JudikaturJustiz5Ob137/91

5Ob137/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Dezember 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Elisabeth K***** Wien, N*****gasse 1/51, vertreten durch Mag.Dr.Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1) Dr. Oskar W*****, Privater, *****, 2) Dr. Maria W*****, Pensionistin, *****

3) Felicitas A*****, Private, *****, 4) Dr. Johannes O*****, Geschäftsführer, ***** 5) Dr. Gutav O*****, Gesandter, *****

6) Dr. Otto O*****, Rechtsanwalt, ***** 7) Maria Louise H*****, Private, ***** 8) Elisabeth B*****, Angestellte, ***** 9) Maria Therese A*****, Private, ***** 10) Christiane W*****, Heilmasseuse, ***** 11) Elisabeth T*****, Angestellte, ***** alle vertreten durch Dr. Gerhard Benn-Ibler, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs. 1 Z 8 MRG infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 16. April 1991, GZ 41 R 5/91-9, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. September 1990, GZ 48 Msch 27/90-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin hat am 29. Mai 1985 eine 225,42 m2 große Wohnung im Haus ***** Wien, N*****gasse 1, der Antragsgegner gemietet; sie begehrt nunmehr die Überprüfung des mit S 6.000 monatlich netto vereinbarten Hauptmietzinses, wobei sie die Ausstattungskategorie "C" unterstellt und die Schaffung eines Rückzahlungstitels über den zuviel gezahlten Zins verlangt. Das Verfahren ist gemäß § 40 Abs 2 MRG gerichtsanhängig geworden.

Die Antragsgegner haben dem entgegengehalten, daß die fragliche Wohnung gemäß § 53 MRG iVm § 12 Abs 3 RBG, BGBl. 1971/336, nicht den Mietzinsbildungsvorschriften des § 16 MRG unterliege, weil sie von der Möglichkeit einer begünstigten vorzeitigen Rückzahlung ihres WWF-Darlehens Gebrauch gemacht hätten.

Die Antragstellerin replizierte mit Rechtsausführungen, die die Verfassungswidrigkeit des ersten Satzes in § 12 Abs. 3 RBG idF des § 53 MRG belegen sollen; darüber hinaus hat sie aber noch vorgebracht, daß das von ihr angemietete Objekt von der mit Fondsmitteln durchgeführten Sanierung gar nicht betroffen gewesen sei. Auf das von den Antragsgegnern vorzeitig zurückgezahlte Darlehen sei das WWG 1948 idF der Novelle 1950, BGBl. 1951/26, anzuwenden, dessen § 15 Abs. 6 nur die mittels Fondshilfe wiederhergestellten Mietobjekte den Bestimmungen des MG (mit hier nicht relevanten Sonderregelungen) unterworfen habe. Unter Berücksichtigung einer teleologisch-restriktiven Interpretation könnten daher Mietobjekte, die nicht mit Fondsmitteln wiederhergestellt wurden, von der begünstigenden Ausnahme bei der Anwendung des § 16 MRG gar nicht betroffen sein.

Das Erstgericht wies das Begehren der Antragstellerin ab; das Rekursgericht bestätigte mit dem Beisatz, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es wurde als erwiesen angenommen, daß die Antragsgegner ein auf der Liegenschaft haftendes WWF-Darlehen entsprechend dem RBG 1971 vor dem 31. Dezember 1982 begünstigt zurückbezahlt haben, was wie folgt zu beurteilen sei:

Ausgehend vom klaren Gesetzeswortlaut des § 12 Abs. 3 RBG 1971 idF des § 53 MRG sei für sämtliche nach begünstigter Rückzahlung erfolgte Vermietungsfälle die Zinsschutzbestimmung des § 16 MRG unanwendbar, und zwar unabhängig davon, ob das betreffende Mietobjekt einst gefördert wiederhergestellt wurde.

