JudikaturJustiz4Ob58/01k

4Ob58/01k – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. März 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, ***** vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner Partner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1. T***** E***** Gesellschaft mbH Co KG, 2. T***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller und Dr. Markus Orgler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 300.000 S), infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 5. Jänner 2001, GZ 3 R 124/00b-12, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 25. Mai 2000, GZ 39 Cg 22/00d-8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin und die Erstbeklagte erzeugen und vertreiben Haustüren; die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

Für die Klägerin sind beim Österreichischen Patentamt unter Nr 24014 mit Schutzbeginn 20. 2. 1997 ein Türblatt und unter Nr 27414 mit Schutzbeginn 20. 10. 1997 ein Türgriff als Muster registriert:

In Prospekten der Erstbeklagten sind (ua) ein Türblatt mit der Bezeichnung GE-15 und ein Türgriff mit der Bezeichnung STO1 abgebildet:

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

a) Türen, welche mit dem Muster der Klägerin Nr 27414 laut Musterzertifikat vom 20. 10. 1997 des Musterregisters beim Österreichischen Patentamt übereinstimmen oder diesem verwechselbar ähnlich sind und (ergänze: bei denen) es im Hinblick auf die im Warenverzeichnis enthaltenen Erzeugnisse naheliegt, das Muster auf sie zu übertragen, betriebsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen;

b) Türgriffe, welche mit dem Muster der Klägerin Nr 24014 laut Musterzertifikat vom 20. 2. 1997 des Musterregisters beim Österreichischen Patentamt übereinstimmen oder diesem verwechselbar ähnlich sind und (ergänze: bei denen) es im Hinblick auf die im Warenverzeichnis enthaltenen Erzeugnisse naheliegt, das Muster auf sie zu übertragen, betriebsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen. Eventualiter begehrt die Klägerin, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ab sofort zu unterlassen, geistig eigentümliche Entwürfe von Türen und Türgriffen, welche denen der Klägerin verwechselbar ähnlich bzw nachgeahmt (nachgemacht) sind, insbesondere die Modelle, welche sich wie folgt darstellen:

