JudikaturJustiz53R440/96d

53R440/96d – LG Salzburg Entscheidung

Entscheidung
09. Januar 1997

Kopf

Das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht hat durch den Richter Dr. Thor als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Bourcard-Treder und den Richter Dr. Havas in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Martin P***** vertreten durch Dr. Rupert Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Josef W***** vertreten durch Dr. Christoph Aigner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert S 4,500.000,--) und Feststellung (Streitwert S 300.000,--) infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg vom 3.12.1996, 2 C 1520/96-11, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird n i c h t Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes des Rekursgerichtes übersteigt S 50.000,--.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt vom Beklagten den Abschluß eines im Urteilsantrag zitierten, notariell errichteten Tauschvertrages sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle zukünftig daraus resultierenden Schäden, daß der Beklagte die schriftliche Vertragsurkunde nicht unterzeichnet habe. Die Zuständigkeit des Erstgerichtes stützt der Kläger auf eine in der notariellen Tauschvertragsurkunde enthaltene Gerichtsstandsklausel.

Bereits vor Beginn der mündlichen Streitverhandlung wendete der Beklagte mit Schriftsatz die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes unter Hinweis darauf ein, daß er die schriftliche Vertragsurkunde nicht unterzeichnet und ihr auch nicht mündlich zugestimmt habe.

In der ersten mündlichen Streitverhandlung vom 6.11.1996 schränkte das Erstgericht die Verhandlung auf die Zuständigkeitsfrage ein. Die Parteien erstatteten dazu Vorbringen und Beweisanbote, das Erstgericht nahm vom Kläger vorgelegte Urkunden zum Akt. Schließlich "teilte der Erstrichter mit, daß er beabsichtige, die Verhandlung zu schließen und über die Frage der Zuständigkeit zu entscheiden". Der Klagevertreter rügte die unterlassene Einvernahme der Parteien sowie eines von ihm beauftragten Zeugen. Das Erstgericht "verwies den Klagevertreter mit seiner Rüge auf ein allfälliges Rechtsmittel". Die Parteienvertreter legten Kostennoten. Schließlich sprach das Erstgericht mit mündlich verkündetem Beschluß seine sachliche Unzuständigkeit aus, wies die Klage zurück und verpflichtete den Kläger zum Kostenersatz an den Beklagten.

Die vom Klagevertreter beantragte Beschlußausfertigung (ON 9) wurde ihm am 18.11.1996 zugestellt.

Der Kläger ließ diesen Beschluß unbekämpft, sodaß er mittlerweile in Rechtskraft erwachsen ist, beantragte jedoch mit am 2.12.1996 zur Post gegebenen Schriftsatz die Überweisung der Rechtssache an das "offenbar nicht unzuständige" Landesgericht Salzburg, da anläßlich der Verhandlung vom 6.11.1996 die Einschränkung des Verfahrens auf die Frage der Zuständigkeit ohne Hinweis des Gerichtes auf die Möglichkeit des Überweisungsantrages erfolgt und er der Überzeugung gewesen sei, daß die beantragten Beweismittel vor Entscheidung aufzunehmen seien.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht diesen Überweisungsantrag zurück. Es führte dazu aus, daß nach § 261 Abs 6 ZPO ein Überweisungsantrag spätestens vor Schluß der mündlichen Verhandlung vom 6.11.1996 gestellt hätte werden müssen. Die Unzuständigkeitsentscheidung sei für den Kläger nicht überraschend gekommen, weil der Beklagte die Unzuständigkeit des Erstgerichtes eingewendet habe, die Verhandlung auf die Zuständigkeitsfrage eingeschränkt worden sei und der Richter nach Vorlage der Urkunden seine Absicht angekündigt habe, die Verhandlung zu schließen und über seine Zuständigkeit zu entscheiden. Der Kläger habe daher ausreichend Zeit gehabt, einen Überweisungsantrag zu stellen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Klägers mit dem Abänderungsantrag auf Stattgebung des Überweisungsantrages. Der Kläger habe die Auffassung vertreten, daß eine Gerichtsstandvereinbarung nicht schriftlich erfolgen müsse und daß deshalb das Erstgericht die von ihm beantragten Personenbeweise auch aufnehmen werde. Er sei daher von der Einschränkung des Verfahrens auf die Zuständigkeitsfrage ebenso überrascht worden wie von der Abweisung seiner Beweisanträge. Nach der Entscheidung in der mündlichen Streitverhandlung vom 6.11.1996 habe er die Judikatur ausführlich studiert und teile nunmehr die Rechtsansicht des Erstgerichtes, weshalb er am 2.12.1996 die Überweisung an das Landesgericht Salzburg beantragt habe. Das Erstgericht habe seine Anleitungspflicht nach § 182 Abs 2 ZPO verletzt, weil es keine Gelegenheit zu einem Überweisungsantrag an das zuständige Gericht gegeben habe.

