JudikaturJustiz5Ob123/13v

5Ob123/13v – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj F***** J*****, geboren am 12. Juli 2007, W***** J*****, geboren am 17. April 2009, und M***** J*****, geboren am 6. April 2011, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den Revisionsrekurs des Vaters F***** J*****, vertreten durch Mag. Klaus Kabelka, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. April 2013, GZ 45 R 82/13m 171, mit dem infolge der Rekurse des Vaters F***** J*****, des Landes Wien als Jugendwohlfahrtsträger, Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Soziale Arbeit mit Familien, Bezirk 21B, Franz Jonas Platz 3/2/5, 1210 Wien, und der Großmutter C***** J*****, der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 3. Jänner 2013, GZ 6 PS 5/12w 153, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht stellte soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich in Punkt 1. seines Beschusses von Amts wegen ohne Antrag des Vaters fest, dass die vom Jugendwohlfahrtsträger (JWT) am 11. 10. 2011 gesetzte Maßnahme betreffend den mj M*****, nämlich die Abnahme des Kindes von den Eltern und dessen Unterbringung bei einer Krisenpflegemutter gemäß § 215 Abs 1 iVm § 176 ABGB (jeweils idF vor dem KindNamRÄG 2013 [BGBl I 2013/15]) nicht rechtmäßig war. Über die Obsorgezuteilung ist inzwischen -rechtskräftig entschieden.

Das Rekursgericht hob soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich infolge Rekurses des JWT Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses ersatzlos auf. Es habe weder ein Elternteil noch das Kind einen Antrag auf Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Unzulässigkeit der vom JWT getroffenen Maßnahme gestellt. Das Erstgericht habe seine Entscheidung von Amts wegen getroffen. Aufgrund der Aktenlage komme jedoch (inzwischen) die Rückführung des Kindes in den Haushalt der Eltern aus Gründen des Kindeswohls nicht (mehr) in Frage. Der angefochtene Beschlussteil sei daher ersatzlos aufzuheben.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Erstgericht habe eine Entscheidung auf Unzulässigerklärung einer Maßnahme des JWT getroffen. Nach der im Zeitpunkt der Rekursentscheidung maßgeblichen Rechtslage sei bereits § 107a AußStrG zu beachten gewesen. Da zu dieser neuen Rechtslage und auch zu § 138 ABGB (idF KindNamRÄG 2013; Kindeswohl) Rechtsprechung des Höchstgerichts fehle, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen gewesen, komme doch den genannten Fragen über den Einzelfall hinaus Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Vater wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung des Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG):

1. Der Vater erkennt in seinem Revisionsrekurs völlig zutreffend, „dass § 107a AußStrG auf (den) gegenständlichen Fall nicht anwendbar ist, weil es doch klar ist, dass ein Antrag in der gesetzlichen Frist des § 107a AußStrG nicht gestellt wurde und auch (noch gar) nicht gestellt werden konnte, weil es die diesbezügliche gesetzliche Regelung (...) doch noch gar nicht gab.“ Die vom Rekursgericht für erheblich erachtete Rechtsfrage stellt sich also schon deshalb nicht, weil beim Erstgericht kein Antrag nach § 107a AußStrG gestellt worden war, das Erstgericht über keinen solchen Antrag entschieden hat und folglich auch das Rekursgericht keine Entscheidung über einen Antrag nach der genannten Gesetzesstelle zu überprüfen hatte.

2. Fraglich könnte im vorliegenden Kontext (nur) sein, ob das Pflegschaftsgericht auf Basis der (Verfahrens-)Rechtslage vor dem KindNamRÄG 2013 wie hier geschehen (auch) ohne Antrag eines Berechtigten von Amts wegen über die Rechtmäßigkeit einer Interimsmaßnahme des JWT entscheiden durfte. Zu dieser Rechtsfrage nimmt der Vater in seinem Revisionsrekurs nicht im Detail Stellung und das Rekursgericht hat sie im Ergebnis deshalb vertretbar verneint, weil alle Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, die gestützt auf die Rechtslage vor dem KindNamRÄG 2013 die Zulässigkeit dieser Rechtmäßigkeitskontrolle (grundsätzlich) bejahten, vom Vorliegen eines Parteiantrags ausgingen (2 Ob 270/04a EFSlg 107.901 = ÖA 2006, 47 K41; 2 Ob 177/10h EF-Z 2011/37 = JBl 2011, 232 = SZ 2010/152; 6 Ob 1/11g Zak 2011/128; 5 Ob 126/11g SZ 2011/149), der übrigens auch nach neuer Rechtslage vorgesehen ist. Die von § 62 Abs 1 AußStrG geforderte Qualität kommt der Frage der Zulässigkeit einer amtswegigen Rechtmäßigkeitskontrolle einer Interimsmaßnahme des JWT auf Basis der Rechtslage vor dem KindNamRÄG 2013 schon deshalb nicht zu, weil diese inzwischen neu und ausdrücklich geregelt ist und Entscheidungen nach der früheren (überholten) Rechtslage nicht mehr zu erwarten sind (vgl 10 ObS 112/00v; 1 Ob 10/04h; 6 Ob 76/07f; 6 Ob 59/07f; 3 Ob 128/09h).

3. Da die Aufhebung des Punktes 1. des erstgerichtlichen Beschlusses durch das Rekursgericht nicht nach § 62 Abs 1 AußStrG aufzugreifen war, sind in diesem Zusammenhang auch keine das Kindeswohl betreffenden Einzelfragen zu beurteilen.

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.