oder ähnlich, zu verwenden und/oder darzubieten und/oder herzustellen und/oder feilzuhalten und/oder zu vertreiben und/oder sonst wie in den Verkehr zu bringen. Die von den Beklagten unter der Bezeichnung GE-15 angebotene Türe und der Türgriff STO1 seien den musterrechtlich geschützten Modellen der Klägerin verwechselbar ähnlich; sie unterschieden sich nur in untergeordneten Ausführungsdetails. Die Beklagten verletzten damit das Musterrecht der Klägerin; sie handelten auch sittenwidrig, weil sie die Produkte der Klägerin sklavisch nachahmten. Türe und Türgriff seien von Reinhold A*****, einem Mitarbeiter der Klägerin, entworfen worden. Es handle sich dabei um Werke im Sinn des Urheberrechtsgesetzes; die Verwertungs- und Werknutzungsrechte stünden der Klägerin zu.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Erstbeklagte habe die streitgegenständliche Haustüre erstmals Ende 1996 hergestellt und verkauft. Sie habe die Türe auf der Frühjahrsmesse 1997 in Innsbruck öffentlich ausgestellt. Auch zahlreiche andere Hersteller setzten seit vielen Jahren Glassegmente in Türen ein; schon aus diesem Grund liege keine Urheberrechtsverletzung vor. Die Türen der Streitteilen unterschieden sich wesentlich voneinander, weil die Türe der Beklagten keine Kunststofftüre, sondern eine Vollholzmassivtüre ohne Quersegmentierung sei, deren Glaselemente in einem anderen Radius angeordnet seien. Dem geschützten Stoßgriff der Klägerin ähnliche Türgriffe seien schon vor der Registrierung des Musters im Fachhandel angeboten worden. Die Stoßgriffe der Streitteile seien verschieden; der Stoßgriff der Klägerin sei an vier sichtbaren Aufhängungen befestigt, der Stoßgriff der Beklagten nur an zwei, die nicht sichtbar seien. Beim Stoßgriff der Klägerin seien die Enden gerade abgeschnitten, beim Stoßgriff der Beklagten schräg. Der Stoßgriff der Beklagten sei beim Übergang von der Geraden in den Bogen kantig, jener der Klägerin hingegen geschwungen. Der Stoßgriff der Beklagten sei auch bedeutend kürzer, die Rundung weise einen anderen Radius auf und sei auf das Modell der Beklagten zugeschnitten. Die Beklagten verwendeten diesen Stoßgriff seit 1996; er werde eigens für ihre Türe hergestellt.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung im Sinne des Hauptantrags. Es nahm nicht als bescheinigt an, dass die Erstbeklagte bereits 1996 den geschützten Modellen gleiche Türen und Türgriffe vertrieben habe. Ing. Reinhold A***** habe die Türe und den Türgriff für die Klägerin gestaltet. Er habe sich dabei nicht an Modellen anderer Hersteller orientiert. Gegenstand des Musterschutzes sei das Aussehen des Gesamterzeugnisses; eine zergliedernde Betrachtung sei unzulässig. Die Türen und Türgriffe der Streitteile unterschieden sich nur in untergeordneten Ausführungsdetails; nach ihrem Gesamteindruck seien sei einander verwechselbar ähnlich. Die Beklagten hätten das Muster vor dessen Registrierung nicht verwendet. Sie könnten sich nicht darauf berufen, dass andere Hersteller ähnliche Türen und Türgriffe erzeugten, weil sich daran an der Unzulässigkeit ihres Handelns nichts ändere.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Türen würden stets nur mit Türgriffen angeboten; die Klägerin habe jedoch die schematische Darstellung eines Türblatts ohne Türgriff als Muster schützen lassen. Der Offenbarung des Musters sei die nähere Ausgestaltung nicht zu entnehmen. Der dadurch gegebene weite Gestaltungsspielraum lasse Ausführungsvarianten möglich werden, bei denen keine Verwechslungsgefahr bestehe. Es sei auch problematisch, die Verwechslungsgefahr durch den Vergleich einer schematischen Darstellung mit einem konkreten Produkt zu beurteilen. Zwar stimmten Muster und Türe der Beklagten in der Form und Art der Anbringung des Kreissegments sowie der Unterbrechung durch drei Streben und der charakteristischen Ausbuchtung im Bereich des Türschlosses überein, sie unterschieden sich jedoch darin, dass bei der Türe der Klägerin zwischen Türschloss und Kreissegment ein markanter senkrechter Streifen durch Querstreifen betont werde, die bei der Abbildung der Beklagten völlig fehlten. Statt dessen weise die Türe der Beklagten parallel verlaufende Streifen sowie einen Mittelstrich in Höhe des Türschlosses auf. Es liege daher keine Verwechslungsgefahr vor; wer ein flüchtiges Erinnerungsbild der schematischen Darstellung der Türe der Klägerin in der Musteranmeldung habe, werde nicht annehmen, dass es sich bei der Türe der Beklagten um ein Produkt der Klägerin handle. Auch die Stoßgriffe seien einander nicht verwechselbar ähnlich. Die Idee, eine gerade Stoßstange im Bereich des Türschlosses bogenförmig auszubilden, sei nicht schutzfähig; das - im vorliegenden Fall verschiedene - Design sei daher von besonderer Bedeutung. Es liege daher kein Eingriff in Musterrechte der Klägerin vor. Tür- und Türgriffmodell der Klägerin seien nicht durch die persönliche Eigenart ihres Schöpfers geprägt; sie seien keine Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Ausstattungsschutz nach § 9 UWG könne die Klägerin nicht für sich in Anspruch nehmen, weil das Design keine Ausstattung sei, sondern das Wesen der Ware ausmache. Aufgrund der zahlreichen Abweichungen der Türe und des Türgriffs der Beklagten von denen der Klägerin bestehe keine Gefahr, dass der Verkehr über die Herkunft der Produkte irregeführt werde. Das schließe einen Verstoß gegen § 1 UWG aus, auch wenn davon auszugehen sei, dass die Erstbeklagte ein Produkt der Klägerin nachgeahmt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete ordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Die Klägerin stützt ihren Anspruch in erster Linie auf die zu ihren