Der Rekurs ist zwar zulässig, weil die Rechtsmittelausschlüsse des § 230a Satz 2 ZPO und § 261 Abs 6 Satz 5 ZPO nur Beschlüsse betrifft, mit denen Überweisungsanträgen stattgegeben wird; er ist jedoch n i c h t berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auf Antrag des Klägers wird gemäß § 261 Abs 6 ZPO die Sache vom unzuständigen Gericht an das vom Kläger zu nennende, nicht offenbar unzuständige Gericht überwiesen, wenn der Beklagte die Einrede der Unzuständigkeit erhoben hat oder das Gericht seine Zuständigkeit von Amts wegen prüft, sich für unzuständig erachtet und der Kläger den Überweisungsantrag bereits vor der Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede in der 1. Tagsatzung oder, falls keine solche stattfindet, in der ersten mündlichen Streitverhandlung gestellt hat. Über diesen Antrag ist zugleich mit der Unzuständigkeitseinrede zu entscheiden.

Durch die Zivilverfahrensnovelle wurde in § 230a ZPO die Möglichkeit des nachträglichen Überweisungsantrages binnen 14 Tagen nach Zustellung des Klagszurückweisungsbeschlusses in den Fällen eröffnet, in denen der Kläger vorher keine Gelegenheit hatte, einen Überweisungsantrag gemäß § 261 Abs 6 ZPO zu stellen. Dieser Rechtsbehelf führt zur Aufhebung der zurückweisenden Entscheidung und zur Überweisung an das nicht offenbar unzuständige Gericht.

Mit Schaffung der Bestimmung des § 230a ZPO bezweckte der Gesetzgeber vor allem, dem Kläger im Falle einer a limine Klagszurückweisung Gelegenheit zur Überweisung und damit zur Abwendung eines allfälligen Verjährungsrisikos zu geben. Dies ist nicht nur den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, sondern auch der Plazierung der genannten Bestimmung im Anschluß an § 230 ZPO, der das Vorprüfungsverfahren nach Einlangen einer Klage behandelt. Keinesfalls aber sollte mit dieser Bestimmung die Möglichkeit geboten werden, auch noch nach Zurückweisung einer Klage nach mündlicher Verhandlung die Überweisung der Rechtssache an ein anderes Gericht zu beantragen (7 Ob 615/84; 8 Ob 542/86 = RZ 1986/61; 2 Ob 583/92; 7 Ob 583/94; 4 Ob 1639/95), mag dies auch aus dem reinen Wortlaut des § 230a ZPO (arg "Gelegenheit") abgeleitet werden können (vgl Rechberger, Rz 1 zu § 230a ZPO mwN; Fasching, ZPR 2. Auflage, Rz 218). Der Oberste Gerichtshof hat jedoch lediglich in einem einzigen speziell gelagerten Fall (7 Ob 652/92 = EvBl 1993/100) ausgesprochen, daß der Auffassung der (zitierten) Lehre jedenfalls für den Fall zu folgen ist, daß der Richter nach rechtzeitiger Erhebung der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit auf diese Frage überhaupt nicht eingegangen ist und die Verhandlung zur Fassung eines Beweisbeschlusses erstreckt hat, dann jedoch - überraschend für die Parteien - die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ausspricht. Jener Entscheidung lag also ein anderer Sachverhalt als der hier zur Beurteilung heranstehende zugrunde. Gegenstand der Entscheidung 9 Ob 506/95 (= SZ 68/37) war zwar ein ähnlich gelagerter Sachverhalt, jedoch ein anderes Rechtsproblem, zumal dort die Frage des Rechtsmittelausschlusses der §§ 230a, 261 Abs 6 ZPO zu beurteilen war und ausgesprochen wurde, daß die Beachtung eines schriftlichen Überweisungsantrages, der nicht mehr Gegenstand der auf die Zuständigkeitsfrage eingeschränkten und geschlossenen Verhandlung war, den Bestimmungen des § 261 Abs 6 ZPO unter Berücksichtigung der dem Kläger nach § 230a ZPO eröffneten Möglichkeit, einen Überweisungsantrag auch außerhalb der mündlichen Verhandlung zu stellen - nicht derart widerspreche, daß der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht mehr erfüllt werde; demgemäß wurde der Rekurs gegen den die Überweisung aussprechenden Beschluß für unzulässig erklärt.

Insgesamt schließt sich das Rekursgericht daher der überwiegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes an, wonach ein Überweisungsantrag nach Schluß der mündlichen Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede nicht mehr gestellt werden kann. Das Erstgericht hat daher zu Recht den Überweisungsantrag des Klägers als unzulässig zurückgewiesen, weshalb dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers ein Erfolg zu versagen war.

