JudikaturJustiz4Ob374/97x

4Ob374/97x – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen Emma S*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Kinder der Erblasserin 1. Monika S***** 2. Ernest R*****, 3. Helmut R*****, alle vertreten durch Dr. Gunther Steinböck, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 3. November 1997, GZ 1 R 170/97k-20, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß der Antrag auf Separation des Nachlaßvermögens vom Erbenvermögen und auf Bestellung eines Separationskurators abgewiesen wird.

Text

Begründung:

Die Erblasserin war zweimal verheiratet. Ihrer ersten Ehe entstammen die Kinder Erich, Helmut und Ernest R***** sowie Monika S*****; der zweiten Ehe mit Friedrich S***** entstammen Brigitte Marianne N*****, Renate R***** sowie die bereits vorverstorbenen Friedrich und Emmerich S*****. Friedrich S***** hinterließ den ehelichen Sohn Michael S***** und den außerehelichen Sohn Christian Markus K*****.

Die Erblasserin ist am 13.10.1996 verstorben. Mit Testament vom 17.4.1996 setzten sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ihres gesamten Nachlaßvermögens ein. Friedrich S***** vermachte seiner Tochter Brigitte Marianne N***** seine ideelle Hälfte am Liegenschaftsbesitz P***** als Vermächtnis. Jeder der Ehegatten bestimmte für den Fall, daß er der Überlebende sein sollte, die gemeinsame Tochter Renate R***** als Erbin. Im Testament wurde festgehalten, daß die Nachkommen der Erblasserin aus erster Ehe nach ihrer Mutter bereits bei Lebzeiten entfertigt worden seien.

Erich, Helmut und Ernest R***** sowie Monika S***** verzichteten mit Notariatsakten vom 18.5.1994, 27.5.1994, 11.7.1994 und 2.8.1994 auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber ihrer Mutter. Sie hatten jeweils ein Sparbuch mit einer Einlage von S 50.000,-- erhalten.

Friedrich S*****, der Ehemann der Verstorbenen, gab am 12.12.1996 aufgrund des Testamentes vom 17.4.1996 eine bedingte Erbserklärung ab. Friedrich S***** verstarb am 12.1.1997. Im daraufhin eingeleiteten Verlassenschaftsverfahren gab Renate R***** aufgrund des Testaments vom 17.4.1996 eine unbedingte Erbserklärung ab.

Ernest und Helmut R***** sowie Monika S***** machen im Verlassenschaftsverfahren nach ihrer Mutter Pflichtteilsansprüche geltend. Sie seien über die Vermögensverhältnisse der Erblasserin arglistig getäuscht worden und hätten nur deshalb auf ihr Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet. Ihren Antrag auf Inventarisierung des Nachlasses wies das Erstgericht zurück. Die dagegen erhobene Vorstellung blieb erfolglos.

Ernest und Helmut R***** sowie Monika S***** beantragen nunmehr die Separation des Nachlaßvermögens vom Erbenvermögen und die Bestellung eines Separationskurators.

Als Kinder der Erblasserin seien sie grundsätzlich pflichtteilsberechtigt; über ihren Anspruch sei im streitigen Verfahren zu entscheiden. Die Erblasserin habe ihnen wider besseres Wissen erklärt, ihr Vermögen auf ihren Ehegatten übertragen zu haben. Wäre ihnen die wahre Vermögenslage der Erblasserin bekannt gewesen, hätten sie auf ihr Erb- und Pflichtteilsrecht nicht verzichtet. Es sei zu befürchten, daß ihre Ansprüche nicht befriedigt werden können, sollte der Nachlaß mit dem Vermögen der Erbin vermengt werden. Die Erbin habe eine Eigentumswohnung erworben und es sei zu befürchten, daß sie die Zahlungen aus dem ihr zugewendeten Vermögen leisten werde.

Das Erstgericht wies beide Anträge zurück.

Das Verlassenschaftsgericht könne nicht prüfen, ob der Erb- und Pflichtteilsverzicht rechtswirksam sei. Die Antragsteller hätten auf ihre Rechte verzichtet und seien daher nicht Verlassenschaftsgläubiger.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Die Rekurswerber seien nicht Beteiligte des Verlassenschaftsverfahrens. Durch ihren Verzicht hätten sie ihre Noterbenstellung verloren. Auch wenn sie den Verzicht anfechten wollten, seien sie derzeit nicht Gläubiger.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Monika S*****, des Ernest R***** und des Helmut R***** ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung widerspricht; er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber berufen sich auf die Entscheidung 1 Ob 201/73. Nach dieser Entscheidung seien die Parteien auf den Rechtsweg zu verweisen, wenn sie im Verlassenschaftsverfahren die Wirksamkeit ihres Erb- und Pflichtteilsverzichtes bestritten.

