JudikaturJustiz5Ob2034/96w

5Ob2034/96w – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Dezember 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Ishan K*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr.Peter Scheichelbauer und Dr.Alois Eichinger, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner 1.) H*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hans Spohn, Rechtsanwalt in Wien, 2.) Robert W*****, Angestellter, ***** und 3.) Karl M*****, wegen § 37 Abs 1 Z 1 MRG infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 3.Jänner 1996, GZ 41 R 1006/95k-27, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 8.Juni 1995, GZ 16 Msch 101/94 b-12, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

In dem bei der Schlichtungsstelle zunächst nur gegen die Erstantragsgegnerin (als Hauseigentümerin) und den Drittantragsgegner (als Hauptmieter) gerichteten Antrag begehrte der Antragsteller die Anerkennung als Hauptmieter gemäß § 2 Abs 3 MRG.

Die genannten Antragsgegner erklärten vor der Schlichtungsstelle, den Antragsteller nicht als Hauptmieter anerkennen zu können, weil Vertragspartner im gegenständlichen Bestandverhältnis Herr K***** und die Erstantragsgegnerin seien. Dem erwiderte der Antragsteller, er habe vom Hauptmieter, Herrn W*****, keinen Mietvertrag erhalten. Es seien aber sowohl Herr M***** als auch Herr W***** als Scheinhauptmieter anzusehen.

Die Schlichtungsstelle behandelte daraufhin auch Herrn W***** als (Zweit)Antragsgegner und gab dem Antrag des Antragstellers statt.

Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers ab.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Am 1.2.1990 schloß der Zweitantragsgegner mit der Erstantragsgegnerin als Eigentümerin des Hauses 1160 Wien, H*****, einen unbefristeten Hauptmietvertrag über die im ersten Stock gelegenen Wohnungen top Nr.25 - 34, bestehend aus 10 Zimmern, 2 Kabinetten, Küchen, Vorzimmer, Bäder und WC ab. Der Mietvertrag enthält einen Verzicht auf die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 4 und 6 MRG. Als Hauptmietzins wurden unter Bezugnahme auf eine Nutzfläche von 250 m2 S 26.000,- wertgesichert vereinbart. Obwohl in diesem Mietvertrag Dr.Roman M*****, der Geschäftsführer der Erstantragsgegnerin, als Hauseigentümer aufscheint und er als Vermieter ohne Firmenstampiglie oder Hinweis auf die Erstantragsgegnerin diesen Vertrag unterzeichnet hatte, war für den Zweitantragsgegner klar, daß die Erstantragsgegnerin Hauseigentümerin war.

Dr.Roman M***** war von 1989 bis zum Verkauf seiner Gesellschaftsanteile im Frühjahr 1992 Geschäftsführer der Erstantragsgegnerin. Unter seiner Geschäftsführung war es geplant gewesen, die Altmieter des Hauses auszumieten und freie Flächen nach Adaptierung zu vermieten. Schließlich trat der Zweitantragsgegner an die Erstantragsgegnerin zwecks Anmietung sämtlicher freien Flächen zur Errichtung einer Pension heran. Dr.M***** war damit einverstanden. Es wurde vereinbart, daß die Erstantragsgegnerin die freien Flächen adaptiert und danach an den Zweitantragsgegner zu einem Hauptmietzins von S 100/m2 in Hauptmiete vergibt. Es wurden zwar teilweise Adaptierungsarbeiten durchgeführt und von der Baufirma Gespräche mit der Baupolizei geführt, jedoch keine Baupläne eingereicht.

Nach Wechsel des Geschäftsführers verwarf die Erstantragsgegnerin den Plan zur Errichtung einer Pension wegen Unrentabilität; sie wollte nunmehr im Haus Wohnungseigentum begründen. Um finanziell durch die weiter zu zahlenden Mietzinse nicht zu sehr belastet zu sein, vermietete der Zweitantragsgegner die bereits sanierten Wohnungen in Untermiete weiter.

Da der Drittantragsgegner eine Wohnung für seine Arbeiter benötigte und deswegen an den Zweitantragsgegner herangetreten war, gab der Zweitantragsgegner dem Drittantragsgegner zwei Wohnungen in Untermiete. Der Drittantragsgegner zahlte den Untermietzins nur zweimal.