Das Rekursgericht teilte auch nicht die Bedenken der Antragstellerin gegen die Verfassungsmäßigkeit der erwähnten Gesetzesbestimmung. Vor Inkrafttreten des MRG habe § 12 Abs. 3 RBG die gemäß §§ 16 und 16 a MG zulässigen Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses auf den Fall der Weitervermietung einer Wohnung nach gänzlicher Tilgung des Darlehens auf Grund einer vorzeitigen begünstigten Rückzahlung ausgedehnt. Bei Einhaltung der Wiedervermietungsfrist des § 16 Abs. 1 Z 4 MG sei ein Mietvertrag - sofern er nicht eine Substandardwohnung zum Gegenstand hatte - nach begünstigter Rückzahlung hinsichtlich der Hauptmietzinsbildung lediglich den Schranken des ABGB unterlegen. Die durch § 53 MRG geänderte Fassung des § 12 Abs 3 RBG habe dann für diese Objekte die Einführung sondergesetzlicher Hauptmietzins-Beschränkungen durch das MRG verhindert. Zugunsten des rückzahlungsbegünstigten Vermieters sei außerdem die bis dahin bestehende 6-Monate-Wiedervermietungsfrist weggefallen. Daß bei späteren weiteren "einmaligen Sonderbegünstigungen" für die vorzeitige Rückzahlung von Förderungsdarlehen (BGBl. 1987/340) sukzessiv geringere Sonderbegünstigungen gewährt wurden, worauf sich die Antragstellerin beruft, lasse die frühere, hier anzuwendende Begünstigung keineswegs bedenklich erscheinen. Während § 1 Abs 4 MRG bestimmte privilegierte Mietverhältnisse aus dem gesamten Anwendungsbereich des Zinsschutzes des MRG ausnimmt und damit nur den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Schranken unterwirft, nehme die hier zu beurteilende Sonderbegünstigung Mietverhältnisse ohnehin nur von einer Beschränkung der Hauptmietzinsvereinbarungen, nicht aber von sonstigen Zinsschutzbestimmungen aus. Trotz vorzeitiger, nach dem Willen des Gesetzgebers zu begünstigenden Rückzahlung der Darlehen habe also für die Vermietung von Gebäuden, die aus Fondsmitteln wiedererrichtet wurden, weit weniger Zinsschutzfreiheit geherrscht als zB für Mietverträge über Gebäude, die auf Grund einer nach dem 30. Juni 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet wurden (§ 1 Abs. 4 Z 1 MRG).

Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, sie so abzuändern, daß auf der Basis der Ausstattungskategorie "C" ein Rückzahlungstitel für den zuviel gezahlten Mietzins geschaffen wird; in eventu sei der rekursgerichtliche Sachbeschluß aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen; in eventu werde angeregt, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, den ersten Satz des Abs. 3 des § 12 RBG idF des § 53 MRG als verfassungswidrig aufzuheben und das Rechtsmittelverfahren bis zum Vorliegen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes zu unterbrechen.

Den Antragsgegnern wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt; sie haben die Bestätigung des rekursgerichtlichen Beschlusses beantragt.

Der Revisionsrekurs ist aus den noch darzulegenden Gründen zulässig und auch begründet.

Rechtliche Beurteilung

Beide Vorinstanzen sind davon ausgegangen, daß die gegenständliche Wohnung bis zur vorzeitigen Rückzahlung des WWF-Darlehens einer gesetzlichen Mietzinsbindung unterlag und seither - für den Fall der Weitervermietung - der Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 3 erster Satz RBG idF des § 53 MRG gilt. Unbeachtet blieb dabei der Einwand der Antragstellerin, daß bei der vorzeitigen Rückzahlung eines nach den Bestimmungen des WWG 1948, BGBl. 1948/130, idF der Novelle 1950, BGBl. 1951/26, gewährten WWF-Darlehens die Befreiung von den Mietzinsbindungen des § 16 MRG nur für solche Objekte in Anspruch genommen werden könne, die mit Fondsmitteln wiederhergestellt wurden. Im rekursgerichtlichen Sachbeschluß findet sich dazu lediglich der Hinweis auf die Entscheidung MietSlg. 35/25, der entnommen wurde, daß die Begünstigung nicht davon abhängig sei, ob einstmals gerade die Wiederherstellung des betreffenden Mietobjekts gefördert wurde.

