JudikaturJustiz4Ob54/07f

4Ob54/07f – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Mai 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef Z*****, 2. Friederike Z*****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, gegen die beklagte Partei Dr. Auguste H*****, vertreten durch Dr. Horst Mayr, Rechtsanwalt in Vorchdorf, wegen Aufkündigung, über die Revisionen der klagenden und beklagten Parteien gegen das Zwischenurteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 8. November 2006, GZ 22 R 211/06w-14, womit das Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 30. Mai 2006, GZ 2 C 1125/05b-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision der klagenden Parteien wird Folge gegeben. Das angefochtene Zwischenurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.725,10 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 422,08 EUR USt und 192,50 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger ist auf Grund der Einantwortungsurkunden vom 22. Februar 1988 und vom 25. September 1991 Hälfteeigentümer, die Zweitklägerin auf Grund käuflichen Erwerbs vom Bruder des Erstklägers am 8. Juni 1999 ebenfalls Hälfteeigentümerin jener Liegenschaft (Haus und Garten), welche der Erstkläger und sein Bruder am 8. Jänner 1991 an die Beklagte zunächst bis 31. Juli 1996 vermieteten. Das Mietverhältnis wurde nach diesem Zeitraum fortgesetzt. Vertraglich vereinbart war eine dreimonatige Kündigungsfrist und ein wertgesicherter monatlicher Mietzins von 6.000,-- S zuzüglich USt. Die Beklagte betreibt im Untergeschoss eine Tierarztpraxis, wobei die Ordination aus insgesamt drei Räumen besteht. Neben der Praxis befindet sich die Küche, das Schlafzimmer und das Bad liegen im Obergeschoss. Das Bestandobjekt dient der Beklagten als Hauptwohnsitz, sie hat keine andere Wohnmöglichkeit. Der Wohnbereich ist mit der Ordination vermischt. Die von der Beklagten privat und beruflich genutzte Fläche des Bestandobjekts beträgt etwa 100 m2, das gesamte Haus mit Keller und Garage weist eine Fläche von etwa 200 m2 auf.

Die Kläger betreiben seit etwa 30 Jahren einen Gastgewerbebetrieb mit Beherbergung (20 Fremdenzimmer). Sie adaptierten einen ehemaligen Heuboden als Wohnung, die gesamte zur Verfügung stehende Fläche wurde ausgeschöpft. Der Wohnbereich der Familie der Kläger hat eine Fläche von 108 m2 und besteht aus einem Schlafzimmer, einem Ankleideraum, einem Bad, einem WC, einem Wohnzimmer und drei weiteren Zimmern. In dieser Wohnung wohnen die Kläger seit 1983 mit ihren mittlerweile erwachsenen drei Kindern, jedes Kind hat ein eigenes Zimmer. Bad und Toilette werden von allen gemeinsam benützt. Auf Grund der vorhandenen Gegebenheiten ist es nicht möglich, die Wohnung der Kläger weiter auszubauen. Sie befindet sich im zweiten Stock, darunter liegen fünf Fremdenzimmer, die vermietet werden. Diese Zimmer haben keine Nasszellen. Insgesamt vermieten die Kläger in ihrem Betrieb 20 Zimmer, die meistens gänzlich ausgelastet sind. Die Zimmervermietung ist für sie existenznotwendig, weshalb eine Umwidmung der Fremdenzimmer in Wohnräume nicht möglich und wirtschaftlich untragbar ist.

Neben den Klägern arbeiten auch ein Sohn und die Tochter im Gastbetrieb mit. Wegen der bevorstehenden Pensionierung des Erstklägers ist geplant, den Betrieb diesem Sohn zu übergeben. Die Kläger haben außer dem Gasthaus und dem Bestandobjekt keine anderen Gebäude, Wohnungen oder Liegenschaften, auf denen man bauen könnte. Hauptsächlich auf Grund der beengten Wohnverhältnisse kam es in den letzten Jahren zwischen den Mitgliedern der Familie der Kläger vermehrt zu Reibereien und Streitigkeiten. Insbesondere die Tochter leidet sehr unter den ständigen Spannungen und Streitigkeiten; in den letzten Jahren hat sich die Situation so verschlechtert, dass sie deshalb ärztliche Behandlung in Anspruch und Medikamente gegen Depressionen nimmt. Sie versuchte bisher erfolglos, selbst eine passende Wohnung zu finden. Da das Bestandobjekt bereits ursprünglich im Bedarfsfall für die Kinder vorgesehen war, entschlossen sich die Kläger zur Aufkündigung des Bestandverhältnisses. Ob der Beklagten jemals mitgeteilt wurde, dass die Kläger das Bestandobjekt später einmal für ihre Kinder benötigen werden, steht nicht fest. Die Kläger kündigten der Beklagten den Mietvertrag zum 31. Dezember 2005 aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 8 und 9 MRG auf und behielten sich vor, Ersatzmietgegenstände erst im Zuge des Verfahrens anzubieten. Sie benötigten den Mietgegenstand dringend für ihre Tochter. Die in ihrem Gasthaus zur Verfügung stehenden Privaträume seien für die dort wohnenden fünf Erwachsenen zu klein. Wegen der beengten Wohnverhältnisse komme es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Bewohnern, was insbesondere die Tochter psychisch belaste. Das aufgekündigte Bestandobjekt sei eine Wohnung und kein Geschäftsraum.

