JudikaturJustiz4Ob184/22w

4Ob184/22w – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J* und 2. A*, beide vertreten durch die Rechtsanwälte Estermann Partner OG in Mattighofen, gegen die beklagten Parteien 1. Reisebüro * GmbH, *, vertreten durch die Aigner Fischer Stranzinger Rechtsanwälte KG in Hohenzell, und 2. R* GmbH, *, vertreten durch Dr. Eike Lindinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.186 EUR sA, infolge Rekurses der klagenden Parteien (Rekursinteresse 5.666 EUR) gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 15. Juni 2022, GZ 18 R 23/22w 37, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Ried im Innkreis vom 7. April 2022, GZ 6 C 209/21t 32, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art 12 Abs 2 der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 25. 11. 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen (ABl L 326 vom 11. 12. 2015, Seite 1) dahin auszulegen, dass als am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe auftretende, unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen, und die den Verbraucher berechtigen, ohne Rücktrittsgebühr vom Pauschalreisevertrag zurückzutreten, und auf die sich der Reisende stützt, solche Umstände zu verstehen sind, die

- bei Abschluss des Pauschalreisevertrages schon vorliegen können; oder

- bei Abschluss des Pauschalreisevertrages noch nicht vorliegen dürfen, sondern erst zwischen diesem Zeitpunkt und

- der Rücktrittserklärung, oder

- dem Zeitpunkt des Beginnes der Pauschalreise

erstmals auftreten?

2. Ist Art 12 Abs 2 der genannten Richtlinie (EU) 2015/2302 dahin auszulegen, dass unter den dort genannten unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen solche zu verstehen sind, die

- den Beteiligten bei Abschluss des Reisevertrages nicht bekannt sind; oder

- den Beteiligten bei Abschluss des Reisevertrages bekannt sein dürfen; oder

- für die Beteiligten bei Abschluss des Reisevertrages nicht vorher- oder absehsehbar sind; oder

- für die Beteiligten bei Abschluss des Reisevertrages vorher- oder absehsehbar – gegebenenfalls nach welchen konkreten sich aus der Richtlinie ergebenden Kriterien – sein dürfen; oder

den Beteiligten bei Abschluss des Pauschalreisevertrages in groben Zügen zwar bekannt, aber in ihrer konkreten Ausformung noch nicht (allenfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit) abschätzbar sind (etwa ob infolge einer bereits seit [hier: mehr als zehn] Monaten bestehenden [hier: COVID ]Pandemie am Urlaubsort zusätzliche Testungen und/oder Ausgangs- bzw Freizügigkeitsbeschränkungen behördlich verfügt werden); oder

- völlig unabhängig vom Kenntnisstand der beteiligten Personen, allein aufgrund – gegebenenfalls welcher konkreter sich aus der Richtlinie ergebender – objektiver Kriterien zu bewerten sind?

3. Ist Art 5 der genannten Richt-linie (EU) 2015/2302 dahin auszulegen, dass unter dem Reisenden bereitzustellenden vorvertraglichen Informationen – insbesondere Angaben nach Art 5 Abs 1 lit f über „gesundheitspolizeiliche Formalitäten“ – auch solche zu verstehen sind, die pandemiebedingt am Urlaubsort zu absolvierende Testungen und/oder Ausgangs- bzw Freizügigkeitsbeschränkungen betreffen?

Im Fall der Bejahung von Frage 3:

4. Ist Art 5 der genannten Richtlinie (EU) 2015/2302 dahin auszulegen, dass im Fall, dass die Parteien die Bedingungen des Pauschalreisevertrages nach dessen Abschluss einvernehmlich abändern (anpassen; „umbuchen“) – etwa (wie hier) in Ansehung einzelner Reiseleistungen im Sinne des Art 5 Abs 1 lit a, wie Beförderungsleistungen, der Reiseroute oder des Reisetermines –, die dem Reisenden bereitzustellenden vorvertraglichen Informationen ganz (auch wenn sie nicht von der „Umbuchung“ betroffen sind) oder teilweise neuerlich oder aktualisiert bereitzustellen sind?

