JudikaturJustiz5Ob100/03x

5Ob100/03x – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Mai 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Tina T*****, geboren 4. September 1987, über den Revisionsrekurs der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, Amt für Jugend und Familie, 1030 Wien, Sechskrügelgasse 11, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Februar 2003, GZ 44 R 126/03k 83, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 14. Jänner 2003, GZ 59 P 217/02 77, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird zur neuerlichen Entscheidung über den Kuratorenbestellungsantrag an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die Obsorge für die mj Tina kommt der Mutter zu. Unterhaltssachwalter ist das Amt für Jugend und Familie.

Die Mutter beantragte am 13. 12. 2002 die Bestellung eines Kollisionskurators, weil sie beabsichtige, ihrer Tochter Tina ihre Gemeindewohnung zu übergeben. Die Gemeinde habe angeregt, dass dafür ein Kollisionskurator bestellt werden solle.

Das Erstgericht bestellte das Amt für Jugend und Familie zum Kollisionskurator gemäß § 271 ABGB zur Vertretung der Interessen des Kindes in Bezug auf die beabsichtigte Übertragung der Gemeindewohnung der Mutter an die Tochter.

Das Rekursgericht gab dem hiegegen erhobenen Rekurs des Jugendwohlfahrtsträgers nicht Folge, sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei und führte Folgendes aus:

Die Übertragung der Mietrechte habe nicht nur deren Ausübung zum Gegenstand, sondern auch die Übernahme der Verpflichtung zur Mietzinszahlung und die Befugnis zur Entscheidung über die Aufnahme von Mitbewohnern; es könne sich aus der Übertragung von Mietrechten unter Umständen auch die Möglichkeit einer Erhöhung des Mietzinses ergeben. Auch wenn die Mutter die Haftung für die Mietzinszahlungspflicht übernähme, bliebe die Minderjährige im Falle der Uneinbringlichkeit damit wirtschaftlich belastet. Es sei daher eine Kollision der Interessen von Mutter und Tochter möglich, deren Objektivierung und Lösung der Beiziehung eines Kollisionskurators bedürfe. Die Bestellung eines solchen Kurators sei daher gemäß § 271 ABGB zu Recht erfolgt.

Es möge zutreffen, dass dazu möglicherweise nicht die Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers erforderlich wäre, doch enthalte das Rechtsmittel keine Argumentation dahin, dass ein anderer Kollisionskurator für diese Aufgabe geeigneter wäre. Einen Verwandten oder eine sonst nahestehende Person dafür heranzuziehen, scheine nicht angebracht, weil ein solches Naheverhältnis der objektiven Beurteilung unter Umständen entgegenstehen könnte. Die Bestellung eines Rechtsanwaltes wäre hingegen mit Kosten verbunden, deren Aufwand für die Prüfung der anstehenden Fragen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht angemessen wäre. Die Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers zum Kollisionskurator scheine daher durchaus sachgerecht, sodass mit Bestätigung vorzugehen gewesen sei.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Im drittinstanzlichen Verfahren ist nicht mehr strittig, dass ein Kollisionsfall im Sinne des § 271 ABGB vorliegt, der Jugendwohlfahrtsträger wendet sich aber dagegen, dass er ohne seine Zustimmung zum Kollisionskurator für die Minderjährige bestellt wurde.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass abgesehen von den spezifischen Sonderregeln des Jugendwohlfahrtsrechts für Minderjährige, die eine Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger vorsehen nur eine physische Person zum gesetzlichen Vertreter (Sachwalter oder Kurator) bestellt werden kann (10 Ob 520/94 = SZ 67/134; Schlemmer in Schwimann, ABGB2 § 280 Rz 1; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 §§ 280, 281 Rz 3). § 212 ABGB idF KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135 kennt nun eine Vertretung des Kindes durch den Jugendwohlfahrtsträger, und zwar für die in Abs 2 genannten bestimmten Angelegenheiten (Unterhalt, Vaterschaftsfeststellung) und gemäß Abs 3 für andere Angelegenheiten. Gegen ein Verständnis der Kollisionskuratel für einen Minderjährigen gemäß § 271 ABGB als "andere Angelegenheit" im Sinne des § 212 Abs 3 ABGB spricht zunächst, dass die Vertretung des Kindes nach dieser Gesetzesstelle kraft Gesetzes und ohne Gerichtsbeschluss erfolgt (vgl zur alten Rechtslage Schlemmer aaO § 212 Rz 3 mwN; Stabentheiner aaO § 212 Rz 5), während der Kollisionskurator vom Gericht bestellt wird. Abgesehen davon würde es im vorliegenden Fall schon an der in Abs 3 vorausgesetzten Bereitschaft des Jugendwohlfahrtsträgers zur Vertretung fehlen. Schließlich sind die Rechtsinstitute der Obsorge und der Kuratel seit dem KindRÄG 2001 klar abgegrenzt (vgl zur hiedurch herbeigeführten terminologischen Bereinigung Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485, 534 f; vgl auch Schwarzl, Obsorge, Kuratel und Sachwalterschaft nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform des Kindschaftsrechts 19, 26).

Die Pflegschaftssache war daher unter Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse an das Erstgericht zurückzuverweisen, welches einen anderen Kollisionskurator zu bestellen haben wird.