JudikaturJustiz4Ob97/08f

4Ob97/08f – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christof Pöchhacker, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** Vertriebs GmbH, *****, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 6.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das über das Unterlassungsbegehren erlassene Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2008, GZ 4 R 211/07i-31, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Am Flüssiggasmarkt in Österreich besteht ein Handelsbrauch, die Vermietung ortsfester Flüssiggastanks mit einer mehrjährigen Verpflichtung des Mieters zu verknüpfen, Flüssiggas in bestimmten Mengen ausschließlich vom Tankvermieter zu beziehen (16 Ok 12/96 = SZ 69/275).

1.2. Der Senat sprach ferner bereits aus, dass das Gebot an einen Lieferanten von Flüssiggas, die Befüllung der Kunden von einem anderen Unternehmer vermieteten Flüssiggastanks ohne dessen Zustimmung zu unterlassen, mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 1 UWG idF vor der Novelle 2007 BGBl I 79 (Fallgruppe: Verleitung zum Vertragsbruch oder Ausnützen des Vertragsbruchs eines anderen unter besonderen, die Sittenwidrigkeit indizierenden Umständen) im Einklang steht (4 Ob 147/04b mwN).

2.1. Hier sollte es die Beklagte nach dem Urteilsbegehren unterlassen, „in Österreich im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs" ohne Zustimmung der Klägerin Flüssiggasbehälter zu befüllen, die in deren „Eigentum" stünden und die sie ihren Kunden mietweise zur Verfügung gestellt habe.

Das Berufungsgericht gebot der Beklagten dagegen, es zu unterlassen, in Österreich im geschäftlichen Verkehr von der Klägerin „stammende", ihren Kunden mietweise zur Verfügung gestellte Flüsiggasbehälter ohne Zustimmung der Klägerin zu befüllen.

2.2. Die angefochtene Entscheidung weicht im wesentlichen Kern von der unter 1.1. und 1.2. referierten Rechtsprechung nicht ab. Dass das untersagte Verhalten - im Fall einer Rechtsstellung der Klägerin (auch) als Vermieterin der Unterflurtanks - keine unlautere Geschäftspraktik iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG idgF wäre, wird im Rechtsmittel nicht behauptet; solches ist auch nicht zu erkennen.

2.3. Ob die von der Klägerin ihren Gaskunden mietweise zur Verfügung gestellten Flüssiggastanks im „Eigentum" der Klägerin stehen oder von ihr „stammen", macht nach dem sachlichen Inhalt des Klagebegehrens als Grenze für den Urteilsspruch (RIS-Justiz RS0041254) keinen Unterschied von Bedeutung, weil die Beklagte durch das beschriebene Verhalten nach beiden Varianten vertragliche Bindungen des Mieters missachtet. Darin liegt der Kern des geltend gemachten Lauterkeitsverstoßes. Auf die Eigentumsfrage wird tieferstehend zurückzukommen sein.

Dass dem angefochtenen Unterlassungsgebot die einschränkende Wortfolge „zu Zwecken des Wettbewerbs" fehlt, bewirkt im Anlassfall deshalb keine Überschreitung des Klagebegehrens, weil sich dieses Merkmal - auch ungeschrieben - zwingend aus der Eigenschaft der Beklagten als Kapitalgesellschaft ergibt; einer solchen Gesellschaft steht mit Rücksicht auf das dem Klagebegehren zugrunde liegende Verhalten kein Bereich für ein außerwettbewerbliches Handeln offen. Nicht zu folgen ist daher der Ansicht der Beklagten, das Berufungsgericht habe durch seine Fassung des Urteilsspruchs § 405 ZPO verletzt.

2.4. Der Beklagten ist zuzugestehen, dass auch die vom Berufungsgericht gewählte Fassung des Teilurteils an sich eine Lösung der aufgrund des von der Beklagten bereits in erster Instanz erstatteten Sachvorbringens aufgeworfenen Frage erfordert, ob die Gaskunden der Klägerin an Unterflurflüssiggastanks auf ihren Liegenschaften Eigentum nach sachenrechtlichen Kriterien gemäß §§ 414 ff ABGB erwerben, setzen doch Mietverträge über diese Tanks das von der Klägerin für sich in Anspruch genommene Eigentum daran voraus.

2.4.1. Die Beklagte begründete die auf vorgelegte Privatgutachten - darunter ein Rechtsgutachten - gestützte Ansicht, das Eigentum an Unterflurflüssiggastanks falle wegen deren Eigenschaft als unselbständige Bestandteile der Liegenschaften - ungeachtet insofern unwirksamer Vereinbarungen anderen Inhalts - deren Eigentümern zu, mit der allein am Wert eines gebrauchten Tanks gemessenen Unwirtschaftlichkeit einer Trennung von den Liegenschaften der Gaskunden wegen der damit „einhergehenden Kosten in Verbindung mit dem Wertverlust der Liegenschaft (Installation einer gleichwertigen Heizanlage durch Lieferung eines neuen Tanks)" (ON 20a, ON 23).