B. Das Verfahren über den Rekurs der klagenden Parteien wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union ausgesetzt.

Text

Begründung:

I. Sachverhalt

[1] Die Kläger sind Verbraucher und wohnen in Oberösterreich, nahe der deutschen Grenze. Die Erstbeklagte betreibt ein Reisebüro und hat den Klägern Anfang 2021 eine von der Zweitbeklagten veranstaltete Pauschalreise nach Kuba vermittelt.

[2] Die Kläger wandten sich am 20. 1. 2021, als in Österreich wegen der COVID Pandemie ein Lockdown verordnet war, an eine ihnen bekannte Mitarbeiterin des erstbeklagten Reisebüros; der Reisebüromitarbeiterin waren die Erkrankung der Zweitklägerin an Morbus Osler mit daraus resultierender mechanischer Schwäche und Blutungsneigung sowie der Umstand bekannt, dass deswegen bei ihr regelmäßig Krankenhausaufenthalte zur Verödung von Körperöffnungen vorgenommen werden müssen und sie vor jedem Urlaub diese Behandlung in der Dauer von 14 Tagen samt Verabreichung an neuen Blutkonserven benötigt.

[3] Die Kläger erklärten, sie „wollen weg“, weil ihnen COVID „aufs Gemüt drückt“. Die im „Homeoffice“ arbeitende Reisebüromitarbeiterin lud die Kläger zu sich nach Hause ein, wo sie ihnen erklärte, dass das Reisen derzeit äußerst mühsam, mit zehntägiger Quarantäne bei der Rückkehr nach Österreich sowie mit notwendigen PCR Tests verbunden sei und das Reisen zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund der Reisesituation einfacher wäre, was aber die Kläger ablehnten. Sie erklärte, derzeit gingen noch Flüge nach Mexiko und Kuba, worüber sich die Zweitklägerin sehr begeistert zeigte, weil Kuba schon immer ein Reisetraum von ihnen sei und sie „noch das Kuba wie zu Fidel Castros Zeiten“ erleben wollten. Die Frage der Reisebüromitarbeiterin, ob eine derartige Reise mit ihrer Erkrankung – sie benötigte einen Rollstuhl – überhaupt möglich sei, bejahte die Zweitklägerin. Von der Reisebüromitarbeiterin und den Klägern wurde die Website des österreichischen Außenministeriums (BMEIA) dahin verstanden („mit der Erkenntnis gelesen“), dass eine Einreise nach Kuba derzeit möglich, allerdings sowohl für Flug als auch für die Einreise nach Kuba ein PCR Test notwendig sei. Die Kläger wurden von der Reisebüromitarbeiterin darauf hingewiesen, dass bei der Einreise in Kuba ein zusätzlicher PCR Test gemacht werden müsse, die Reisenden in das gebuchte Urlaubshotel gebracht würden, bis zum Erhalt des PCR Testergebnisses im Hotelbereich bleiben müssten und, wenn dieses negativ wäre, der Hotelbereich verlassen werden dürfe. Dass sie sich trotz eines negativen Testergebnisses aber erst nach dem fünften Tag außerhalb der Hotelanlage bewegen dürften, erwähnte die Reisebüromitarbeiterin nicht.

[4] Die Kläger buchten am 20. 1. 2021 eine Pauschalreise vom 13. 2. 2021 bis 3. 3. 2021, bestehend aus dem Flug München-Frankfurt-Varadero (und zurück) sowie einem Hotel mit All-inclusive-Verpflegung.

[5] In den den Klägern noch am 20. 1. 2021 per Mail übermittelten Reiseunterlagen wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass Passagiere über ein spätestens 72 Stunden vor Ankunft ausgestelltes ärztliches Attest mit einem negativen Coronavirus (COVID-19) RT-PCR-Testergebnis verfügen müssten, und dass Passagiere bei ihrer Ankunft einem weiteren solchen Test unterzogen würden. Weiters wurden die Zusatzinformationen erteilt:

Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) wird seit 19. 12. 2020 0.00 Uhr bis auf weiteres vor allen touristischen und nicht notwendigen Reisen gewarnt. Mit anhaltenden Einschränkungen im Flug- und Reiseverkehr sowie weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben ist weiterhin zu rechnen.