Die Beklagte wendete ein, es bestehe kein dringender Eigenbedarf der Kläger. Es werde für sie bei Übergabe des Gastbetriebs an den Sohn problemlos möglich sein, für eine ausreichende Wohnmöglichkeit für ihre Tochter Vorsorge zu treffen. Ein allfälliger Eigenbedarf sei selbst verschuldet, weil die Kläger das Bestandobjekt in Kenntnis des Eigenbedarfs übergeben hätten. Die Zweitklägerin habe die Liegenschaft, auf der sich das Bestandobjekt befinde, erst 1999 erworben, weshalb sie gemäß § 30 Abs 3 MRG gar nicht kündigen könne. Schließlich bestehe der Zustand einer allfälligen beengten Wohnsituation bei den Klägern schon seit mindestens zwei Jahren, sodass die Kündigung nicht unverzüglich erfolgt und daher unwirksam sei.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung als wirksam und verurteilte die Beklagte zur Räumung des Bestandobjekts. Die von der Beklagten gemieteten Räume seien als Wohnräume anzusehen. Die Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 8 MRG sei daher möglich. Dringender Eigenbedarf für die Tochter sei vorhanden, weil die Wohnung der Kläger für sie und ihre drei erwachsenen Kinder zu klein sei und auch durch eine Neuverteilung des zur Verfügung stehenden Wohnraums keine Abhilfe geschaffen werden könne. Da der Gastgewerbebetrieb die Existenzgrundlage der Kläger bilde, sei es auch nicht möglich, durch Umwidmung von zum Betrieb gehörenden Räumen zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Eigenverschulden liege nicht vor, weil der Bedarf erst nach der Vermietung des Hauses an die Beklagte entstanden sei. Das Berufungsgericht änderte das von der Beklagten angefochtene Urteil dahin ab, dass es lediglich den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG - vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung - als verwirklicht ansah (Zwischenurteil) und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage zulässig sei, ob die Sperrfrist des § 30 Abs 3 MRG auch dann gelte, wenn beide kündigenden Ehegatten zwar zur Zeit der Kündigung jeweils Hälfteeigentümer des Bestandobjekts seien, einer von ihnen seinen Hälfteanteil aber erst weniger als 10 Jahre vor dem Kündigungstermin unter Lebenden erworben habe. Da das Bestandobjekt die einzige Wohnung der Beklagten sei, sei auch bei gemischt privater und beruflicher Nutzung von Wohnraummiete auszugehen. Die Zweitklägerin sei aber gemäß § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG noch nicht zur Kündigung berechtigt. Der Zweck der Sperrfrist, die für die Zweitklägerin noch nicht abgelaufen sei, bestehe in der Verhinderung von Spekulationskäufen. § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG sei zwar dahin teleologisch zu reduzieren, dass die Sperrfrist dann nicht gelte, wenn der Rechtsvorgänger des Kündigenden bereits die Kündigung wegen Eigenbedarfs hätte geltend machen können, die Kläger hätten aber gar nicht behauptet, dass der Rechtsvorgänger der Zweitklägerin als Hälfteeigentümer (Bruder des Erstklägers) eine solche Kündigung hätte aussprechen können. Einer Kündigung durch den Erstkläger würde die Sperrfrist zwar nicht entgegenstehen, er könne aber als bloßer Hälfteeigentümer nicht allein kündigen. Vor dem Erwerb des anderen Hälfteanteils am Bestandobjekt durch die Zweitklägerin wäre der Erstkläger, der nicht mehr Mehrheitseigentümer gewesen sei, zur Aufkündigung des Mietvertrags nicht legitimiert gewesen, weil dazu die Mehrheit der Miteigentümer oder zumindest der Nachweis deren Einverständnisses erforderlich gewesen wäre. In Fällen, in denen eine vermietete Wohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt werde, sodass der in der Verhinderung von Spekulationskäufen bestehende Normzweck zutreffe, sei der Wohnungseigentümer, der vor der Umwandlung nicht Mehrheitseigentümer, sondern bloß Hälfteeigentümer gewesen sei, innerhalb von 10 Jahren nach der Umwandlung nicht zur Eigenbedarfskündigung berechtigt, weil - unabhängig davon, ob im konkreten Fall tatsächlich Spekulationsabsicht bestehe - ein Spekulationsgeschäft nicht ausgeschlossen werden könne. Der Erstkläger hätte vor dem Erwerb des anderen Hälfteanteils an der Liegenschaft durch die Zweitklägerin den Mietvertrag allein nicht aufkündigen können, sondern hätte als bloßer Hälfteeigentümer der Mitwirkung seines Miteigentümers bedurft. Erst durch den Erwerb des zweiten Hälfteanteils an der Liegenschaft durch die Zweitklägerin sei den klagenden Ehegatten die Eigenbedarfskündigung ohne Mitwirkung eines Dritten möglich geworden. Dieser stehe aber hinsichtlich der Zweitklägerin die noch nicht abgelaufene Sperrfrist entgegen. Allerdings sei der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG verwirklicht. Aus § 354 ABGB ergebe sich der Grundsatz der freien Verfügbarkeit über das Eigentum, der nur dort nicht zum Tragen komme, wo entgegenstehende Bestimmungen, wie etwa die Kündigungsbeschränkungen des MRG, eine Ausnahme vorsähen. Auch wenn die Bestimmungen dieses Gesetzes die Eigenbedarfskündigung auf den Fall unbedingter Notwendigkeit einschränkten, könne daraus noch nicht abgeleitet werden, dass der Vermieter zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses grundsätzlich auf eine nicht in seinem Eigentum stehende Wohnmöglichkeit verwiesen werden müsse. Der Eigentümer dürfe vielmehr in erster Linie sein Eigentum zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses heranziehen. Der Vermieter eines Einfamilienhauses, der über keine ausreichende Wohnmöglichkeit verfüge, dürfe im Allgemeinen auch dann nicht auf die Möglichkeit der Beschaffung einer Wohnung in einem nicht ihm gehörenden Haus verwiesen werden, wenn er im Hinblick auf seine finanzielle Situation dazu in der Lage wäre. Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für den Eigenbedarf eines Vermieters, der die in Bestand gegebene Wohnung nicht für sich selbst, sondern für einen Verwandten in absteigender Linie dringend benötige. Ein wichtiges persönliches oder wirtschaftliches Bedürfnis, das nur durch Benützung der gekündigten Wohnung befriedigt werden könne, liege etwa bei Studenten, die von einem Studentenheim in eine eigene Wohnung übersiedeln wollen, oder bei solchen Kindern vor, die das Wohnen im elterlichen Familienverband beenden wollen. Entscheidend sei, dass dann, wenn dem Kind des Vermieters nur ein Zimmer zur Verfügung stehe und er Küche und Sanitärräume mit anderen Personen teilen müsse, eine ständige Koordination mit den Mitbewohnern erforderlich sei, die Schaffung eines entsprechend umfassenden persönlichen Bereichs kaum möglich sei, die Einladung und Bewirtung von Gästen mangels eigener Küche eingeschränkt sei, eine Wohnungsgemeinschaft mit einer anderen Person nicht begründet werden könne und eine längerfristige Lebensplanung schon im Hinblick auf die zeitlich beschränkte Nutzungsmöglichkeit verwehrt sei. Das Streben nach Selbstständigkeit und nach einem eigenen Lebensbereich, der persönlich und nach eigenen Vorstellungen ausgestaltet werden könne, der nicht von der Erlaubnis anderer abhängige Empfang von Gästen und insbesondere die Möglichkeit, eine Wohnungs- und Lebensgemeinschaft aufnehmen zu können, sei nicht nur einem Studenten, sondern umso mehr einem erwachsenen, im Berufsleben stehenden und finanziell unabhängigen Menschen zuzubilligen. Außer bei gebotener, hier indes nicht vorzunehmender Interessenabwägung müsse der Vermieter seinem Deszendenten ein bestimmtes anderes Wohnobjekt zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedarfs nicht zur Verfügung stellen. Es liege hier ein Fall vor, in dem ständige Koordination mit Mitbewohnern erforderlich sei, und sich die erwachsenen Kinder kaum einen umfassenden persönlichen Bereich schaffen könnten. Die Kläger benötigten das Bestandobjekt somit dringend für ihre Tochter, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass diese auf Grund der beengten Wohnsituation bereits in ihrer psychischen Gesundheit angegriffen sei. Eine Neuverteilung vorhandener Wohnräume komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Der Eigenbedarf sei auch nicht selbst verschuldet. Der konkrete Bedarf für die Tochter der Kläger sei erst lange nach der Vermietung der Wohnung und auch lange nach Fortsetzung des Bestandverhältnisses nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Bestanddauer eingetreten. Selbstverschulden der Tochter könne nicht angenommen werden; diese sei bei Fortsetzung des Bestandverhältnisses erst 16 Jahre alt gewesen. Ebenso wenig liege ein konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht vor. Bei Dauertatbeständen könne im Zuwarten mit der Kündigung in der Regel kein Verzicht auf die Geltendmachung des Kündigungsgrunds erblickt werden. Die familiäre Situation der Kläger habe sich erst in den letzten Jahren nach und nach zugespitzt. Die Kläger seien nicht gezwungen gewesen, sofort mit Kündigung vorzugehen, um bei der Beklagten nicht den begründeten Eindruck eines Verzichts auf das Kündigungsrecht zu bewirken. Die Tochter habe überdies - wenn auch erfolglos - eine andere Wohnung gesucht. Das Abwarten der Kläger sei daher gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Vorbehalt der Kläger, geeignete Ersatzobjekte anzubieten, sei die Wirksamkeit der Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG vorerst mit Zwischenurteil auszusprechen.

