JudikaturJustiz5Ob119/63

5Ob119/63 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. April 1963

Kopf

SZ 36/61

Spruch

Zur Verpflichtungsfähigkeit Minderjähriger nach §§ 151, 246 ABGB.

Entscheidung vom 18. April 1963, 5 Ob 119/63.

I. Instanz: Bezirksgericht für Handelssachen Wien; II. Instanz:

Handelsgericht Wien.

Text

Der am 1. Jänner 1942 geborene Kläger hat (unter Berücksichtigung des 13. und des 14. Monatsgehaltes) ein monatliches Reineinkommen von rund 1800 S.

Er wohnt bei seinen Eltern, wird von diesen verpflegt und bezahlt hiefür ein monatliches Kostgeld von 400 S. Mit dem Rest seines Einkommens muß er alle sonstigen Bedürfnisse bestreiten. Er hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet, wurde aber als tauglich ohne Waffe befunden.

Am 28. Februar 1962 kaufte er von der beklagten Partei einen gebrauchten Personenkraftwagen Marke Skoda zum Preise von 18.000 S. Er leistete eine Anzahlung von 1500 S, der Rest sollte in 30 Monatsraten mittels AVA-Kredites abgestattet werden. Dies hätte einer monatlichen Ratenverpflichtung von 660 S entsprochen. Nach den vereinbarten Lieferungsbedingungen steht der beklagten Partei bei unbegrundetem Rücktritt des Klägers ein Anspruch auf eine 15%ige Stornogebühr zu.

Die Kreditgewährung durch die AVA kam nicht zustande, da der Vater des zur Zeit des Vertragsabschlusses noch minderjährigen Klägers sowohl die geforderte Übernahme der Bürgschaft als auch die Genehmigung des Kaufvertrages ablehnte. Daher begehrt der Kläger die geleistete Anzahlung zurück und die beklagte Partei wendet aufrechnungsweise ihren Anspruch auf Stornogebühr in gleicher Höhe ein.

Das Erstgericht stellte zunächst mit Urteil vom 22. Mai 1962 fest, daß die Klagsforderung zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und gab demgemäß der Klage statt.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück.

Nach Ergänzung des Verfahrens entschied dieses nunmehr, daß sowohl die Klagsforderung als auch die Gegenforderung mit 1500 S zu Recht bestehen und daß daher das Klagebegehren abgewiesen werde. Es stellte fest, der Zeuge Josef H. habe nach der Verweigerung des Kredites durch die AVA. dem Kläger namens der beklagten Partei angeboten, ihm den Kaufpreis selbst gegen Abzahlung in 30 Monatsraten zu kreditieren. Die Kreditbedingungen wären die gleichen gewesen.

Der Kläger sei bei Vertragsabschluß nicht in elterlicher Verpflegung gestanden, da er für die Verpflegung bei seinen Eltern ein Kostgeld bezahlte und seine Bedürfnisse überwiegend aus seinem Einkommen bestritt. Dieses Einkommen sei so hoch gewesen, daß er daraus die vereinbarten Monatsraten ohne Gefährdung seines Unterhaltes bezahlen konnte. Auf die darüber hinaus mit der Anschaffung des Kraftfahrzeuges verbundenen Lasten sei nicht Bedacht zu nehmen. Der Abschluß des Kaufvertrages sei daher in den Rahmen seiner beschränkten Geschäftsfähigkeit gefallen.

Die Vereinbarung der ratenweisen Abstattung des Restkaufpreises durch Kreditaufnahme habe nur eine Zahlungsmodalität betroffen, durch die dem Kläger Zahlungserleichterungen gewährt werden, die Beklagte aber sofort zu ihrem Geld kommen sollte. Durch die Zusage, dem Kläger selbst den Kredit zu gewähren, habe die beklagte Partei auf die sofortige Erlangung des Kaufpreises verzichtet. Darin liege für den Kläger kein Nachteil, zumal er keinen Anspruch darauf habe, daß eine bestimmte Person sein Gläubiger sei. Seine Weigerung, den Vertrag zu erfüllen, sei unbegrundet, daher müsse er die Stornogebühr bezahlen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und sprach aus, daß die Klagsforderung mit 1500 S zu Recht und die Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung nicht zu Recht bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Da der seinerzeitige Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ohne Rechtskraftvorbehalt gefaßt wurde und das Erstgericht auf Grund der darin geäußerten bindenden Rechtsansicht zu einer von seinem ersten Urteil abweichenden Entscheidung gelangte, ist die Revision gemäß § 502 (5) ZPO. zulässig; sie ist auch begrundet.