- Startseite BMEIA Homepage

Einreise nach Kuba: Erlaubt.

Voraussetzungen: negativer PCT-RT für SARS CoV-2, nicht älter als 72 Stunden bei Einreise. Weiterer kostenpflichtiger Test bei Einreise am Flughafen. Keine Quarantäne.

[…]

- Ab 1. 1. 2021 ist bei Einreise ein negativer PCT-RT für SARS-CoV-2 vorzulegen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Zusätzlich wird von einreisenden Passagieren am Flughafen ein COVID-Test gemacht, dessen Resultat innerhalb von 24 bis 48 Stunden vorliegen soll. Die Kosten dafür belaufen sich derzeit auf 30 USD (zahlbar mit Kreditkarte) pro Person. Einreisende müssen ihre Adresse in Kuba bekanntgegeben. Sollte der Test positiv ausfallen, werden sie von dieser abgeholt und in eine staatliche Institution zur Quarantäne gebracht. Bei negativem Testergebnis darf man sich uneingeschränkt im ganzen Land bewegen. ...

[6] Zudem wurde auf die aktuellen Einreise- und Gesundheitsbestimmungen für österreichische Staatsbürger auf der Internetseite des BMEIA hingewiesen. Bezüglich nicht österreichischer Staatsbürger würden möglicherweise andere Einreisebestimmungen gelten und der Reisende habe sich rechtzeitig bei den zuständigen Vertretungsbehörden zu erkundigen. Spätestens 48 Stunden vor der Abreise sei der aktuelle Sicherheitshinweis des [deutschen] Auswärtigen Amtes für die jeweilige Urlaubsregion durchzulesen und gegebenenfalls eine Anpassung der Einreiseunterlagen vorzunehmen. Gegebenenfalls gälten abweichende Einreisebedingungen für nicht deutsche Staatsbürger oder für Bürger aus Ländern mit höherem COVID Risiko. Die geltenden Bestimmungen zu COVID 19 für die gebuchten Flüge seien zu beachten und Informationen dazu gebe es auf der Website der jeweiligen Fluggesellschaft.

[7] Am 22. 1. 2021 druckte die Reisebüromitarbeiterin die Reiseunterlagen aus und brachte sie den Klägern nach Hause, wobei sie auf die Frage der Zweitklägerin, ob ein anderer Test auch möglich sei, einen PCR-Test für den Flug sowie einen neuerlichen PCR Test am Flughafen in Kuba erwähnte. Dass über die vorherrschende Reisewarnstufe des BMEIA gesprochen wurde oder dass zum Buchungszeitpunkt 20. 1. 2021 für Kuba bereits die Reisewarnstufe 6 bestand, konnte nicht festgestellt werden; über eine fünftägige Isolierung in der Hotelanlage wurde nicht gesprochen.

[8] Auf der Website des BMEIA war betreffend Kuba mit Stand 18. 2. 2021, unverändert gültig seit 2. 2. 2021, der Hinweis angeführt, dass bis auf weiteres vor allen touristischen und nicht notwendigen Reisen gewarnt werde und mit anhaltenden Einschränkungen im Flug- und Reiseverkehr sowie weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben weiterhin zu rechnen sei. „ Ab 6. 2. 2021 ist bei Einreise ein negativer PCT-RT für SARS-CoV-2 vorzulegen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Zusätzlich wird von einreisenden Passagieren ein COVID Test gemacht. Die Kosten belaufen sich derzeit auf 30 USD (zahlbar mit Kreditkarte) pro Person. Anschließend verpflichtende kostenpflichtige Quarantäne in einer vom kubanischen Staat bestimmten Einrichtung (zumeist Hotels). Weiterer kostenpflichtiger Test am 5. Tag nach der Einreise. Das Ergebnis soll zwischen 48 und 72 Stunden vorliegen.

[9] Am Tag des Abschlusses des Reisevertrages, dem 20. 1. 2021, war auf der BMEIA Website die soeben wörtlich wiedergegebene Information jedoch noch nicht enthalten.

