifahrer muss kontrolliert fahren, das vor ihm liegende Gelände genau beobachten und seine Geschwindigkeit auf die Geländeverhältnisse einrichten (RS0023429). Ein Skifahrer muss auf einer Piste einen so großen Raum vor sich beobachten, dass er bei auftretenden Kollisionsgefahren in der Lage ist, dem Hindernis rechtzeitig auszuweichen oder vor diesem anzuhalten (RS0023544).

[7] Mit dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs haben sich demnach bestimmte – in einer Gesamtschau zu beurteilende – Kriterien für Art und Umfang der Pistensicherungspflicht herausgebildet. Für die Art und den Umfang der Pistensicherungspflicht ist das Gesamtverhältnis zwischen der Größe und der Wahrscheinlichkeit der atypischen Gefahr sowie ihrer Abwendbarkeit einerseits durch das Gesamtverhalten eines verantwortungsbewussten Benützers der Piste und andererseits durch den Pistenhalter mit nach der Verkehrsauffassung adäquaten Mitteln maßgebend (RS0023469 [T8]; RS0023237 [T1]).

[8] 2. Wie für den konkreten Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht im Allgemeinen (RS0110202 [T8]) kommt es auch für die Frage, ob der Pistensicherungspflicht Genüge getan wurde, immer auf die Umstände des Einzelfalls an (RS0109002 [T1]). Die Reichweite der den Pistenhalter treffenden Sicherungspflichten hängt von der konkreten örtlichen Situation ab, weshalb sie generellen Aussagen nicht zugänglich ist (RS0023237 [T3]). Diese Beurteilung begründet daher – von klaren Fehlbeurteilungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

[9] Eine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende klare Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt hier nicht vor. Das in einer Höhe von rund 50 cm vom Boden entfernt quer über die Piste gespannte Absperrseil ist eine künstliche Gefahrenquelle, die grundsätzlich abzusichern ist. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Beklagte habe dieser Sicherungspflicht durch Verwendung eines mehrere Zentimeter dicken schwarz gelben Seils, an dem sechs schwarz gelb karierte, handflächengroße Fähnchen angebracht waren, und das Aufstellen einer in Skigebieten für eine Pistensperre gebräuchlichen Hinweistafel im unmittelbaren Nahebereich zur Absperrung Genüge getan, ist nicht korrekturbedürftig. Schließlich steht fest, dass der Kläger die Hinweistafel und das Absperrseil aufgrund eines Beobachtungsfehlers nicht rechtzeitig wahrgenommen hat, er bei aufmerksamer Fahrweise die Absperrung ohne Probleme erkennen und davor anhalten hätte können. Mit seiner Behauptung, seine Sicht sei aufgrund der Licht und Umgebungsverhältnisse behindert gewesen, weicht der Kläger – in unzulässiger Weise (RS0043603; RS0043312) – von diesem festgestellten Sachverhalt ab.

[10] 3. Die Revision war damit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück zu w ei sen.

Rechtssätze
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