JudikaturJustiz4Ob219/00k

4Ob219/00k – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. November 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Heinrich Kammerlander und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. M***** Kommanditgesellschaft, 2. M***** Gesellschaft m. b. H., *****, beide vertreten durch Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 340.000 S), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. Mai 2000, GZ 15 R 199/99s-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 2. August 1999, GZ 38 Cg 33/98h-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 16.780,50 S (darin 2.796,75 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der periodischen Druckschrift "K*****", die hauptsächlich in Kärnten und in der Steiermark erscheint. Die Erstbeklagte ist Verlegerin der in der Steiermark unter dem Titel "S*****" erscheinenden Tageszeitung "N*****". Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

Im Inneren der Ausgabe der "N*****" erschien am 16. 11. 1997 auf zwei ganzen Seiten ein (als "Gewinnspiel" überschriebener) redaktioneller Artikel mit dem Titel "Ein Leben lang beim Biobauern". Der Leser wird darin über das Leben und Wirken von Biobauern unterrichtet und erfährt auch, dass im Rahmen eines für Abonnenten der Beklagten veranstalteten Gewinnspiels zwei Wochen Urlaub jährlich (ein Leben lang) auf einem Biobauernhof zu gewinnen sind. Im Artikel wird weiters auf Lieferbeziehungen zwischen den Biobauern und den Handelsketten B***** und M***** hingewiesen und deren Naturprodukt-Palette unter der Bezeichnung "Ja! Natürlich" vorgestellt. Für diesen Artikel wurde kein Entgelt bezahlt. Sämtliche Preise des Gewinnspiels der Beklagten stellte der B*****-Konzern zur Verfügung. In derselben Zeitungsausgabe befinden sich jeweils ganzseitige Werbeinserate für M***** und B*****.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Veröffentlichung entgeltlicher Einschaltungen in der periodischen Druckschrift "N*****" zu unterlassen, wenn diese Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstigen Beiträge und Berichte nicht als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" gekennzeichnet sind. Hilfsweise sollen die Beklagten schuldig erkannt werden, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs redaktionell gestaltete Beiträge in der periodischen Druckschrift "N*****" zu veröffentlichen, durch die Werbehilfe für in der gleichen Ausgabe der Zeitschrift "N*****" werbende Inseratkunden geleistet wird, wenn das Publikum über den wahren Charakter der redaktionell gestalteten Beiträge als Werbung getäuscht wird. Darüber hinaus begehrt die Klägerin Urteilsveröffentlichung. Der Beitrag sei als entgeltlicher Artikel iSd § 26 MedienG zu beurteilen. Das Entgelt für die unauffällige Bewerbung der von B***** vertriebenen Marke "Ja natürlich" erfolge zumindest dadurch, dass die im Rahmen des "K*****-Gewinnspieles" ausgespielten Preise zur Verfügung gestellt würden. Die Warengutscheinen repräsentierten einen Wert von zusammen 40.000 S, hinzu komme der Wert ua eines "lebenslangen" Urlaubes.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Für den Beitrag sei kein Entgelt geleistet worden. Bei dem Bericht handle es sich um Hinweise des Spielveranstalters auf ein von ihm durchgeführtes Gewinnspiel. Dass die Preise von verschiedenen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, ändere nichts an der Unentgeltlichkeit. Es bestehe keine Kennzeichnungspflicht, weil der durchschnittliche Leser eine Gewinnspielankündigung mit der Präsentation von Preisen niemals für einen redaktionellen Beitrag halte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Kennzeichnungspflicht bestehe nicht, weil für den Artikel kein unmittelbares Entgelt bezahlt worden sei. Die zur Verfügung gestellten Preise beeinträchtigten den unentgeltlichen Charakter des Beitrags nicht. Daran könne auch eine mögliche Verknüpfung mit anderen (bezahlten) Inseraten nichts ändern, weil § 26 MedienG lediglich ein Entgelt für einen im voraus konkret bestimmbaren Artikel verbiete. Auch das Argument der Täuschung gehe ins Leere, weil es sich offenkundig um eine Gewinnspielankündigung handle und der Leser aufgrund der Artikelgestaltung nicht davon ausgehe, dass die Beklagte die ausgespielten Preise zugekauft habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aufgrund der konkreten Umständen des Einzelfalls entschieden habe. Maßgebend sei, ob das angesprochene Publikum, an dessen Aufmerksamkeit, Erfahrung und Sachkunde ein Durchschnittsmaßstab anzulegen ist, den entgeltlichen Charakter einer Veröffentlichung zweifelsfrei erkennen könne. Die Leser könnten über das Vorliegen einer entgeltlichen Werbemitteilung jedenfalls dann nicht getäuscht werden, wenn diese trotz fehlender Kennzeichnung nach Art und Aufmachung schon bei flüchtiger Betrachtung, also auf Grund ihrer grafischen und textlichen Gestaltung, auf den ersten Blick als solche erkennbar sei. Dies sei hier der Fall: Schon bei oberflächlicher Betrachtung des Beitrags sei zu erkennen, dass ein Gewinnspiel vorgestellt werde, das in engem Zusammenhang mit "Ja! Natürlich"-Produkten stehe; auch die Preise des Gewinnspiels seien damit verknüpft. Aufgrund der grafischen und textlichen Gestaltung sei die dem Beitrag innewohnende Werbebotschaft schon bei flüchtiger Betrachtung offenkundig. Um so mehr gelte, dass das Publikum nach dem Lesen des gesamten Textes der Veröffentlichung deren Charakter als Werbung zweifelsfrei erkennen könne. Schon in diesem Fall bestehe keine Notwendigkeit der Kennzeichnung als entgeltliche Werbeeinschaltung, weil § 26 MedienG nicht bezwecke, das Medienpublikum vor dem Lesen bezahlter Einschaltungen zu bewahren, sondern nur eine Täuschung über die Interessenlage der Verfasser vermeiden solle. Darüber hinaus sei auch die Entgeltlichkeit, welche hier darin bestehe, dass die ausgespielten Urlaubs- und Warenpreise (Urlaub auf einem "Ja! Natürlich"-Bauernhof, "Ja!

