JudikaturJustiz4Ob89/51

4Ob89/51 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 1951

Kopf

SZ 24/279

Spruch

Wer auf Grund einer durch Gesetz oder Vertrag begrundeten Pflicht zur Erhaltung fremden Vermögens Rettungshandlungen vorgenommen hat, kann nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag angesehen werden und hat daher auch keinen Anspruch auf Bergelohn.

Entscheidung vom 18. Oktober 1951, 4 Ob 89/51.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger begehrte die Bezahlung eines Bergelohnes nach § 403 ABGB. für die Erhaltung der Fabrik, in der er angestellt war, in den Kampftagen des Jahres 1945.

Er stützte sein Begehren darauf, daß er, der von 1914 an als Arbeiter in der Fabrik H. beschäftigt war, anläßlich des Abzuges der deutschen Truppen und des Einmarsches der Roten Armee im April 1945 aus eigener Initiative einige Arbeiter zusammenrief, als er erfuhr, daß die abziehenden deutschen Truppen die Fabrik sprengen wollten zu einer Zeit, da bereits die maßgebenden Organe das Werk verlassen hatten und die Rote Armee zirka 200 Motoren und Maschinen zum Abtransport auf Streifwagen bereitgestellt hatte. Er habe beim russischen Kommandanten die Freigabe unter der Bedingung erwirkt, daß das Werk wieder anlaufe. Ebenso habe er das Lager vor Plunderungen geschützt, wobei er viele Schwierigkeiten zu überwinden hatte. Der damalige Generaldirektor habe ihm den Dank für seine geleisteten Dienste ausgesprochen und ihm eine Remuneration von 1500 RM überwiesen. Von der Besatzungsmacht sei er zum Direktor des Werkes bestellt worden und habe diese Funktion auch längere Zeit ausgeübt. Im März 1947 habe der Generaldirektor ihm eröffnet, es müsse nun ein Maschineningenieur zum Leiter der Fabrik bestellt werden und habe ihm den Vorschlag gemacht, sich als Direktor pensionieren zu lassen mit der Erklärung, er wolle den Kläger weder seelisch noch finanziell schädigen. Der Kläger habe dann die Werkleitung dem neuen Leiter übergeben und sei als Bauleiter und Gebäudeverwalter eingesetzt worden.

Die beklagte Partei hat eingewendet, dem Kläger gebühre kein Bergelohn. Vor Verlassen des Werkes habe der damalige Fabriksdirektor dem Elektromechaniker M. aufgetragen, alles Notwendige zum Schutz des Werkes vorzukehren, der diesem Auftrag gemeinsam mit einigen Arbeitern in der ersten Aprilwoche 1945 ausführte. Kläger sei erst gegen Ende der Woche zu den Schützern hinzugekommen. Das Hauptverdienst an der Erhaltung des Werkes liege bei der Besatzungsmacht. Die Verdienste des Klägers seien bereits durch eine hohe Remuneration, die außer ihm niemand erhielt, und durch seine Bestellung zum Bauleiter und Gebäudeverwalter mit außergewöhnlich hohen Bezügen belohnt worden. Außerdem habe ihm seine Stellung als Direktor weitere Vorteile, nämlich eine Dienstwohnung und weitere von ihm selbst - abgesehen von den Naturalien - mit 3500 S monatlich bezifferte Vorteile eingetragen.

Das Erstgericht erkannte das Begehren nach einem Bergelohn als nicht begrundet, weil der Beklagten darin Recht zu geben sei, daß die Obsorge um die Erhaltung der Sachwerte des Werkes zu den Pflichten eines Betriebsleiters gehöre und auch andere Dienstnehmer sich in den Kampftagen 1945 um die Fabrik verdient gemacht hätten. Kläger habe sich allerdings durch Leistungen, die weit über das hinausgehen, was sonst von einem Arbeitnehmer verlangt werden kann, wie Leitung eines Betriebes von 700 Dienstnehmern, organisatorisches und diplomatisches Geschick, Unerschrockenheit, Anständigkeit, Werktreue, Pflichtgefühl u. dgl., besonders verdient gemacht, u. zw. unter außergewöhnlich schwierigen Verhältnissen. Ihm gebühre daher eine Entschädigung nach § 403 ABGB. Die Beklagte habe aber in Anerkennung dieser Verdienste dem Kläger eine Gratifikation von 1500 RM und ihm in Anerkennung seiner Verdienste auch eine Ergänzungszulage von 445 S zu seinem Angestelltengehalt ab 1. März 1947 gewährt. Diese Zulagen machen aber bis zum Ende der Kündigungsfrist 19.800 S aus, abgesehen von der erhöhten Pension. Kläger habe daher unter diesem Titel schon mehr erhalten, als er selbst als Entschädigungsbetrag nach § 403 ABGB. fordere, so daß ihm ein weiterer Anspruch nicht zukomme.