[10] Am 12. 2. 2021 erkundigte sich der Erstkläger bei der Reisebüromitarbeiterin, ob das bisher von ihr Gesagte zu den PCR Tests noch gelte, was sie bestätigte, nachdem sie auf der Website des BMEIA nachgesehen hatte; die Einreisebedingungen für Kuba wurden ebenfalls noch durchgegangen, jedoch erwähnte die Reisebüromitarbeiterin nicht den dort seit 6. 2. 2021 aufgenommenen Hinweis auf die Durchführung eines kostenpflichtigen Tests am fünften Tag nach der Einreise, dessen Ergebnis zwischen 48 und 72 Stunden vorliegen solle. Welche Pflichten bzw welche Unterlassungen während dieser Zeit von Touristen verlangt würden, konnte nicht festgestellt werden.

[11] Am 12. 2. 2021 absolvierten die Kläger einen COVID-Antigen-Test mit negativem Ergebnis. Sie begaben sich am 13. 2. 2021 zum Flughafen München, ihnen wurde aber die Reise verweigert, weil sie keinen PCR Test vorwiesen.

[12] Nach ihrer Rückkehr und dem Hinweis der Reisebüromitarbeiterin, dass das nun ein Problem und möglicherweise 85 % an Stornogebühr zu verrechnen sei, einigten sich die Parteien auf eine Umbuchung, unter Anrechnung des bisher bezahlten Reisepreises, des Reisetermines auf 20. 2. 2021 und auf den Abflughafen Frankfurt am Main; die Reisebüromitarbeiterin hatte den Klägern geraten, den zweiten Reisetermin wahrzunehmen, weil sie keinen Anspruch auf Rückersatz hätten.

[13] Am 18. 2. 2022 druckte die Reisebüromitarbeiterin eine Reiseanmeldung aus, jedoch mit falschem Flugdatum und ohne Check-in-Zeiten bei den Hin- und Rückflügen, was wegen technischer Probleme hin und wieder vorkommt.

[14] Am 19. 2. 2021 erhielten die Kläger von der Erstbeklagten per Mail die Reiseunterlagen und entnahmen diesen, dass sie eine Beförderung zum Flughafen erst ab Passau erhielten und sie selbst verantwortlich seien, wie sie überhaupt über die Staatsgrenze nach Deutschland kämen. In den Unterlagen wurde neuerlich auf die Website des BMEIA hingewiesen.

[15] Die Kläger haben sodann am 18. und 19. 2. 2021 Recherchen durchgeführt, und zwar

- auf der Website des BMEIA betreffend Kuba;

- auf der Website des Automobilclubs ÖAMTC über Allgemeine Einreisebestimmungen nach Deutschland, wonach Österreich zum Risikogebiet zähle und daher bei Einreise eine Pflichtquarantäne anzutreten sei, wobei seit dem 14. 2. 2021 Tirol als Virusvarianten-Gebiet eingestuft werde und daher vorerst bis 3. 3. 2021 ein Einreiseverbot nach Deutschland aus Tirol gelte, jedoch Personen, die nur zur Durchreise in die BRD einreisten und Deutschland auf unmittelbarem Weg unverzüglich wieder verließen, von der Quarantänepflicht ausgenommen seien;

- auf der Website des ÖAMTC über Sonderregelungen für Bayern bei Einreise aus einem Risikogebiet, wonach Personen, die sich auf der Durchreise durch Deutschland befänden oder Personen in direkter An- oder Abfahrt zum Flughafen von der Test- und Quarantänepflicht ausgenommen seien;

- auf der Website der deutschen Bundesregierung über das Beförderungsverbot von Einreisenden aus den Virusvarianten-Gebieten für Personen per Zug, Bus, Schiff und Flug;

- auf der Website des BMEIA über Reise- und Sicherheitshinweise, wonach durch die Coronavirus-Schutzverordnung vom 29. 1. 2021 mit Wirkung vom 14. 2. 2021 ein Beförderungsverbot im grenzüberschreitenden Eisenbahn-, Bus-, Schiffs- und Flugverkehr für Personen aus Virusvarianten-Gebieten nach Deutschland bestehe und dass seit 14. 2. 2021 an der deutsch-österreichischen Grenze vorübergehend wieder Grenzkontrollen durch die deutsche Bundespolizei stattfänden;

- auf der Website des BMEIA, gültig seit 17. 2. 2021, über Deutschland mit Hinweis auf Grenzkontrollen seit 14. 2. 2021 und der Ausnahme von Test- und Quarantänepflicht bei Einreise zur Durchreise durch die BRD, wobei der jeweilige Ausnahmegrund bei der Einreise entsprechend glaubhaft gemacht und belegt werden müsse.

