JudikaturJustiz5Ob106/02b

5Ob106/02b – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Johanna B*****, vertreten durch Mag. Petra Zeleny, Mag. Nadja Horvath, beide Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien, wider die Antragsgegner 1. Maria S*****, 2. Edeltraud F*****, 3. Alfred H*****, alle vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Rekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. Dezember 2001, GZ 41 R 285/01t-18, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 2. Juli 2001, GZ 9 Msch 12/00s-13, abgeändert und der Zwischenantrag auf Feststellung zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und der erstgerichtliche Sachbeschluss wiederhergestellt. Die Antragsgegner sind schuldig, der Antragstellerin die mit S 76 bestimmten Barauslagen des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist Mieterin der beiden zusammengelegten Wohnungen top 10 und 11 im Haus***** in*****, das im Eigentum der Erst- bis Drittantragsgegner steht. Die Wohnungen waren im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages (1975) Substandardwohnungen im Sinn des § 3 Z 10 StadterneuerungsG, weil keine Toilette im Wohnverband vorhanden war.

Aufgrund eines Antrags der Mieterin wurde im Verfahren 9 Msch 42/98x des Bezirksgerichtes Favoriten der zulässige Hauptmietzins für die Bestandzinsperioden 4/98 bis 10/98 überprüft und eine Überschreitung des zulässigen Zinsausmaßes um monatlich S 1.673,90 durch Vorschreibung eines Hauptmietzinses von monatlich S 3.173,90 statt S

1.500 festgestellt. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Am 4. 10. 1999 leitete die Antragstellerin neuerlich ein Verfahren zur Überprüfung der Zulässigkeit des vereinbarten und vorgeschriebenen Hauptmietzinses seit Oktober 1995 ein. Nunmehr stützt sie sich darauf, dass für ihre Wohnung nach dem Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses und dem damaligen Ausstattungszustand (1974) ein Hauptmietzins von S 4/m² zulässig sei, somit lediglich S 248 monatlich. Das Begehren lautet dahin, festzustellen, wie hoch der zulässige Hauptmietzins für das verfahrensgegenständliche Bestandobjekt sei und zu entscheiden, um welche Beträge durch Vorschreibung der angeführten Hauptmietzinse das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten worden sei.

Die Antragsgegner begehrten die Abweisung des Antrags unter Hinweis auf die rechtskräftige Vorentscheidung. Seit November 1999 werde der Mieterin nur mehr ein Hauptmietzins von S 1.500 vorgeschrieben. Die früheren Überschreitungsbeträge seien bereits bezahlt worden. Die Schlichtungsstelle stellte unter Anwendung des § 2 Abs 1 MG idF 1974 Mietzinsüberschreitungen in den Bestandzinsperioden 1. 11. 1996 bis 1. 10. 1999 insoweit fest, als der monatliche Betrag von S 248 überschritten wurde. Zufolge § 16 Abs 3 MG idF der MG-Novelle 1974 seien ab dem 1. August 1974 geschlossene Vereinbarungen über mangelhaft ausgestattete Wohnungen im Sinn des § 3 Z 10 StadterneuerungsG nur insoweit wirksam, als der vereinbarte monatliche Hauptmietzins den Betrag von S 4/m² der Nutzfläche der Wohnung nicht übersteige.

Die Antragsgegner riefen gegen diese Entscheidung das Erstgericht an. Außer Streit steht, dass der Antragstellerin bis 3/98 S 1.500 monatlich vorgeschrieben wurden, ab 4/98 S 3.173,90 und seit November 1999 wiederum S 1.500.