Beide Untergerichte haben zutreffend dargelegt, daß die selbständige Verpflichtungsfähigkeit Minderjähriger nach den §§ 151 ff. und 246 ff. ABGB. davon abhängt, daß der Minderjährige über ein eigenes Einkommen verfügt und außerhalb der Verpflegung seiner Eltern steht. Maßgebend ist, ob das Einkommen des Minderjährigen auch bei Berücksichtigung seiner Vertragsverpflichtungen zur Deckung seiner Lebensbedürfnisse hinreicht. Dies wird nur dann zu bejahen sein, wenn Höhe und Dauer seiner Verpflichtungen zu seinem Einkommen und seiner allgemeinen Lebenslage in einem erträglichen Verhältnis stehen. Es handelt sich somit um eine quaestio facti, die nach den Umständen des Einzelfalles zu beantworten ist. Hiebei wird besonders bei Ratengeschäften dem Schutz des Minderjährigen besonderes Augenmerk zu schenken sein (vgl. EvBl. 1962, Nr. 412 sowie die Ausführungen Körners in der Richterzeitung 1961 S. 49).

In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof in der eben zitierten Entscheidung die Verpflichtung einer minderjährigen Kontoristin zur Zahlung von 1839 S 96 g in zwölf Monatsraten zu je 153 S 33 g als in keinem tragbaren Verhältnis zu deren Monatseinkommen von 950 S stehend bezeichnet und ausgesprochen, daß die finanziellen Auswirkungen dieses Vertrages über die Leistungsfähigkeit der Käuferin hinausgehen.

Ebenso wurde in der Entscheidung EvBl. 1958 Nr. 143 die selbständige Verpflichtung eines Minderjährigen, der wöchentlich 220 S monatlich also etwa 950 S verdiente, zu einer monatlichen Ratenzahlung von 300 S als ungültig erklärt.

In der nicht veröffentlichten Entscheidung 1 Ob 405/60 schließlich wurde die Verpflichtung eines wenig über 1000 S monatlich verdienenden Minderjährigen zum Ankauf eines Mopeds um 4859 S als über seine Leistungsfähigkeit hinausgehend angesehen. Insbesondere wurde ausgesprochen, daß die Anzahlung von 1600 S sowie die Abstattung des Restes von 3200 S in Monatsraten von je 130 S eine zweijährige Belastung mit mehr als 10% des Monatseinkommens darstelle und daher unverhältnismäßig sei.

Vergleicht man diese Fälle mit dem vorliegenden, so muß allerdings dem Berufungsgericht eingeräumt werden, daß die finanzielle Lage des Klägers weit günstiger ist, da er über ein monatliches Nettoeinkommen von 1800 S verfügt und seinen Eltern nur 400 S für Wohnen und Verpflegung zahlen muß, sodaß ihm 1400 S für seine sonstigen Bedürfnisse bleiben. Auf der anderen Seite ist aber zu bedenken, daß sich der Kläger zur Zahlung eines weitaus höheren Betrages, nämlich von 18.000 S verpflichtet hat, sowie, daß die Ratenverpflichtung von 660 S monatlich mehr als ein Drittel seines Einkommens ausmacht und sich auf 2 1/2 Jahre erstreckt. Zieht man noch in Betracht, daß der Kläger - da er zwar für tauglich ohne Waffe erklärt wurde, aber seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet hat - mit der Möglichkeit seiner Einberufung rechnen muß, in welchem Fall er seine Ratenverbindlichkeit kaum erfüllen könnte, so muß bei Berücksichtigung des oben als notwendig dargestellten Schutzes Minderjähriger bei Ratengeschäften gesagt werden, daß die Verpflichtung des Klägers die Grenze des § 151 ABGB. übersteigt.

Der Vertrag ist somit ungültig, weshalb wohl dem Kläger der Anspruch auf Rückforderung der Angabe zusteht, nicht aber der beklagten Partei die Stornogebühr.