JudikaturJustiz4Ob596/95

4Ob596/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Dezember 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erwin L*****, vertreten durch Dr.Albert Ritzberger, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei S***** GmbH, ***** Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Herbert Felsberger, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 160.000 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 12.September 1995, GZ 5 R 134/95-22, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27. April 1995, GZ 21 Cg 69/94w-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

8.370 bestimmten Kosten des Revisionrekursverfahrens (darin S 1.395 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend verweist der Kläger darauf, daß entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§§ 78, 402 Abs 4 EO; § 526 Abs 2 letzter Satz ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichtes die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses (§ 528 Abs 1 ZPO) fehlen:

Die angefochtene Entscheidung steht in allen Punkten im Einklang mit der einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes; sie ergibt sich auch eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes:

Nach § 99 Abs 1 JN kann gegen Personen, die - wie die Beklagte - im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben, wegen vermögensrechtlicher Ansprüche bei jedem Gericht eine Klage angebracht werden, in dessen Sprengel sich Vermögen dieser Personen befindet. Forderungen des Beklagten zählen selbstverständlich zu dessen Vermögen, sind doch darunter alle Güter zu verstehen, die dem Beklagten eine Verfügungsmacht gewähren, somit alle wirtschaftlich verwertbaren Güter und Rechte (SZ 51/155; RdW 1993, 111; Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 5 zu § 99 JN; Fasching, LB2 Rz 311). Daß § 99 JN auch Forderungen des Beklagten zu dessen Vermögen zählt, ergibt sich überdies völlig eindeutig aus § 99 Abs 2 JN, wonach bei Forderungen der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt des Drittschuldners als der Ort gilt, an welchem sich das Vermögen befindet.

Mangels Unterscheidung kann auch eine gegen den Kläger bestehende Forderung des Beklagten den Vermögensgerichtsstand begründen (SZ 3/22; EvBl 1965/452; EvBl 1967/242; 2 Ob 512/79; 6 Ob 771/79; 1 Ob 579/95).

Da es Pflicht des Klägers ist, die zur Begründung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes notwendigen Behauptungen aufzustellen, kann er sich dann nicht mit Erfolg auf den Vermögensgerichtsstand berufen, wenn er selbst behauptet, daß die als Vermögen des Beklagten angeführte Forderung gegen den Kläger nicht zu Recht bestehe (EvBl 1962/422; 1 Ob 579/95). Das gilt insbesondere auch dann, wenn die Forderung des Beklagten nach den Klagebehauptungen bereits durch Aufrechnung erloschen wäre (SZ 3/22; EvBl 1965/452; EvBl 1967/242; 1 Ob 579/95; Mayr aaO Rz 6) oder, wenn der Kläger das Erlöschen der Gegenforderung durch Aufrechnung zwar nicht ausdrücklich behauptet hätte, sich derartiges aber schlüssig daraus ergäbe, daß er einen der Höhe der Gegenforderung entsprechenden Betrag vom Klageanspruch abgezogen hat (2 Ob 512/79; 1 Ob 579/95). Besteht aber bloß eine Aufrechnungslage, dann bildet die Forderung des Beklagten ein den Gerichtsstand begründendes Vermögen im Sinn des § 99 JN (6 Ob 771/79).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger ausdrücklich vorgebracht, daß er die von der Beklagten beim Bezirksgericht V***** klageweise geltend gemachte Forderung von S 61.813,12 nicht bestreite. Tatsächlich erhob der Kläger als Beklagter im Verfahren vor dem Bezirksgericht V***** in seinem Einspruch gegen den Zahlungsbefehl die "Prozeßeinrede der Aufrechnung mit Gegenforderung". Damit machte er die Aufrechnungseinwendung geltend, stellte also den Antrag auf Aufrechnung der Klageforderung mit einer ihm gegen die Beklagte als Klägerin zustehenden Gegenforderung im Urteil (Rechberger aaO Rz 10 zu §§ 391, 392). Diese Einwendung unterscheidet sich von dem Schuldtilgungseinwand, der sich auf eine bereits erfolgte Aufrechnung stützt (JBl 1957, 564; EvBl 1972/187 uva). Das bloße Zusammentreffen aufrechenbarer Forderungen führt noch nicht zur Aufrechnung, sondern gibt nur das Recht, auf Aufrechnung zu dringen. Lehnt der Kläger eine außergerichtliche Aufrechnung ab, dann muß die Aufrechnung im Prozeß durchgeführt werden (Gschnitzer in Klang2 VI 494 f; EvBl 1965/452). In dem - gemäß § 29 JN maßgeblichen - Zeitpunkt der Anhängigmachung der Klage war nach den unwiderlegt gebliebenen Klagebehauptungen die Forderung der Beklagten noch nicht durch Aufrechnung erloschen; sie bildet daher nach wie vor Vermögen im Sinn des § 99 JN.

Die Entscheidung RdW 1993, 335 - wonach der Gerichtsstand des Vermögens ein vom Klageanspruch verschiedenes und von der Entscheidung über die Rechtsbeständigkeit des Klageanspruches selbst unabhängiges Vermögen voraussetzt, so daß ein erst auf Grund des Ausganges des abzuführenden Prozesses allfällig sich ergebender vermögensrechtlicher Anspruch zu seiner Begründung nicht dienen kann - steht nicht im Widerspruch zur angefochtenen Entscheidung. Die vom Kläger behauptete Forderung der Beklagten hat mit dem Klageanspruch und dessen Rechtsbeständigkeit nichts zu tun.

Die Forderung der Beklagten ist auch nicht unverhältnismäßig geringer als die mit Klage geltend gemachte Forderung (§ 99 Abs 1 letzter Satz JN), beträgt sie doch mehr als ein Drittel der Klageforderung (EvBl 1984/133; EvBl 1991/182).

Wenn auch der Oberste Gerichtshof seine frühere Auffassung, daß der Gerichtsstand des Vermögens gemäß § 99 Abs 1 JN als hinlänglicher österreichischer Anknüpfungspunkt anzusehen sei (SZ 60/164; JBl 1988, 386 [Böhm]) in der Folge nicht mehr uneingeschränkt aufrecht erhalten hat, zumal ja der Gerichtsstand selbst als "exorbitant" und international unerwünscht angesehen wird (RdW 1993, 111 mwN; SZ 65/141 = EvBl 1993/93 = JBl 1993, 666 [mit Anm von Pfersmann] = ZfRV 1993/43; 4 Ob 50/95; Mayr aaO Rz 10), hat hier doch das Rekursgericht die inländische Gerichtsbarkeit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bejaht. Eine zusätzliche Nahebeziehung zum Inland wird nämlich durch die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz des Klägers geschaffen (Fasching aaO Rz 310; RdW 1993, 111; 4 Ob 50/95). Da der Kläger in Österreich wohnt und überdies für die Beklagte als Handelsvertreter in Österreich tätig war, ist die Nahebeziehung zu Österreich so stark, daß die inländische Gerichtsbarkeit keinem Zweifel unterliegen kann.

Da die Entscheidung somit nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO abhängt, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat, diente ihre Rechtsmittelbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Rechtssätze
6