JudikaturJustiz5Ob122/91

5Ob122/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. November 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Walter Lattenmayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Hans K***** und 2.) Monika K*****, beide *****, beide vertreten durch Dr.Erich Kadlec, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 97.605 sA infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 27.September 1991, GZ 12 R 148/91-22, womit der Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 28.Juni 1991, GZ 20 Cg 53/91-18, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung:

Die klagende Gesellschaft begehrt als Wohnungseigentumsorganisator von den Beklagten den von ihr nach einer endgültigen Abrechnung ermittelten restlichen Kaufpreis für deren Eigentumswohnung. In einem ihr aufgetragenen Schriftsatz (ON 14 dA) führte die Klägerin ua sinngemäß aus, sie habe - obwohl eine Verpflichtung zur Rechnungslegung über die Grundkosten nicht bestehe - eine Geldflußrechnung der Grundkosten vorgenommen; die jeweiligen Beträge für die Zeit vom 31.12.1970 bis 31.12.1975 könnten aus den Bilanzen entnommen werden. Die Vorlage der Bilanzen bot die Klägerin nicht an.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und stellten in einem Zwischenschriftsatz den Antrag, der klagenden Gesellschaft gemäß § 82 Abs 1 ZPO die Vorlage ihrer Bilanzen seit 1970 samt Prüfungsberichten des Revisionsverbandes aufzutragen (ON 17).

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, daß die Klägerin die gegenständlichen Urkunden niemals als Beweismittel angeboten, sondern sie lediglich in ihrem Vorbringen erwähnt habe.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Beklagten mit dem Beisatz zurück, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Nach herrschender Lehrmeinung finde gegen den Beschluß, mit welchem über einen Antrag nach § 82 Abs 1 ZPO abgesprochen wurde, ein Rechtsmittel nicht statt (vgl Fasching, Kommentar II 546 und die dort angeführten weiteren Belegstellen). Zwar lasse sich dieser Rechtsmittelausschluß dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen, er ergebe sich jedoch kraft Größen- und Analogieschlusses aus § 319 ZPO. Es stellte nämlich einen Wertungswiderspruch dar, wollte man dem Beweisverfahren zugehörigen Beschlüssen über die Urkundenvorlage die Anfechtbarkeit überhaupt versagen (so etwa beim Beschluß nach § 299 ZPO) oder den Parteien doch ein abgesondertes Rechtsmittel verweigern (zB beim Beschluß nach §§ 303 f ZPO), gegen die Entscheidung über die Pflicht zur Vorlage von Urkunden gemäß § 82 Abs 1 ZPO, die nicht der Beweisführung gegenüber dem Gericht, sondern bloß der Information des Gegners diene (vgl Fasching aaO), ein (abgesondertes) Rechtsmittel hingegen zulassen.

Die Ausführungen der Rekurswerber zur Zulässigkeit ihres Rechtsmittels seien nicht überzeugend. Auch aus der Entscheidung SZ 7/372 lasse sich für den Standpunkt der Rekurswerber nichts gewinnen. Da nur die Nichtvorlage einer Urkunde bei Durchführung des Urkundenbeweises nach § 303 ZPO, nicht aber die Nichtbefolgung eines lediglich auf die Information des Prozeßgegners abzielenden Auftrages nach § 82 Abs 1 leg cit der richterlichen Würdigung unterliege, gehe die auf § 307 Abs 2 ZPO gegründete Argumentation der Rekurswerber ebenfalls ins Leere. Schließlich könne den Rekurswerbern auch nicht darin gefolgt werden, daß die klagende Partei in bezug auf ihre Bilanzen eine unbedingte Vorlagepflicht nach § 304 Abs 1 ZPO träfe. Die Voraussetzung der allein in Betracht kommenden Z 1 dieser Bestimmung sei nicht erfüllt, habe doch die klagende Partei, wie schon das Erstgericht richtig darlegte, ihre Bilanzen nicht als Beweismittel angeboten und daher auf sie auch nicht im Sinn der angeführten Norm "zum Zweck der Beweisführung im Prozeß Bezug genommen".

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Anfechtbarkeit eines Beschlusses nach § 82 Abs 1 ZPO nicht vorliege.

Der dagegen von den Beklagten erhobene ordentliche Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig und im Sinne seines Zurückverweisungsantrages auch berechtigt.