Gunsten registrierten Muster. Der Musterschutz berechtigt den

Musterinhaber, andere davon auszuschließen, Erzeugnisse betriebsmäßig

herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen,

wenn sie mit seinem Muster übereinstimmen oder diesem verwechselbar

ähnlich sind und es im Hinblick auf die im Warenverzeichnis

enthaltenen Erzeugnisse naheliegt, das Muster auf sie zu übertragen

(§ 4 MuSchG). Der in seinem Musterrecht Verletzte hat (ua) Anspruch

auf Unterlassung (§ 34 MuSchG). Ob Erzeugnisse dem Muster

verwechselbar ähnlich sind, ist - ebenso wie bei der

Ähnlichkeitsprüfung nach dem Markenschutzgesetz - auch nach dem

Musterschutzgesetz nach dem Gesamteindruck und nicht aufgrund einer

zergliedernden Betrachtung zu beurteilen (ecolex 1994, 769 = ÖBl

1995, 38 = PBl 1995, 59 = RdW 1994, 396 = WBl 1995, 82 - Andante

mwN).

Wendet man diesen Grundsatz im vorliegenden Fall an, so kann die Auffassung des Rekursgerichts, es liege keine verwechselbare Ähnlichkeit vor, nicht geteilt werden:

Bei der Ähnlichkeitsprüfung sind die Abbildungen des Türblatts und Türgriffs der Beklagten den Darstellungen der Muster gegenüberzustellen. Dass es sich dabei um schematische Darstellungen handelt, erschwert die Prüfung nicht, weil es nur darauf ankommt, ob das beanstandete Türblatt der Beklagten und der dazugehörige Türgriff die den Gesamteindruck der Muster prägenden Merkmale aufweisen.

Der Gesamteindruck des für die Klägerin geschützten Türblattmusters wird dadurch geprägt, dass an einen an das Türschloss anschließenden und in Querstreifen unterteilten Längsstreifen, der in Höhe des Schlosses ausgebuchtet ist, ein diese Ausbuchtung aufnehmendes Kreissegment anschließt, das in vier Flächen unterteilt ist. Mit Ausnahme der Unterteilung des Längsstreifens in Querstreifen scheinen sämtliche Merkmale auch im Türblatt der Beklagten auf. Es ist damit dem für die Klägerin geschützten Muster verwechselbar ähnlich, weil der Unterschied in der Gestaltung des Längsstreifens angesichts der übereinstimmenden Merkmale nicht ins Gewicht fällt.

Das Gleiche gilt für den Türgriff: Auch der Türgriff der Beklagten stimmt mit dem Türgriff der Klägerin in den prägenden Merkmalen überein. Geprägt wird der Gesamteindruck durch die Ausbuchtung einer an sich geraden Stange in Griffhöhe. Der Abschluss der Stange an ihren Enden, die eher fließende oder eher kantige Ausformung des Übergangs vom geraden zum ausgebuchteten Teil, die Anzahl der Befestigungsschrauben sind Ausführungsdetails, die für den Gesamteindruck nur von untergeordneter Bedeutung sind.

Auch der Türgriff der Beklagten ist demnach dem für die Klägerin geschützten Türgriff verwechselbar ähnlich. Damit verletzt sowohl das beanstandete Türblatt der Beklagten als auch der dazugehörige Türgriff das Musterrecht der Klägerin. Ihr Unterlassungsanspruch ist demnach schon nach § 34 MuSchG berechtigt, so dass auf die Ausführungen der Klägerin zur behaupteten Urheberrechtsverletzung und zum behaupteten Verstoß gegen §§ 1, 2 UWG nicht weiter einzugehen ist.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.