Natürlich"-Warengutscheine) von einem Dritten zur Verfügung gestellt würden, unschwer auszumachen. Eine dem Schutzzweck des § 26 MedienG widersprechende "getarnten" Werbemaßnahme liege nicht vor, ihre Kennzeichnung als entgeltliche Veröffentlichung sei somit entbehrlich. Auch die mit den Eventualbegehren unterstellte Tätigkeit liege nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Kennzeichnungspflicht mittelbar entgeltlicher Beiträge nicht besteht; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt den Standpunkt, Entgelt iSd § 26 MedienG sei bei Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise jede einer Bewertung in Geld zugängliche Gegenleistung; auch Unkostenbeiträge aller Art an Medienunternehmer oder Dritte sowie alle indirekten oder verschleierten Zuwendungen fielen darunter. Hier hätten die Beklagten Preise für ein Gewinnspiel von den Begünstigten des beanstandeten Beitrags angenommen und sich auf diese Weise den Ankauf eigener Preise erspart; werde diese Entgegennahme von Gewinnspiel-Preisen mit einem "Tarnartikel" verknüpft, verwirkliche dies den Tatbestand des § 26 MedienG. Dazu ist zu erwägen:

Gemäß § 26 MedienG müssen Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstige Beiträge und Berichte, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, in periodischen Medien als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" gekennzeichnet sein, es sei denn, dass Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können.