Was die vom Kläger behauptete Verletzung der Vorschrift des § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO durch das Erstgericht anlangt, so handelt es sich dabei um einen Verfahrensmangel, der im Rekurs gegen den die Klage zurückweisenden Beschluß vom 6.11.1996 geltend zu machen gewesen wäre, was im vorliegenden Fall jedoch auch nicht zu dem vom Kläger gewünschten Erfolg geführt hätte:

Gemäß § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO hat das Gericht bei Bedenken gegen seine Zuständigkeit den Parteien vor einer Entscheidung hierüber die Gelegenheit zu einer Heilung der Unzuständigkeit (§ 104 Abs 3 JN) bzw. zu einem Antrag auf Überweisung der Rechtssache an das zuständige Gericht (§ 261 Abs 6 ZPO) zu geben. Damit soll ausgeschlossen werden, daß der Richter die Parteien im Zuge des Verfahrens mit einer amtswegigen Unzuständigkeitserklärung überrascht (Fasching, aaO, Rz 226). Abweichend vom Gesetzeswortlaut interpretieren jedoch Fasching (aaO) und ihm folgend der OGH in RZ 1986/61 und EvBl 1993/100 diese Bestimmung dahin, das Gericht müsse - über die bloße Einräumung der Gelegenheit zur Stellung eines Überweisungsantrages hinaus - die Parteien, und zwar auch rechtskundig vertretene Parteien auf die Heilungsmöglichkeit oder den Überweisungsantrag hinweisen (ebenso 7 Ob 583/94 und SZ 68/37). In seiner Entscheidung 1 Ob 617/94 hat sich der OGH ausdrücklich mit der Frage, ob rechtskundig vertretene Parteien auf die Möglichkeit eines Überweisungsantrages hingewiesen werden müssen, befaßt und die in RZ 1986/61 und EvBl 1993/100 vertretene Ansicht mit im wesentlichen der Überlegung abgelehnt, daß die Möglichkeit zur Stellung eines Überweisungsantrages gemäß § 261 Abs 6 ZPO ein grundlegendes Instrumentarium der österreichischen Zivilprozeßordnung darstellt und daher unterstellt werden muß, daß dermaßen grundlegende Normen jedem Rechtsanwalt bekannt sind. Diese Kenntnis muß ihn in die Lage versetzen, entsprechend zu handeln, nämlich im Fall der Erhebung der Einwendung der Unzuständigkeit einen entsprechenden Überweisungsantrag zu stellen. Es käme einer Bevormundung der zweifelsohne als rechtskundig zu bezeichnenden Rechtsanwaltschaft gleich, würde man für derartig grundlegende zivilprozessuale Vorgangsweisen eine Anleitungspflicht fordern, ja es würde einer Parteilichkeit nahekommen, vom Gericht zu verlangen, einen Rechtsanwalt gleichsam aufzufordern, einen - von ihm in vielen Fällen allenfalls gar nicht gewünschten - Überweisungsantrag gemäß § 261 Abs 6 ZPO zu stellen. Es mag eine Anleitungspflicht zum Tragen kommen, wenn über die Unzuständigkeitseinrede nicht verhandelt wird, der Klagevertreter eine diesbezügliche Einwendung also allenfalls übersieht. In Fällen aber, in denen ausdrücklich auf die Frage der Zuständigkeit eingeschränkt wird und daraufhin lediglich über die Zuständigkeitsfrage verhandelt wird, ist das Gericht nicht verpflichtet, den anwaltlich vertretenen Kläger zur Stellung eines Überweisungsantrages gemäß § 261 Abs 6 ZPO anzuleiten.

Das Rekursgericht schließt sich für einen Sachverhalt wie den vorliegenden der in 1 Ob 617/94 zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht des OGH an. Der Kläger ist rechtsanwaltlich vertreten. Vor Beginn der mündlichen Streitverhandlung wurde in einem Schriftsatz der Gegenseite die Unzuständigkeitseinrede erhoben. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung wurde diese auf die Zuständigkeitsfrage eingeschränkt, sodann darüber verhandelt und Beweise aufgenommen. Schließlich setzte der Richter die Parteien von seiner Absicht in Kenntnis, die Verhandlung zu schließen und die Zuständigkeitsfrage zu entscheiden. Damit hat das Erstgericht aber dem Klagevertreter hinreichend Gelegenheit zur Stellung eines Überweisungsantrages im Sinne der ihm durch § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO auferlegten Verpflichtung gegeben und den Klagevertreter in keiner Weise mit seiner Unzuständigkeitserklärung überrascht. Das Erstgericht war daher nicht verpflichtet, den Klagevertreter auch noch ausdrücklich zu fragen, ob er nicht doch einen Überweisungsantrag stellen wolle.

Aus diesen Überlegungen ist das erstinstanzliche Verfahren auch nicht von dem behaupteten Mangel - der im übrigen wie bereits aufgezeigt mit Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß geltend zu machen gewesen wäre - behaftet.

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil Rekurskosten nicht verzeichnet wurden.

Der Bewertungsausspruch orientiert sich an der vom Kläger vorgenommenen Interessensbewertung (§ 59 JN).

§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO schließt für diesen Fall einen weiteren Rechtszug an den OGH jedenfalls aus.