Mit Mietvertrag vom 3. Dezember 1975 mietete der Ehegatte der Antragstellerin die Wohnungen top Nr 10 und 11 in dem nunmehr den Antragsgegnern gehörenden Haus*****, wobei beide Wohnungen zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zusammengelegt waren und über keine Innentoiletten verfügten, die Wohnung Nr 11 auch über keinen Wasseranschluss. Als Hauptmietzins wurde ein Betrag von S 1.500 monatlich vereinbart. Dem Mieter wurde die Zusammenlegung der Wohnungen auf seine Kosten erlaubt. Eine solche Zusammenlegung auf Kosten des Mieters erfolgte auch im Jänner 1976. Die Nutzfläche der Wohnung steht mit 72 m² außer Streit.

Die Antragstellerin folgte dem Vormieter nach dessen Tod im Jahr 1993 in den Mietrechten als Hauptmieterin nach.

Im erstinstanzlichen Verfahren, nämlich in der mündlichen Verhandlung vom 20. 3. 2001 begehrte die Antragstellerin mit Zwischenantrag auf Feststellung festzustellen, dass durch die Vereinbarung eines Betrages von S 1.500 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten wurde und die Vereinbarung daher insoweit unwirksam sei.

Das Erstgericht stellte mit Zwischensachbeschluss fest, dass die Mietzinsvereinbarung über die betreffende Wohnung in Höhe von S 1.500 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß monatlich um S 1.212 übersteige, dass der zulässige Hauptmietzins S 288 monatlich betrage, und die Mietzinsvereinbarung daher im Ausmaß von S 1.212 monatlich unwirksam sei.

Für die Mietzinsperioden 11/96 bis 3/98 hätten daher die Antragsgegner monatlich das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um S

1.212 überschritten und in den Bestandzinsperioden 11/98 bis 10/99 um monatlich S 3.173,90. Das Erstgericht verpflichtete die Antragsgegner im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile der Antragstellerin S 55.234,80 zuzüglich 10 % Ust und 4 % Zinsen seit 4. 10. 1999 zu bezahlen. Der Antrag auf Feststellung der Überschreitung des zulässigen Zinsausmaßes für den Zeitraum 1. 10. 1995 bis 1. 10. 1996 sowie hinsichtlich der Monate 4/98 bis 10/98 wurde abgewiesen. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt wie folgt:

Das Verfahren sei durch Antrag vom 4. 10. 1999 eingeleitet worden. Mit 1. 9. 1999 sei die WRG 1999 in Kraft getreten, die in § 44 MRG neu dahin gelautet habe, dass die Präklusionsbestimmung des § 16 Abs 8 zweiter bis vierter Satz MRG nicht für Mietzinsvereinbarungen gelte, die vor dem 1. März 1994 abgeschlossen worden seien. Das bedeute, dass für den Zeitraum 1. September 1999 bis 1. Juli 2000 für die sogenannten "Altverträge" die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG keine Geltung gehabt habe.

Das Erstgericht teilte die Ansicht der Schlichtungsstelle, dass für die gegenständliche "Substandardwohnung" gemäß § 16 MG in der damals geltenden Fassung höchstens ein Hauptmietzins von S 4/m² Nutzfläche vereinbart hätte werden dürfen. Dieser Mietzins sei eingefroren und habe nicht erhöht werden dürfen. Er betrage daher nach wie vor S 288 monatlich.

Rechtskräftig erledigt durch die Vorentscheidung sei der Zeitraum 4/98 bis 10/98, sowohl davor als danach liegende Zeiträume könnten jedoch hinsichtlich der Zulässigkeit des vereinbarten und begehrten Mietzinses überprüft werden.