In der Entscheidung 1 Ob 201/73 (= SZ 46/117 = EvBl 1974/113 = NZ

1974, 118 = NZ 1976, 107) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen,

daß die §§ 125 ff AußStrG analog anzuwenden sind, wenn eine im Verlassenschaftsverfahren strittige Noterbenstellung, von deren Lösung die Fortsetzung und Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens abhängt, im Rechtsweg (§ 2 Abs 2 Z 7 AußStrG) geklärt werden muß. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte das Wahlkind behauptet, daß sich sein Pflichtteilsverzicht nur auf einen bestimmten Teil des Nachlaßvermögens beziehe. Es hatte die Inventur und Schätzung des Nachlasses sowie seine Verständigung von allen Vorgängen des Verlassenschaftsverfahrens beantragt.

Im vorliegenden Fall behaupten drei der vier Kinder der Erblasserin aus erster Ehe, arglistig getäuscht worden zu sein und nur deshalb auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber ihrer Mutter verzichtet zu haben. Als Kinder der Erblasserin sind sie gemäß § 762 ABGB Noterben; als Noterben sind sie, ebenso wie die anderen Verlassenschaftsgläubiger (Schwimann/Eccher, ABGB**2 III § 812 Rz 1 mwN; Welser in Rummel, ABGB**2 § 812 Rz 10 ff mwN), gemäß § 812 ABGB berechtigt, die Absonderung des Nachlasses vom Vermögen des Erben, seine gerichtliche Verwahrung oder die Verwaltung durch einen Separationskurator zu verlangen, wenn die Einbringlichkeit ihrer Forderung durch die Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben gefährdet sein könnte. Die Separationsgläubiger müssen ihre Forderungen im allgemeinen bescheinigen; das trifft auf den Noterben nicht zu, weil sich dessen Pflichtteilsrecht schon aus seiner Zugehörigkeit zum Personenkreis der §§ 762, 763 ABGB ergibt und eine wirksame Enterbung immer vom Erben bewiesen werden muß (SZ 68/126 mwN).

Ein solcher Nachweis erübrigt sich, wenn der Noterbe formgerecht auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat und die darüber erstellte Urkunde dem Verlassenschaftsgericht vorliegt. In diesem Fall muß der Noterbe beweisen, daß sein Verzicht unwirksam ist (vgl EFSlg 37.457). Ob der Verzicht deshalb unwirksam ist, weil der Erblasser den Noterben arglistig irregeführt hat, ist eine Tatfrage, die regelmäßig nur im Rechtsweg geklärt werden kann.

Im vorliegenden Fall kann aber offen bleiben, ob den Noterben trotz ihres Pflichtteilsverzichts im Verlassenschaftsverfahren Beteiligtenstellung zukommt und das Verlassenschaftsgericht nach §§ 125ff AußStrG vorzugehen hat. Die Frage, ob der Pflichtteilsverzicht der Antragsteller unwirksam ist und sie daher berechtigt sind, die Absonderung des Nachlasses und die Bestellung eines Separationskurators zu begehren, ist für die Entscheidung unerheblich, weil ihr Antrag schon mangels Schlüssigkeit erfolglos bleiben muß.

Zur Rechtfertigung des Anspruches auf Nachlaßabsonderung genügt zwar jede vernünftigerweise verständliche Besorgnis, der Erbe könnte den Nachlaß als Deckungsfonds für Nachlaßforderungen schmälern (SZ 56/28 = JBl 1983, 483; RIS-Justiz RS0013049); eine solche Besorgnis muß aber, wenn auch nicht bescheinigt (stRsp ua SZ 18/181; RZ 1989/98; RIS-Justiz RS0013068), so doch schlüssig behauptet werden.

Die Antragsteller begründen die Gefährdung ihrer Forderung nur ganz abstrakt mit der langen Dauer eines Rechtsstreites über die Wirksamkeit ihres Pflichtteilsverzichts; ihrem konkreten Vorbringen - die Erbin wolle mit dem ihr zugewendeten Vermögen ihre Eigentumswohnung auszahlen - ist nicht zu entnehmen, daß eine Schmälerung des Befriedigungsfonds zu befürchten wäre. Die - unbedingt erbserklärte - Erbin haftet den Verlassenschaftsgläubigern und damit auch den Noterben mit ihrem gesamten Vermögen und zwar unabhängig davon, aus welchen Werten es sich zusammensetzt. Allein daraus, daß die Erbin das ihr zugewendete Vermögen möglicherweise dazu verwendet, ihre Eigentumswohnung auszuzahlen, kann demnach nicht auf eine Gefährdung allfälliger Pflichtteilsansprüche geschlossen werden.

Da der Antrag demnach schon mangels Schlüssigkeit erfolglos bleiben muß, braucht nicht geklärt zu werden, ob den Antragstellern trotz ihres Pflichtteilsverzichts Beteiligtenstellung im Verlassenschaftsverfahren zukommt.

Der Revisionsrekurs mußte im Ergebnis erfolglos bleiben. Sowohl die mangelnde Ligitimation als auch die mangelnde Schlüssigkeit sind Abweisungsgründe.

Rechtssätze
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