Tatsächlich trägt die zitierte Entscheidung (5 Ob 54/83) eine solche Schlußfolgerung nicht. Die Judikatur, der zufolge die Nichtanwendbarkeit des § 16 MRG im Fall einer begünstigten Rückzahlung nach dem RBG 1971 für alle Wohnungen in Häusern gilt, in denen zumindest der gemeinsamen Benützung der Mieter dienende Gebäudeteile aus Fondsmitteln wiederhergestellt wurden, bezieht sich auf Darlehen, die im Geltungsbereich des WWG 1948 idF der Novelle 1952, BGBl. 1952/106, gewährt wurden (WoBl. 1990, 108) und könnte allenfalls noch für spätere Novellen zum WWG 1948 (BGBl. 1954/154; BGBl. 1967/54) Geltung beanspruchen; erging jedoch die Entscheidung über das Fondsansuchen vor dem 1. September 1952, war § 15 Abs. 6 WWG idF der WWGN 1950 zu beachten, der nur die "mittels Fondshilfe wiederhergestellten Mietobjekte (Wohnungen und Geschäftsräume)" den Bestimmungen des MG (mit hier nicht zu erörternden Sonderregelungen) und über § 58 Abs. 4 MRG letztlich auch dem MRG unterwarf. Nicht betroffen waren also solche Objekte, denen Fondsmittel nur zur Wiederherstellung allgemeiner Teile des Hauses zugute gekommen waren (Würth in Rummel II, Rz 4 zu § 16 MRG - Anh. WWG;

Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 10 zu § 15 WWG;

MietSlg. 3121; MietSlg. 20615; 5 Ob 15/88, teilweise veröffentlicht in MietSlg. 40.686).

Der Revisionsrekurswerberin ist zuzustimmen, daß der durch § 12 Abs. 3 erster Satz RBG idF des § 53 MRG bewirkte Wegfall der gesetzlichen Mietzinsbildung teleologisch auf jene Mietobjekte zu reduzieren ist, die überhaupt erst durch § 15 WWG 1948 in der jeweils geltenden Fassung den Zinsbildungsvorschriften des MG bzw. des § 16 MRG unterworfen wurden. Ein davon nicht erfaßtes Objekt - hier vielleicht deshalb, weil die vorzeitig zurückgezahlten Fondsmitteln gar nicht zur Wiederherstellung der fraglichen Wohnung dienten - ist daher nicht dem Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 3 erster Satz RBG idF des § 53 MRG zu unterstellen, sondern nach jenen mietzinsrechtlichen Vorschriften zu behandeln, die sich aus den Tatbeständen der §§ 1 und 16 MRG ergeben.

Folglich kann über das Mietzinsüberprüfungsbegehren der Antragstellerin erst entschieden werden, wenn feststeht, ob die Antragsgegner ein tatsächlich vor dem 1. September 1952 gewährtes WWF-Darlehen zurückgezahlt haben (der Schuldschein vom 14. Jänner 1952 deutet darauf hin) und ob diesfalls die WWGN 1952 auch nicht durch Vereinbarung anwendbar geworden ist (Art. II P 18 der WWGN 1952, BGBl. 106 idF BGBl. 1953/117), ob die Fondsmittel zur Wiederherstellung der gegenständlichen Wohnung eingesetzt wurden und - verneinendenfalls - ob die von der Antragstellerin in Anspruch genommene Mietzinsbildung gemäß § 16 Abs. 2 Z 3 MRG zutrifft. Dazu bedarf es weiterer Erörterungen mit den Parteien und vielleicht sogar umfangreicher Verfahrensergänzungen, die eine Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht angezeigt erscheinen lassen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden. Die von der Antragstellerin vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken haben so lange auf sich zu beruhen, als nicht feststeht, daß der erste Satz des § 12 Abs. 3 RBG idF des § 53 MRG überhaupt anzuwenden ist (Art. 89 Abs. 2 B-VG).

Rechtssätze
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