Am 5.11.1991 schloß der Drittantragsgegner mit dem Antragsteller einen unbefristeten Mietvertrag über die Wohnung top Nr.32 - 33 zu einem monatlichen Mietzins von S 3.800,-. Lediglich zwei Mietzinszahlungen schickte der Antragsteller an den Drittantragsgegner. Der Zweitantragsgegner, der den Antragsteller nicht kannte, stecke seine Mietzinsvorschreibungen an die Wohnungstür, weil ihm der Drittantragsgegner keine Zahlungen mehr leistete. Der Antragsteller leistete jedoch darauf keine Zahlungen.

Weder der Zweitantragsgegner noch der Drittantragsgegner hatten jemals die Absicht, in dieser Wohnung zu wohnen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die vom Gesetz geforderte Umgehungsabsicht nicht vorliege. Wegen der geplanten Pensionsbetreibung sei der im Hauptmietvertrag vereinbarte Kündigungsverzicht erklärlich. Wegen der Weitergabe der an den Zweitantragsteller gerichteten Mietzinsvorschreibungen indirekt an den Antragsteller hätte dieser keinen höheren als den dem Zweitantragsgegner vorgeschriebenen Mietzins bezahlen müssen. Es sei nicht behauptet worden, daß dieser Mietzins unzulässig hoch gewesen wäre.

Zwischen Zweit- und Drittantragsgegner sei ein wirksames Untermietverhältnis zustande gekommen. Ob der Drittantragsgegner zur Weitervermietung berechtigt gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, weil schon der Hauptmietvertrag nicht zur Umgehung (iSd § 2 Abs 3 MRG) abgeschlossen worden sei. Der Umstand, daß der Drittantragsgegner ein Mietvertragsformular verwendete, in dem das Wort "Hauptmietzins" vorkomme, lasse nicht auf ein Hauptmietverhältnis schließen.

Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Gesetzeszweck erfordere es, daß auch dem Untermieter eines Untermieters das Recht auf Anerkennung als Hauptmieter eingeräumt werden müsse, wenn auf den Hauptmieter die Voraussetzungen des § 2 Abs 3 MRG zutreffen und der (erste) Untermieter als Strohmann dazwischengeschaltet worden wäre. Würde man nämlich in einem solchen Fall dem letzten Untermieter nicht das Recht einräumen, als Hauptmieter anerkannt zu werden, so wäre der mit der Regelung des § 2 Abs 3 MRG verfolgte Zweck, Umgehungsgeschäfte zu unterbinden, vereitelt, weil der mit Umgehungsabsicht geschlossene Hauptmietvertrag nicht beseitigt werden könnte. Diese Überlegung gebiete es, dem letzten Untermieter das Recht einzuräumen, an Stelle seines Vertragspartners, des ersten Untermieters, die Anerkennung als Hauptmieter zu begehren.

In der hier zu entscheidenden Rechtssache würde ein anerkennenswertes Interesse an einer Untervermietung weder in der beabsichtigten Sanierung noch in der Absicht, eine Pension zu errichten oder Wohnungseigentum zu begründen liege, wohl aber in der Aufrechterhaltung des Bestandvertrages mit dem Drittantragsgegner zu dem Zweck der Unterbringung von Arbeitnehmern desselben. Die bindende Tatsachenfeststellung der Vereinbarung dieses vom Gesetz gebilligten Nebenzweckes bei Aufrechterhaltung des mit dem Drittantragsgegner bestehenden Untermietvertrages und bei Abschluß des Untermietvertrages mit dem Antragsteller schlösse es aus, der Erstantragsgegnerin als Vermieterin die Absicht einer Umgehung im Sinne des § 2 Abs 3 MRG zu unterstellen. Unabhängig davon, ob der Antragsteller tatsächlich Dienstnehmer des Drittantragsgegners gewesen wäre, hätten jedenfalls nicht beide Parteien des Hauptmietvertrages in Umgehungsabsicht gehandelt.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil das Rekursgericht nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei.

Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen in antragsstattgebendem Sinn abzuändern; hilfsweise wurden Aufhebungsanträge gestellt.

