JudikaturJustiz5Ob101/07z

5Ob101/07z – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragsteller 1. L*****, 2. D***** GmbH, *****, beide vertreten durch DDr. Sven D. Fenz, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Antragsgegnerin Ferdinand U***** KG, *****, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen §§ 37 Abs 1 Z 8, 12a MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 9. März 2007, GZ 3 R 2/07x-28, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Der Erstantragsteller hat mit Mietvertrag vom 13. 1. 1976 dem Textilunternehmer Ferdinand U***** näher bezeichnete Räumlichkeiten im Haus *****, vermietet. Der Mietvertrag hat auszugsweise folgenden Inhalt:

„Punkt 3.): Der monatliche Mietzins beträgt S 5.500, in welchem die auf das Mietobjekt anteilsmäßig entfallenden Betriebskosten und die gegenwärtig öffentlichen Abgaben sowie sonstige Aufwendungen für das Haus W*****gasse 18 inbegriffen sind. Die sich aus dem Mietzins ergebende allfällige Mehrwertsteuer ist von der Mieterin zu bezahlen und gleichzeitig mit dem Mietzins zu entrichten. Sollten die derzeit allgemein geltenden Mietzinse eine Erhöhung erfahren oder die derzeit geltenden Ansätze der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben erhöht werden oder den Vermieter treffende Betriebskosten oder öffentliche Abgaben neu eingeführt werden, verpflichtet sich die Mieterin zu dem vorstehend vereinbarten Mietentgelt einen diesen Erhöhungen entsprechenden Zuschlag oder einen neu zu vereinbarenden Mietzins zu bezahlen.

....

Punkt 13.): Die Bezahlung des Mietzinses hat auf der Grundlage des vom Österreichischen Zentralamt für Statistik in Wien allmonatlich verlautbarten Lebenshaltungskostenindex „Verbraucherpreisindex 1966" gegenüber dem heutigen Stande und dem Zahlungstage zu erfolgen. Schwankungen bis zu 10 % plus oder minus werden nicht berücksichtigt, darüber hinausgehende zur Gänze."

Die Antragsgegnerin und Bestandnehmerin hat seit 1. 2. 1977 die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Diese firmierte zunächst als „Großhandelshaus Ferdinand U***** KG" und seit 25. 2. 1998 als „Ferdinand U***** KG". Ursprünglich war die persönlich haftende Gesellschafterin der Antragsgegnerin die „H***** Einkaufsgesellschaft mbH", deren Gesellschafter zuletzt Dr. Herbert U***** (Stammeinlage S 135.000) sowie dessen Kinder Mag. Bernd und Sabine U***** (Stammeinlage jeweils S 182.500) waren.

Am 25. 2. 1998 wurde Dr. Herbert U***** statt der „H***** Einkaufsgesellschaft mbH" als Komplementär der Antragsgegnerin und am 30. 5. 2002 wurden anstelle des Dr. Herbert U***** dessen Kinder Mag. Bernd und Sabine U***** als Komplementäre der Antragsgegnerin im Firmenbuch eingetragen.

Das Erstgericht sprach mit seinem Sachbeschluss gestützt auf § 12a Abs 1 bis 3 MRG aus, dass der angemessene Hauptmietzins für das Bestandobjekt der Antragsgegnerin (Ausmaß 246,06 m² zuzüglich Lagerraum im Keller im Ausmaß von 67,46 m² und zwei nicht zugeordneten PKW-Abstellplätzen vor dem Haus) zum Stichtag 25. 2. 1998 EUR 906 netto monatlich betrage, wobei der Hauptmietzins wertgesichert auf Basis des Verbraucherpreisindex 1996 in sinngemäßer Anwendung des § 16 Abs 6 MRG zu entrichten sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 10.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Antragsgegnerin macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage geltend:

1.1. Die Antragsgegnerin vertritt die Ansicht, das auf § 12a Abs 1 bis 3 MRG gestützte Anhebungsbegehren sei verfristet. Dr. Herbert U***** habe nämlich in einem Gespräch mit einem Vorstandsmitglied des Erstantragstellers geäußert, „das Geschäft habe die Jugend übernommen". Diese Mitteilung stelle eine ausreichende und demnach fristauslösende Anzeige der Unternehmensveräußerung dar, sei diese doch an keine bestimmte Form gebunden. Besagte Mitteilung sei nach dem Standpunkt der Antragsgegnerin spätestens im Herbst 2002 erfolgt und das mit Schreiben vom 18. 12. 2003 gestellt Anhebungsbegehren sei demnach verfristet. Das Erstgericht habe allerdings den Zeitpunkt der Mitteilung von der „Geschäftsübernahme" nicht mit „spätestens Herbst 2002" als erwiesen angenommen, sondern dazu eine negative Feststellung getroffen. Mit der von der Antragsgegnerin zu dieser Tatfrage erhobenen Beweisrüge habe sich das Rekursgericht nicht auseinandergesetzt und ihr damit den Nachweis der Verspätung des Anhebungsbegehrens entzogen.

1.2. Die Mietzinsanhebung gemäß § 12a Abs 1 bis 3 MRG kann bei einer juristischen Person dann erfolgen, wenn sich in ihr die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten entscheidend ändern. Die vertretungsbefugten Organe der juristischen Person oder Personengesellschaft des Handelsrechts sind in diesem Fall verpflichtet, solche Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten dem Vermieter anzuzeigen. Nach dem insofern völlig eindeutigen Wortlaut des § 12a Abs 2 MRG, auf den der hier anzuwendende § 12a Abs 3 MRG verweist, beginnt der Lauf der sechsmonatigen Präklusivfrist für die Anhebung des Hauptmietzinses mit dieser - unverzüglich zu erstattenden - Anzeige der Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mietergesellschaft (5 Ob 316/99b = MietSlg 51.272 = ecolex 2000/176,

427, Hausmann = HS 30.596; 5 Ob 109/00s = immolex 2000/197, 263 =

wobl 2001/64, 51, Vonkilch = MietSlg 52.294; RIS-Justiz RS0113457).

Richtig ist die Ansicht der Antragsgegnerin, dass das Gesetz für diese Anzeige keine bestimmte Form vorschreibt, doch haben die Vorinstanzen Gegenteiliges ohnehin nicht angenommen. Maßgeblich ist hier nicht die Form, sondern der gebotene Inhalt der Anzeige nach § 12a Abs 2 und 3 MRG. Diese Anzeige soll dem Vermieter die zuverlässige Beurteilung ermöglichen, ob eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mietergesellschaft stattgefunden hat, weil gerade davon die Zulässigkeit und der Beginn für die Mietzinsanhebung abhängen. Wie im Lichte dieses Anzeigezwecks der konkrete Wortlaut einer gegebenenfalls als Anzeige gedachten Mitteilung zu werten ist, stellt typischerweise eine Frage des Einzelfalls dar, der keine darüber hinausgehende, richtungsweise Bedeutung zukommt. Wenn hier die Vorinstanzen in der Äußerung des Dr. Herbert U***** gegenüber einem Vorstandsmitglied des Erstantragstellers, „das Geschäft habe die Jugend übernommen", keine Anzeige im Sinn des § 12a Abs 2 und 3 MRG erkannt haben, so liegt darin jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende unvertretbare Fehlbeurteilung, lassen sich doch aus einer solchen Mitteilung keinerlei fassbare Schlussfolgerungen auf konkrete Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mietergesellschaft ableiten. Vielmehr wird mit einer derart undifferenzierten Äußerung gerade nicht dem Zweck der Anzeige, nämlich der eindeutigen Klarstellung der Sach- und Rechtslage in der Struktur der Mietergesellschaft entsprochen.