2.4.2. Diese Ansicht der Beklagten blendet bei der gebotenen wirtschaftlichen Abwägung indes wesentliche Gesichtspunkte aus. In der unter 1.1. zitierten Entscheidung wird erläutert, dass das dort erörterte Marktverhalten als Handelsbrauch sowohl den Bedürfnissen der Anbieter, die als Tankeigentümer über alle sicherheitstechnischen Erfordernisse ihrer Anlagen Bescheid wüssten, als auch jenen der Kunden, die ein komplettes Dienstleistungsangebot in Gestalt der Tankinstallation, der Lieferung von Flüssiggas und der regelmäßigen Wartung der Anlage anstrebten, entspreche. Das bilde die sachliche Rechtfertigung für eine vertragliche Verpflichtung der Tankmieter, das Flüssiggas - auch aufgrund einer mehrjährigen Ausschließlichkeitsbindung - nur vom jeweiligen Tankvermieter zu beziehen. Es dürfen daher Erwägungen zur Wirtschaftlichkeit einer Trennung vermieteter Flüssiggastanks von den Liegenschaften der Gaskunden zum einen die wirtschaftlichen Vorteile der Tankvermieter infolge der langjährigen Verpflichtung ihrer Kunden zur Abnahme von Flüssiggas - hier in der festgestellten Dauer von zehn Jahren - nicht ausklammern, zum anderen ist insofern aber auch der voranstehend erwähnte, in der Entscheidung 16 Ok 12/96 näher beschriebene Sicherheitsaspekt von Bedeutung. Es sprachen daher gute Gründe für die Bildung jenes Handelsbrauchs, der eine Sonderrechtsfähigkeit (auch) von Unterflurflüssiggastanks voraussetzt.

2.4.3. Dazu, weshalb sich an dieser Sachlage Wesentliches geändert haben und demnach der erörterte Handelsbrauch obsolet geworden sein soll, brachte die Beklagte schon im Verfahren erster Instanz nichts Konkretes vor. Auch im Rechtsmittel werden solche Gründe nicht ausgeführt. Der Senat sieht sich daher nach den Ergebnissen dieses Verfahrens nicht veranlasst, an der Sonderrechtsfähigkeit von Unterflurflüssiggastanks zu zweifeln. In diesem Kontext ist auch auf die Rechtsprechung, dass selbst unter der Erdoberfläche befindliche Bauwerke als Superädifikate sonderrechtsfähig sein können, zu verweisen (RIS-Justiz RS0009887).

Rechtssätze
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  • RS0009887OGH Rechtssatz

    23. Februar 2023·3 Entscheidungen

    a) Vom Grundsatz "superficies solo cedit" trifft das Gesetz gewichtige Ausnahmen, an die es entweder selbst davon abweichende Rechtsfolgen knüpft (zB § 418 dritter Satz ABGB) oder doch durch Parteienvereinbarung abweichende Rechtsfolgen knüpfen lässt (zB Keller oder Superädifikat). Ob eine solche Ausnahme vorliegt, hat jene Partei, die sich darauf beruft, zu behaupten und zu beweisen; verbleibende Unklarheiten gehen zu ihren Lasten. b) Eine während des Zweiten Weltkriegs geschaffene Luftschutzstollenanlage kann ihre Beschaffenheit nach ein sonderrechtsfähiges Rechtsobjekt sein. Errichtet jemand aufgrund eines auf eine Bauführung abzielenden Grundbenützungsrechts ein Bauwerk auf oder in dem Grundstück, so ist entweder an Kellereigentum oder an Superädifikate zu denken, die auch unterirdisch angelegt sein können. c) Nur wenn das Eigentum an dem Keller oder der diesen gleichzuhaltenden unterirdischen Anlage (in casu: Luftschutzstollen) durch Eröffnung einer besonderen Grundbuchseinlage verbüchert wird, wird die Kelleranlage zur unbeweglichen Sache. d) Erbaut jemand im Einvernehmen mit dem Grundeigentümer auf oder in einem Grundstück ein Bauwerk. ist es bei Mangel der Belassungsabsicht als Superädifikat zu beurteile (sofern nicht infolge Verbücherung Kellereigentum gegeben ist). Gleiches muss aber auch dann gelten, wenn das zeitlich begrenzte Benützungsrecht nicht auf privatrechtlichem Vertrag (zB Bestandvertrag) beruht, sondern aus einem hoheitlichen Eingriffsakt abgeleitet wird. e) Das Eigentum am Superädifikat bleibt von der Beendigung oder dem Wegfall des Grundbenützungsverhältnisses an sich unberührt: Das Bauwerk steht auch weiterhin im Eigentum seines bisherigen Eigentümers, der es allerdings auf Verlangen des Grundeigentümers beseitigen müsste, sofern er es nicht aufgrund einer besonderen Abrede auf den Grundeigentümer zu übertragen hat.