[16] Am 19. 2. 2021 hielt die Reisebüromitarbeiterin aufgrund einer Anfrage der Zweitklägerin bezüglich „Quarantäne“ in Kuba nochmals Rücksprache mit der österreichischen Botschaft in Kuba wegen der Einreisebestimmungen und bekam die Antwort, dass die Reisenden im Hotel bleiben müssten, bis sie das Ergebnis des vor Ort zu machenden PCR Tests hätten, sie sich während dieser Zeit jedoch normal in der Hotelanlage aufhalten könnten; dies und den Umstand, dass nach 20:00 Uhr die Hotelanlage nicht mehr verlassen werden dürfe, teilte sie der Zweitklägerin mit. Über sonstige Quarantänebestimmungen hat sich die Reisebüromitarbeiterin bei der Zweitbeklagten nicht informiert. Ob die Information auf der Website des BMEIA zu Kuba betreffend eines weiteren Tests am fünften Tag nach der Einreise richtig oder falsch gewesen sei, wurde nicht besprochen. Die Kläger nahmen dies aber als weitere Maßnahme an, weil in der Reiseanmeldung auf die Website des BMEIA verwiesen wurde. Sie gingen aufgrund der Information des BMEIA von einer zehntägigen Quarantäne in Kuba aus und hielten die Reise nun für nicht mehr zumutbar, weil sie nicht aus dem Hotel raus dürften.

[17] Weiters wurden die Kläger vom Autofahrerclub ÖAMTC „im Zusammenhang mit der Europäischen Reiseversicherung“ dahin beraten, dass sich die Lage in Kuba seit dem Zeitpunkt der Buchung der ersten Reise „total verändert“ hätte. Aufgrund dessen erklärten die Kläger mit Mail an die Erstbeklagte vom 19. 2. 2021, dem Tag vor Reiseantritt, um 23:55 Uhr, die Reise „wegen unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstände nicht anzutreten (Rücktritt wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage)“ und verlangten die Rücküberweisung des gesamten von ihnen gezahlten Betrags.

[18] Jedenfalls am 19. 2. 2021 bestand für ganz Kuba die (höchste) Reisewarnstufe 6 des BMEIA.

II. Anträge und Vorbringen der Parteien

[19] Die Kläger begehren von Vermittlerin und Veranstalterin zur ungeteilten Hand die Rückzahlung des gesamten Reisepreises von 6.186 EUR, einschließlich einer im Namen und auf Rechnung eines dritten Reiseversicherers im Gesamtpreis ausgewiesenen und bezahlten Prämie von 380 EUR für eine „KomplettSchutz“-Reiseversicherung sowie 520 EUR für einen von ihnen nach den Feststellungen gar nicht bezahlten Reiseteil (Zugfahrt nach Frankfurt), jedoch abzüglich eines rücküberwiesenen Betrags von 111 EUR. Sie stützten dies auf Verletzung von Aufklärungs- und Informationspflichten, fehlerhafte Beratung und Vermittlung, aber auch auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände, die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigt und unzumutbar gemacht hätten.

[20] Die Beklagten halten dem unter anderem entgegen, dass unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände nicht vorgelegen seien. Den Klägern sei die Pandemiesituation von Anfang an bekannt gewesen, neue Umstände seien nicht hinzugekommen. Die Erstbeklagte sei als Reisevermittlerin nicht passiv legitimiert.