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers nicht Folge gegeben.

Desgleichen hat der Oberste Gerichtshof der Revision des Klägers nicht stattgegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit die Revision mit der Rechtsrüge die Abweisung des Anspruches auf Bergelohn bekämpft, ist sie ohne Grundlage. Wenn die Revisionsbeantwortung die Verdienste des Klägers um die Erhaltung von Maschinen, Vorräten und Gerätschaften der Fabrik anzweifelt und sie zumindest als überwertet ansieht, muß ihr allerdings entgegnet werden, daß die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes ihm jedenfalls unangefochten unerschrockenes Eintreten für das Werk und die Belegschaft, organisatorisches und diplomatisches Geschick, grundanständige Gesinnung, Pflichtgefühl und Verantwortungsbewußtsein, aber auch Umsicht zubilligen und feststellen, daß er nach seiner Bestellung zum Direktor durch die Besatzungsmacht den Abtransport der schon von den abziehenden deutschen Truppen aus der Fabrik entfernten und zur Abbeförderung bereitgestellten Maschinen und Motoren durch Rücksprache bei der russischen Kommandantur ebenso verhinderte wie später den Abtransport von Möbeln aus dem Ledigenheim, die schon am Güterbahnhof bereitgestellt worden waren, und daß er sich auch sonst in der Zeit seiner Direktionsführung, obwohl ihm die notwendigen Fachkenntnisse und Erfahrungen für das Amt eines leitenden Direktors fehlten, Verdienste um die Arbeiterschaft erworben hat. Mit Recht verweist aber das Berufungsgericht darauf, daß er als leitender Funktionär des Betriebes im Rahmen seiner Dienstpflicht verbunden war, alles zu tun, um die Aufrechterhaltung des Betriebes und sein Funktionieren, sei es auch nur in dem sehr beschränkten Umfang, wie dies von der Befreiung bis März 1947 der Fall war, zu sichern. Wer unter einer durch Gesetz oder Vertrag begrundeten Pflicht zur Erhaltung von fremdem Vermögen Rettungshandlungen vorgenommen hat, kann nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag angesehen werden und hat darum auch nicht Anspruch auf den einen Spezialfall der Geschäftsführung darstellenden Bergelohn nach § 403 ABGB. (vgl. Zitat des § 403 ABGB. in § 1036). Dazu kommt, daß Kläger ja keineswegs der einzige war, der sich in den Kampftagen um die Rettung und Erhaltung der Fabrik, die im übrigen im wohlverstandenen Interesse der Besatzungsmacht lag, verdient gemacht hat. Das Berufungsgericht ist im Recht, wenn es eine etwaige Mehrleistung des Klägers gegenüber anderen pflichttreuen Arbeitnehmern mit seiner besonders verantwortungsvollen Stellung als bestellter Fabrikleiter in Zusammenhang bringt.

Der Oberste Gerichtshof hält aber mit dem Erstgericht auch die Auffassung für zutreffend, daß dem Kläger seine Verdienste während der Kampftage und in der Folge bis zur Beendigung seiner Tätigkeit als Direktor im beiderseitigen Einvernehmen durch den Anstellungsvertrag abgegolten wurden. Das entspricht auch dem Standpunkt der Beklagten, daß Kläger nicht nur eine für damaligen Begriffe hohe und keinem anderen Werkangestellten bewilligte Remuneration von 1500 RM zuerkannt wurde, sondern daß ihm, nachdem seine Abberufung als Direktor unvermeidlich geworden war, überhaupt die immerhin gehobene Stellung eines Bauleiters und Gebäudeverwalters gegeben wurde, obwohl er die für eine solche Position nötige Vorbildung und Fachkenntnisse nicht besaß, und der damit notwendig verbundene Gehaltsverlust überdies noch durch eine Ergänzungszulage in der Höhe der Differenz von seinem bisherigen Grundgehalt zum neuen Gehalt per 445 S und einen Härteausgleich monatlicher 70 S "in Anerkennung seiner Verdienste um die Erhaltung der Fabrik in den Kampftagen des Jahres 1945" ausgeglichen wurde. Dadurch, daß Kläger sich vorbehaltslos mit diesen Vorschlägen einverstanden erklärte, hat er, gleichviel wie hoch die ihm ziffernmäßig dadurch erwachsenden geldlichen Vorteile waren, und ohne Berücksichtigung des Umstandes, daß ihm die Direktorwohnung zugewiesen wurde, jedenfalls auf einen speziellen Bergelohn nach § 403 ABGB. verzichtet, so daß auch aus diesem Gründe jeder weitere Anspruch ihm mit Recht aberkannt worden ist.