Diese Bestimmung wurde aus der Erwägung eingeführt, dass das Leserpublikum redaktionellen Beiträgen ein größeres Vertrauen als Anzeigen entgegenbringe, weil diese offensichtlich den Interessen derer dienen, die dafür zahlen; das führe dazu, dass die Werbung mitunter bestrebt ist, Anzeigen den äußeren Schein redaktioneller Mitteilungen zu geben, um sich damit deren publizistisches Gewicht zu verschaffen. Tatsächlich misst der durchschnittliche Zeitungsleser einem Beitrag, den er für eine von der Redaktion verantwortete Berichterstattung hält, wesentlich mehr Glaubwürdigkeit zu als einer Werbung. Im Hinblick auf diesen offenkundigen Gesetzeszweck sind unter "Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstigen Beiträgen und Berichten" nur solche zu verstehen, die ihrem Inhalt nach (auch) als redaktionelle Beiträge verstanden werden können (MR 1999,188 mwN).

Nur solche Beiträge müssen gekennzeichnet werden, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird. Darunter fallen jedenfalls nicht von einem Auftrag losgelöste (unabhängige) Gratisgaben an Inseratenkunden, wie etwa redaktionell gestaltete Anzeigen oder Beiträge (MR 1992, 255 [Korn] = ÖBl 1992, 205 - Redaktionelle Zugaben).

Entgelt ist nicht nur die normale geldliche Vergütung, sondern jeder geldwerte Vergütung oder Gegenleistung (Hanusch, MedienG § 26 Rz 3; Brandstetter/Schmid, MedienG**2 § 26 Rz 6; Schuhmacher, Verbraucherschutz bei Vertragsanbahnung, 225).

Schuhmacher (aaO 226 f) hat aufgezeigt, dass es aus dem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund auszuschließen ist, die Bestimmung des § 26 MedG auch auf Fälle einer zwar wirtschaftlichen, aber nur mittelbaren Entgeltlichkeit anzuwenden: Die Regierungsvorlage hatte nämlich - über die Kennzeichnungspflicht von Anzeigen hinaus - noch vorgesehen, auch andere Beiträge in periodischen Druckwerken, für deren Veröffentlichung wenn auch nicht ausschließlich und auch nur mittelbar dem Medienunternehmen ein nicht bloß geringfügiger Vermögensvorteil zufließt, als Fälle "mittelbarer Entgeltlichkeit" in die Kennzeichnungspflicht einzuschließen. Der Justizausschuss hat diese Fälle aber aus der Erwägung eliminiert, dass bei einer weitergehenden Regelung, die auch andere Formen von "Gefälligkeitsartikeln" einbeziehe, die im Hinblick auf die Strafsanktion notwendige eindeutige Abgrenzung nicht mehr möglich wäre.

Dieser Auslegung, die dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht, ist zu folgen. Für die Kennzeichnungspflicht nach § 26 MedG ist daraus zu folgern, dass das Entgelt gerade für die in Frage stehende Anzeige geleistet worden sein muss. Erforderlich ist demnach eine Beziehung zwischen einer zumindest bestimmbaren Anzeige und der Bezahlung; nur mittelbare Entgeltlichkeit genügt nicht (Schuhmacher aaO 225; ihm folgend Wünsch, Das Gebot der Trennung von redaktionellem Text und Werbung, in FS Schönherr, 91 ff [94], und Korn, MR 1992, 257; aA ohne nähere Begründung Hanusch aaO und Brandstetter/Schmid aaO).

Nach dem festgestellten Sachverhalt wurde für den beanstandeten Artikel kein Entgelt gezahlt. Anders als in dem von der Klägerin zitierten Fall MR 1997, 161 - Smokebusters bestand hier auch von vornherein keine Verknüpfung iS eines entgeltlichen Gesamtauftrags zwischen dem beanstandeten PR-Artikel und der Stiftung von Sachpreisen für das Gewinnspiel der Beklagten. Mangels unmittelbarer Entgeltlichkeit hat das Berufungsgericht daher im Ergebnis zutreffend eine Kennzeichnungspflicht verneint.

Der Revision konnte somit schon aus diesem Grund kein Erfolg beschieden sein, ohne dass es noch weiter auf die von der Klägerin ebenfalls aufgeworfene Frage ankäme, ob aus Gestaltung oder Anordnung des Beitrags der entgeltliche Charakter der Veröffentlichung zweifelsfrei zu erkennen sei.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.