2.1. Die Antragsgegnerin vertritt weiterhin - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - den Standpunkt, dass durch keinen der hier relevanten gesellschaftsrechtlichen Vorgänge ein Anhebungstatbestand nach § 12a Abs 3 MRG verwirklicht worden sei. Es mögen sich zwar formaliter rechtlich die Einflussmöglichkeiten geändert haben, wirtschaftlich jedoch nicht. Bis 24. 2. 1998 habe Dr. Herbert U***** als alleiniger Geschäftsführer der einzigen Komplementärin („H***** Einkaufsgesellschaft mbH") und einlagenstärkster Kommanditist der Antragsgegnerin diese ökonomisch allein geführt. Ab 25. 2. 1998 sei dann weiterhin Dr. Herbert U***** „lediglich in neuem Rechtskleid als alleiniger Komplementär" einziger Geschäftsführer der Ferdinand U***** KG gewesen. Die gesellschaftsrechtlichen Vorgänge vom 30. 5. 2002 hätten dann, wenn man sich schon auf die ausschließlich formale Betrachtung einlasse nur zu einem Wechsel der Machtverhältnisse zurück zum status quo ante 1998 geführt.

2.2. Die Ansicht der Vorinstanzen entspricht der Judikatur wonach bei einer Kommanditgesellschaft eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten idR dann anzunehmen ist, wenn der persönlich haftende Gesellschafter ausgetauscht wird oder sich die Beteiligungsverhältnisse bei den kraft Gesetzes geschäftsführungsbefugten Komplementären entscheidend verschieben (10 Ob 72/04t = MietSlg 56.281 = RdW 2005, 219 = AnwBl 2006, 313; RIS-Justiz RS0118946; RS0116941); eine Änderung bei der Zuteilung der Geschäftsführungsbefugnisse ist dazu nicht erforderlich

(5 Ob 21/04f mwN = wobl 2005/47, 174 = MietSlg 56.277/14 = GesRZ

2004, 270 = RdW 2004, 593). Der Oberste Gerichtshof hat auch schon

ausdrücklich für den Fall des Ersatzes einer juristischen Person als Komplementär durch eine natürliche Person, die bereits bislang Kommanditist in der Gesellschaft war und gleich bleibenden handelnden Person das Vorliegen des Anhebungstatbestands nach § 12a Abs 3 MRG bejaht (10 Ob 72/04t = MietSlg 56.281 = RdW 2005, 219 = AnwBl 2006, 313).

3.1. Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass, selbst wenn die Voraussetzungen des § 12a Abs 3 MRG erfüllt sein sollten, die Anhebung jedenfalls nur in Fünfzehntel-Schritten erfolgen dürfe, weil ihr § 12a Abs 4 MRG iVm 46a Abs 2 MRG zustatten komme. Dr. Herbert U***** (leiblicher Vater) und die (kinder- und ehegattenlosen) Sabine und Mag. Bernd U***** seien wechselseitig gesetzliche Erben. Gegebenenfalls habe daher ein Machtwechsel (jeweils) zugunsten von zueinander gesetzlich berufenen Erben im Sinn des § 12a Abs 4 stattgefunden, der analog auch für Fälle des § 12a Abs 3 MRG gelte.

3.2. Auf die von der Antragsgegnerin aufgeworfene Frage der ausdehnenden Auslegung des in § 12a Abs 4 MRG normierten Erbenprivilegs auf den Erwerber von Anteilen einer Mietergesellschaft ist hier nicht einzugehen (vgl dazu RIS-Justiz RS0114645; RS0111418), weil sich die für die Verwirklichung des Anhebungstatbestands maßgebliche Änderung im Februar 1998 (Komplementärwechsel von der „H***** Einkaufsgesellschaft mbH" auf Dr. Herbert U*****) nicht zwischen gesetzlichen Erben vollzogen hat.