Bei Beurteilung der Berechtigung des vorliegenden Rechtsmittels ist vorerst davon auszugehen, daß die Beklagten den in ihrem Zwischenschriftsatz gestellten Antrag ausdrücklich auf § 82 ZPO gestützt haben und von ihnen im Zuge ihres Prozeßvorbringens lediglich die Behauptung der Klägerin, die Richtigkeit ihrer Geldflußrechnung der Grundkosten ergäbe sich aus den Bilanzen, bestritten wurde. Die Beklagten haben sich somit gar nicht zum Beweis der Richtigkeit einer in ihre Beweislast fallenden Tatsache auf die - in Händen der Klägerin befindlichen - Bilanzen berufen (§ 303 ZPO). Das von den Beklagten gestellte Begehren ist daher ausschließlich auf der Grundlage des § 82 ZPO zu prüfen.

Wenn eine Partei in einem Schriftsatz auf in ihren Händen befindliche Urkunden Bezug genommen hat, ist sie auf Verlangen des Gegners verpflichtet, diese Urkunden in Urschrift innerhalb von drei Tagen bei Gericht niederzulegen und den Gegner hievon zu benachrichtigen (§ 82 Abs 1 ZPO). Gegen einen die Frist von drei Tagen abkürzenden Beschluß findet kein Rechtsmittel statt (§ 82 Abs 2 ZPO). Diese Urkundenvorlagepflicht dient der Information des Gegners und - anders als die Vorlagepflicht im Rahmen eines Urkundenbeweises - nicht der Beweisführung gegenüber dem Gericht (Fasching II 546). Ob eine nach § 82 Abs 1 ZPO ergehende, dem diesbezüglichen Verlangen stattgebende gerichtliche Anordnung mit Rekurs angefochten werden kann, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt; aus der im Gesetz normierten unbedingten Vorlagepflicht wird jedoch die Unanfechtbarkeit einer solchen Entscheidung gefolgert (Neumann4 I 628 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien; Fasching aaO 546 und 548; SZ 7/372). Diese Begründung läßt sich aber auf die Entscheidung, mit der ein Antrag nach § 82 Abs 1 ZPO abgewiesen wird, nicht übertragen. Die Frage, ob sich eine Partei in einem Schriftsatz auf eine in ihren Händen befindliche Urkunde bezogen hat oder nicht - woraus sich dann erst die unbedingte Pflicht zur Vorlage ergibt -, ist nach dem Gesetz nicht so eindeutig zu beantworten, wie die daraus folgende Vorlagepflicht; schon deshalb und mangels ausdrücklicher Anordnung im Gesetz bietet das Gesetz keine Handhabe, die Abweisung eines auf Niederlegung einer Urkunde im Sinne des § 82 Abs 1 ZPO erhobenen Antrages als unanfechtbar zu beurteilen.

Auch mit der prozeßleitenden Natur des Beschlusses des Erstrichters läßt sich weder die Unzulässigkeit der Anfechtung noch die Unzulässigkeit einer abgesonderten Anfechtung begründen. Gemäß § 514 Abs 1 ZPO ist der Rekurs gegen Beschlüsse nur dann unzulässig, wenn das Gesetz ihre Anfechtung ausschließt; das gilt auch für prozeßleitende Verfügungen (EvBl 1963/31 ua). Der Rekurs ist daher im Zweifel statthaft (Fasching LB2 Rz 1971). Aus dem Ausschluß der Anfechtung bloß vergleichbarer Beschlüsse darf auch nicht auf die - im Gesetz nicht ausdrücklich

vorgesehene - Unanfechtbarkeit anderer Anordnungen geschlossen werden. Die ZPO legt die Anfechtbarkeit von Beschlüssen entweder unmittelbar bei der sie näher regelnden Norm oder - für bestimmte zusammengehörende Gruppen von Beschlüssen - am Ende der sie betreffenden Gesetzesabschnitte fest. Im zweiten Abschnitt des ersten Teiles (Verfahren), in dem die Regelung der Urkundenvorlage zu Informationszwecken enthalten ist, normiert das Gesetz keinen Rechtsmittelausschluß für Beschlüsse mit denen ein darauf gerichteter Antrag abgewiesen wird. Die Bestimmungen des 3.Abschnittes des 1. Teils über die mündliche Verhandlung, insbesondere über die nicht abgesonderte Anfechtbarkeit von - im Rahmen der diskretionären Gewalt des Vorsitzenden

ergangenen - Anordnungen sowie des 1.Abschnittes des zweiten Teiles über den Beweis durch Urkunden, insbesondere über die Anfechtbarkeit von Anordnungen im Rahmen des Urkundenbeweises, sagen daher nichts über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen die in anderen Abschnitten enthaltenen prozeßleitenden Beschlüsse aus.

Die Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten gegen den erstrichterlichen Beschluß erweist sich daher als verfehlt; das Rekursgericht wird vielmehr über den Rekurs der Beklagten meritorisch zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.