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger streben die Wiederherstellung des Ersturteils an, ihre Revision ist zulässig und berechtigt.

Die Beklagte strebt die Feststellung der gänzlichen Unwirksamkeit der Kündigung und die Abweisung des Räumungsbegehrens an; ihre Revision ist unzulässig.

I. Zur Revision der Kläger:

1. § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG normiert, dass ein Vermieter, der das Miethaus durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG nur kündigen kann, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Erwerbung und dem Kündigungstermin mindestens zehn Jahre liegen. Dadurch soll verhindert werden, dass ein durch Mietvertrag belastetes Objekt eben deshalb günstig erworben und der bisherige Mieter dann infolge einer Kündigung wegen Eigenbedarfs, den der Voreigentümer nicht hätte geltend machen können, „entfernt" wird. Infolge dieses Normzwecks ist § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG, wie der Oberste Gerichtshof bereits aussprach, dahin teleologisch zu reduzieren, dass die zehnjährige Sperrfrist unbeachtlich ist, wenn bereits der Rechtsvorgänger des Kündigenden wegen Eigenbedarfs hätte kündigen dürfen (1 Ob 293/03z = SZ 2004/21 mwN).

2. In Ansehung der Zweitklägerin, die den Hälfteanteil an der Liegenschaft mit dem Mietobjekt durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erwarb, wäre die zehnjährige Sperrfrist noch nicht abgelaufen. Hier ist zu prüfen, ob der Zeitraum des Rechtsvorgängers der Zweitklägerin als Hälfteeigentümer der in Rede stehenden Liegenschaft für die Frage nach dem Eingreifen der Sperrfrist überhaupt von Bedeutung ist. 2. 1. Der Rechtsvorgänger der Zweitklägerin als Onkel der nunmehr mit einer eigenen Wohnung zu versorgenden Tochter der Kläger hätte zweifellos nicht selbst wegen Eigenbedarfs kündigen können, für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs hätte aber bereits der Hälfteanteil des Erstklägers als Vater der mit einer eigenen Wohnung zu versorgenden Tochter ausgereicht, kann doch ein Miteigentümer gemäß § 30 Abs 3 letzter Satz MRG die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 8 bis 11 MRG bereits dann geltend machen, wenn er wenigstens Eigentümer zur Hälfte ist. Der käufliche Erwerb des Hälfteanteils an der maßgebenden Liegenschaft durch die Zweitklägerin bewirkte daher für den Erstkläger, der als Erbe Miteigentümer wurde, keine Änderung der Möglichkeit, Eigenbedarf am streitverfangenen Bestandobjekt geltend zu machen. Dem steht auch der Umstand nicht entgegen, dass der Hälfteeigentümer - mangels Anteilsmehrheit - grundsätzlich nicht legitimiert ist, ein Bestandverhältnis aufzukündigen (RIS-Justiz RS0013441, RS0013438). An dieser Beschränkung der Hälfteeigentümer änderte sich durch das zwischen der Zweitklägerin und ihrem Schwager abgewickelte Erwerbsgeschäft gleichfalls nichts. Allein der Umstand, dass statt Brüdern nunmehr Eheleute als Bestandgeber einer gemeinsamen Willensbildung als Voraussetzung der gerichtlichen Aufkündigung eines Mietvertrags bedürfen, ist bei Beurteilung der Anwendbarkeit der erörterten Sperrfrist unbeachtlich. Infolgedessen hätte ein allein auf die erörterte Sperrfrist gestützter Einwand im Fall einer gerichtlichen Aufkündigung durch die seinerzeitigen Miteigentümer der Liegenschaft wegen Eigenbedarfs des Erstklägers am Mietobjekt noch vor dem rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Hälfteanteils durch die Zweitklägerin ebenso erfolglos bleiben müssen.