4.1. Vorliegend habe ein vereinbarter Pauschalmietzins bestanden. Der darin enthaltene Hauptmietzins könne nach Ansicht der Antragsgegnerin nicht ohne weiteres nach § 12a MRG angehoben werden, weil doch der Betrag des Hauptmietzinses, und nur dieser könne naturgemäß angehoben werden, zunächst unbekannt sei. Der Erstantragsteller wäre verhalten gewesen, gemäß § 15 Abs 4 MRG einen Antrag auf Aufgliederung des Mietzinses zu stellen, welche Aufgliederung dann erst ab dem auf den Antragstag folgenden Zinstermin wirksam werden hätte können. Da ein Aufgliederungsantrag nicht gestellt worden sei, gehe das Anhebungsbegehren ins Leere. Der Erstantragsteller hätte jedenfalls das Anhebungsbegehren mit dem schlichtungsbehördlichen bzw gerichtlichen Aufgliederungsantrag verbinden müssen, müsse doch die Antragsgegnerin die willkürliche (außergerichtliche) Aufgliederung durch den Erstantragsteller in seinem, das Anhebungsbegehren enthaltenden Schreiben vom 18. 12. 2003 nicht hinnehmen. Die einschlägige E 5 Ob 14/92 zum alten § 12 Abs 3 MRG sei nicht mehr ohne Weiteres maßgeblich, weil mit dem 3. WÄG ein gesetzliches Regime zur Aufspaltung des Pauschalmietzinses in seine Bestandteile bestehe. Nach der seither geltenden Rechtslage habe die Vertragspartei den schlichtungsbehördlichen bzw gerichtlichen Aufgliederungsantrag zu stellen, andernfalls bleibe es beim Pauschalmietzins. Bestenfalls wäre erst im Anhebungsbegehren an die Schlichtungsstelle vom 19. 1. 2004, hilfsweise im Schreiben vom 18. 12. 2003 ein Aufspaltungsantrag nach § 15 Abs 4 MRG zu begreifen gewesen, welcher aber nur ex nunc wirke. Eine Anhebung hätte daher nicht schon ab 1. 2. 1998, sondern frühestens ab 1. 2. 2004 wirksam ausgesprochen werden können.

4.2. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist die Lösung des Verhältnisses zu § 15 Abs 4 MRG bereits durch die E 5 Ob 14/92 (= ImmZ 1992, 194 = wobl 1992, 126 = MietSlg 44.323 = MietSlg 44.341 = MietSlg 44.512/11) vorgezeichnet. War die Anhebung im Sinn des (nunmehrigen) § 12a Abs 1 und 3 MRG im Falle einer Pauschalmietzinsvereinbarung zulässig, als es einen Aufspaltungsantrags nach dem (nunmehrigen) § 15 Abs 4 MRG noch nicht gab und es eines solchen folglich nicht bedurfte, dann kann diese neue Möglichkeit der Mietzinsaufspaltung der Mietzinsanhebung gerade nicht entgegen stehen. Es wäre schlichtweg widersinnig, die Mietzinsanhebung trotz Pauschalmietzinsvereinbarung bei fehlender Möglichkeit eines Mietzinsaufspaltungsantrags zuzulassen und nach Einführung dieser Antragsmöglichkeit abzulehnen oder zusätzlich zu erschweren.

Im Übrigen wird schon in der E 5 Ob 14/92 ausgeführt, der dem Vermieter „aufgezwungene" Mieter trete in den Mietvertrag mit der Maßgabe ein, dass er auf Verlangen des Vermieters jedenfalls den im Sinne des (früheren) § 12 Abs 3 MRG angemessenen Hauptmietzins zu zahlen habe, unabhängig davon, ob mit dem Vormieter eine Pauschalmietzinsvereinbarung bestand oder nicht. Es kann dann aber auch der maßgebliche Zeitpunkt, ab wann dieser angemessene Hauptmietzins verlangt werden kann, nur der in § 12a Abs 1 Satz 2 MRG genannte Zinstermin sein. Die gegenteilige Ansicht der Antragsgegnerin liefe auf den unvertretbaren Standpunkt hinaus, dass es der neue Mieter in der Hand hätte, dem Vermieter durch gesetzwidrige Vorgangsweise, nämlich durch das Unterlassen der unverzüglichen Anzeige der Unternehmensveräußerung (der Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten) die Mietzinsanpassung zu verschleppen.

Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG sind mithin nicht zu beantworten, womit sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin als unzulässig erweist und zurückzuweisen ist.

Rechtssätze
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