Nach dem den Antragsgegnern die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt worden war, beantragte die Erstantragsgegnerin, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Zur Zulässigkeit:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil - wie gezeigt werden wird - die Vorinstanzen die Rechtslage betreffend die Umgehungsabsicht der Erstantragsgegnerin und des Zweitantragsgegners verkannten und weil bezüglich der Absicht des Drittantragsgegners die bisher getroffenen Feststellungen zur verläßlichen rechtlichen Beurteilung nicht ausreichen; überdies fehlt zur Anerkennung eines Subuntermieters als Hauptmieter eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

b) Zum Aufhebungsbeschluß:

Die das Verhalten der Erstantragsgegnerin und des Zweitantragsgegners betreffenden Feststellungen zeigen genügend konkrete Anhaltspunkte für eine von Vermieter und Hauptmieter gefaßte Umgehungsabsicht im Sinne des § 2 Abs 3 MRG, die auch schon nach der vor dem 3. WÄG entwickelten und von diesem bloß festgeschriebenen Judikatur (vgl Würth/Zingher, WohnR '94, 9 Anm 10 unter Hinweis auf den Ausschußbericht 1268 BlgNR 18.GP) die Beweislast dafür, daß dennoch keine Umgehungsabsicht vorlag, zu Vermieter und Hauptmieter verschob; dabei genügt es, daß die Umgehung zumindest in Kauf genommen (dolus eventualis) wird (s MietSlg 46.215 ua). Diese Umgehungsabsicht ergibt sich vor allem aus der Höhe des vereinbarten Hauptmietzinses, dem Kündigungsverzicht betreffend Untervermietung und Nichtbenützung der Wohnungen durch den Zweit- und Drittantragsgegner sowie aus dem Umstand, daß nach den Feststellungen überdies unklar blieb, ob vom Zweitantragsgegner oder von der Erstantragsgegnerin ein Pensionsbetrieb beabsichtigt war. Ungeachtet der Tatsache, daß die später geplante Führung eines Pensionsbetriebes die zwischenzeitige einvernehmlich von Vermieter und Hauptmieter vorgesehene Untervermietung ein Umgehungsgeschäft indizieren würde, wird diese Indikation durch die Unklarheit bezüglich des zukünftigen Pensionsbetreibers noch verstärkt.

Liegt - so wie hier - zwischen Vermieter und Hauptmieter ein Umgehungsgeschäft vor, so erfordert es der Zweck der Regelung des § 2 Abs 3 MRG, auch einem Untermieter (hier: dem Antragsteller) des Untermieters (hier: des Drittantragstellers) das Recht einzuräumen, an Stelle seines Vertragspartners, des ersten Untermieters, als Hauptmieter anerkannt zu werden, wenn es sich beim weitervermietenden Untermieter (hier: Drittantragsgegner) bloß um einen weiteren dazwischengeschalteten "Strohmann" handelt, wie das Rekursgericht zutreffend ausführte (idS 3 Ob 176/94). Dabei gelten zur Beurteilung der Umgehungsabsicht dieselben Grundsätze, wie sie im Verhältnis zwischen Vermieter und Hauptmieter bereits dargestellt wurden. Diesbezüglich liegen jedoch keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen vor, welche eine verläßliche rechtliche Beurteilung zuließen. Die - noch dazu nur auf eine allgemein gehaltene Aussage des Zweitantragsgegners gestützte - Feststellung des Erstgerichtes, der Zweitantragsgegner habe die Wohnung dem Drittantragsgegner deswegen untervermietet, weil sie dieser für seine Arbeiter benötigt habe und deswegen an den Zweitantragsgegner herangetreten sei, kann im Hinblick auf die weiters getroffene Feststellung, der Zweitantragsgegner habe für seine Wohnungen wegen der finanziellen Belastung durch die Mietzinse Untermieter gesucht, den bereits erweckten Eindruck eines Umgehungsgeschäftes nicht zu zerstreuen. Dazu bedürfte es konkreter Feststellungen über die Art des Geschäftsbetriebes und der damit verbundenen, einigermaßen wahrscheinlichen Notwendigkeit, Mitarbeiter dieses Unternehmens in einer vom Dienstgeber bereitgestellten Wohnung unterzubringen. Dieser Themenkreis wurde bisher nicht einmal erörtert.

Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren nach entsprechender Erörterung über den als ergänzungsbedürftig erkannten Sachverhalt Feststellungen zu treffen und sodann im Sinne der überbundenen Rechtsansicht neu zu entscheiden haben.

Rechtssätze
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