Die Feststellung über die Unzulässigkeit der Hauptmietzinsvereinbarung, soweit sie über S 288 hinausgehe, sei durch den Zwischenantrag auf Feststellung gedeckt. Die Voraussetzungen des § 236 Abs 1 ZPO lägen vor. Die Feststellung über die Zulässigkeit der Hauptmietzinsvereinbarung sei nämlich nicht nur für die Entscheidung in der Hauptsache präjudiziell, sondern gehe auch über den konkreten Rechtsstreit hinaus, weil sie die Unwirksamkeit ein für alle Mal festschreibe und daher Bedeutung für künftige Mietzinsüberprüfungen habe. Dies in Hinblick darauf, dass § 44 MRG mit Wirkung zum 1. Juli 2000 wieder aufgehoben worden sei. Einem gegen die Entscheidung über den Zwischenantrag auf Feststellung erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob die Entscheidung über die Zulässigkeit des vereinbarten Hauptmietzinses auf und wies den entsprechenden Zwischenantrag auf Feststellung zurück. Die Voraussetzungen des § 236 ZPO lägen nicht vor, weil eine abstrakte Feststellung der Unzulässigkeit der Mietzinsvereinbarung zwar für die Entscheidung im gegenständlichen Verfahren präjudiziell sei, nicht jedoch für weitere Mietzinsperioden. Durch die Aufhebung des § 44 MRG durch die WRN 2000 gälten nämlich für Altmietverträge wieder die Präklusionsbestimmungen des § 16 Abs 8 MRG. Die Antragstellerin könne daher nach dem gegenständlichen Verfahren, also für Mietzinsperioden ab 11/99 keine Mietzinsüberprüfungen mehr durchsetzen, weil dem die Präklusion des § 16 Abs 8 MRG entgegenstehe.

Unzulässigerweise habe die Antragstellerin versucht, mit einem nach dem 1. 7. 2000 (§ 49c Abs 8 MRG) gestellten Zwischenantrag auf Feststellung die von Mietzinsperioden losgelöste abstrakte Feststellung der Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung zum Gegenstand der Sachentscheidung zu machen. Dies habe zur Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung zu führen. Ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes und die Zulässigkeit eines weiteren Rechtszuges erübrige sich aufgrund der gebotenen Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegner beantragen, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Erst jüngst hat der erkennende Senat in der noch nicht veröffentlichten Entscheidung 5 Ob 7/02v vom 29. 1. 2002 erkannt, dass in einem Fall wie im vorliegenden dem Antragsteller das Recht zusteht, die Unwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung zum Gegenstand eines selbständigen Zwischenfeststellungsantrags zu machen, wenn im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens das Recht, eine Hauptmietzinsvereinbarung überprüfen zu lassen, noch nicht präkludiert war. Auch hier machte die Antragstellerin mit Einleitung des Verfahrens eine Teilnichtigkeit der alten Vereinbarung geltend, was ihr damals ohne Rücksicht auf die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG infolge Geltung des § 44 MRG idF vor dessen Aufhebung durch die WRN 2000 offenstand. Damit steht ihr prozessual nicht nur das Recht zu, die Frage der Unwirksamkeit der alten Vereinbarung als Vorfrage für bestimmte Überschreitungszeiträume geltend zu machen, sondern zufolge der Bestimmung des § 37 Abs 3 Z 13 MRG auch das Recht, diese Unwirksamkeit zum Gegenstand eines selbständigen Zwischenfeststellungsantrags zu machen. § 49c Abs 8 MRG idF WRN 2000 ist die vom Rekursgericht vorgenommene Beschränkung nicht zu entnehmen. § 49c Abs 8 MRG lautet ja nicht dahin, dass in (am 1. Juli 2000) anhängigen Verfahren § 44 MRG nur bis zum 1. Juli 2000 anzuwenden sei. Damit war das Begehren, die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung zum Gegenstand eines selbständigen Zwischenfeststellungsantrags zu machen, einerseits nicht von der Präklusionwirkung umfasst, andererseits steht damit auch die Wirkung der begehrten Feststellung als über das konkrete Verfahren hinausgehend fest. Mit der selbständig in Rechtskraft erwachsenden Feststellung der Teilunwirksamkeit der alten Mietzinsvereinbarung ist nämlich für künftige Mietzinsüberprüfungsverfahren eine Bindungswirkung gegeben und die Gefahr des Eintritts der Präklusion verhindert.

Spruchgemäß war daher die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.