Die bisherigen Erwägungen sind daher folgendermaßen zusammenzufassen:

Ein Vermieter kann den Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 8 MRG nach § 30 Abs 3 letzter Satz MRG bereits dann geltend machen, wenn er zumindest zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft mit dem Miethaus ist und auf seinen Eigentumserwerb die Sperrfrist nach § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG nicht (mehr) anzuwenden ist. Daran ändert der Umstand nichts, wenn als kündigende Partei auch der andere Hälfteeigentümer der maßgebenden Liegenschaft auftritt, dessen Eigentumserwerb auf Grund eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden unter die bezeichnete Sperrfrist fiele, falls dieser Eigenbedarf geltend machte.

2. 2. Die vom Berufungsgericht und von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung 8 Ob 207/02b (= MietSlg 54.353) erging zu einem mit dem hier zu beurteilenden Fall nicht vergleichbaren Sachverhalt. Dort hatte die Klägerin, die nicht Mehrheitseigentümerin der Liegenschaft mit dem Mietobjekt war, die (formale) Befugnis zur gerichtlichen Aufkündigung durch die Begründung von Wohnungseigentum am Mietobjekt erlangt.

2. 3. Auf dem Boden aller voranstehenden Ausführungen steht einer Kündigung gemäß § 30 Abs 2 Z 8 MRG die zehnjährige Sperrfrist nach § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG hier nicht entgegen. Das die Wirksamkeit der Kündigung aussprechende und die Beklagte zur Räumung des Bestandobjekts verpflichtende Ersturteil ist somit wiederherzustellen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

II. Zur Revision der Beklagten:

1. Nach ständiger Rechtsprechung können angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen bereits das Berufungsgericht verneinte, im Revisionsverfahren mit Aussicht auf Erfolg nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

2. Ob ein Eigenbedarf des Vermieters als Voraussetzung der Kündigung eines Mietverhältnisses durch eine ausreichende Dringlichkeit charakterisiert ist, lässt sich nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beurteilen. Eine solche Beurteilung wirft - abgesehen von einer hier nicht vorliegenden krassen Fehlbeurteilung - keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Das gilt auch für die Lösung der Frage, ob die Vermieter ihren Eigenbedarf selbst verschuldeten (2 Ob 90/02b = WoBl 2003, 333).

3. Die Beklagte verlässt überdies mit ihrer Argumentation, der Eigenbedarf der Vermieter sei selbst verschuldet und die Vermieter hätten durch langes Zuwarten mit der Geltendmachung des Eigenbedarfs als Kündigungsgrund auf diesen verzichtet, weil die Beklagte bereits darauf habe vertrauen dürfen, Eigenbedarf werde ihr gegenüber nicht mehr geltend gemacht werden, den Boden der erstgerichtlichen Feststellungen. Danach ist ausschlaggebend, dass zunehmende familiäre Spannungen und Streitigkeiten die Gesundheit der Tochter der Vermieter vermehrt belasten und Versuche der Tochter, selbst eine passende Wohnung zu finden, bis zuletzt erfolglos blieben. Der den Eigenbedarf begründende Sachverhalt verwirklichte sich daher erst nahe dem Kündigungszeitpunkt als Ergebnis einer längeren Entwicklung. Der künftige Eintritt des Eigenbedarfs war somit weder im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags noch in dem seiner Verlängerung konkret absehbar; Eigenbedarf war aber auch längere Zeit vor der ausgesprochenen Kündigung in einer diese rechtfertigenden Qualität noch nicht hergestellt.

4. Die Revisionsbeantwortung der Kläger diente einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil in ihr auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten hingewiesen wurde. Die Beklagte hat daher die Kosten dieses Schriftsatzes gemäß § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO zu ersetzen.

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