III. Bisheriges Verfahren

[21] Das Erstgericht gab der Klage (abgesehen vom Begehren auf Zahlung der gar nicht geleisteten 520 EUR) mit 5.666 EUR samt Zinsen statt und vertrat die Ansicht, die am 19. 2. 2021 festgestellte höchste Reisewarnstufe 6 erlaube den Rücktritt nach § 10 Abs 2 Pauschalreisegesetz (PRG), weil dadurch ungeachtet des Umstands, dass die Pandemie schon ein Jahr vorgeherrscht habe, außergewöhnliche Umstände verwirklicht seien. Für die Kläger sei auch nicht vorhersehbar gewesen, welche Beschränkungen auf der Anreise in Deutschland, aber auch in Kuba tatsächlich bestehen würden, was zusammengefasst zu einer Unzumutbarkeit der Reise geführt habe. Überdies hätten die Beklagten schadenersatzpflichtig machende Vertragswidrigkeiten zu verantworten, welche die Kläger zum Rücktritt berechtigt hätten.

[22] Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung auf. Die Voraussetzungen für einen entschädigungsfreien Rücktritt lägen nicht vor, weil die Kläger in Kenntnis der Pandemie und deshalb ergangener Warnungen vor touristischen und nicht notwendigen Reisen die Pauschalreise gebucht hätten, weshalb sie nicht schutzwürdig seien. Die zusätzliche Quarantäne nach dem bei Einreise nach Kuba zu absolvierenden Test sei kein die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigender, unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstand. Für Fehler bei den den Klägern mitzuteilenden Informationen anlässlich der Umbuchung würden zwar Reisevermittler und veranstalter haften, jedoch stünde nach der Vertragslage auch dann den Klägern, die bei richtiger Aufklärung die zweite Reise nicht angetreten hätten und denen die Versäumung des ersten Reisetermines selbst anzulasten sei, eine Rückzahlung des Reisepreises nur unter Abzug einer Entschädigungspauschale von 85 % des Preises der Reiseleistungen, nicht jedoch des Flugpreises zu; zu deren jeweiliger Höhe fehlten jedoch Feststellungen.

[23] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zur Klärung der Fragen zu, ob das Kriterium der mangelnden Vorhersehbarkeit auch für einen entschädigungsfreien Rücktritt Reisender von einem Pauschalreisevertrag gelte; ob bei der Beurteilung der Frage, ob die Durchführung einer Reise unzumutbar sei, auf einen durchschnittlichen Reisenden oder einen besonders risikofreudigen, eine im Hotel zu verbringende Quarantäne von sechs oder sieben Tagen nicht als erhebliche Beeinträchtigung der Reiseleistung beurteilenden Reisenden abzustellen wäre; und ob den in § 4 Abs 1 PRG enthaltenen Informationspflichten dann entsprochen sei, wenn die Informationen erteilt worden seien, bevor der Reisende durch einen Pauschalreisevertrag oder seine Vertragserklärung gebunden sei, ohne dass die Informationen im Zuge einer Umbuchung als Vertragsanpassung neuerlich erteilt werden müssten.

[24] Der Oberste Gerichtshof hat nun über den gegen die Urteilsaufhebung erhobenen Rekurs der Kläger zu entscheiden, mit dem diese die Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Ersturteils anstreben, während sich die Beklagte der Rechtsansicht des Berufungsgerichts anschließt und die Abweisung des Rekurses beantragt.

IV. Rechtsgrundlagen

Rechtliche Beurteilung

[25] 1. Die RL (EU) 2015/2302 lautet (auszugsweise):

ErwGr

Artikel 3

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

...

12. 'unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände' eine Situation außerhalb der Kontrolle der Partei, die eine solche Situation geltend macht, deren Folgen sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären;

...

Artikel 5

Vorvertragliche Informationen

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass dem Reisenden, bevor er durch einen Pauschalreisevertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, von dem Reiseveranstalter und, wenn die Pauschalreise über einen Reisevermittler verkauft wird, auch von dem Reisevermittler die jeweiligen Standardinformationen durch das zutreffende Formblatt gemäß Anhang I Teil A oder B bereitgestellt werden und er, sofern diese Informationen für die betreffende Pauschalreise relevant sind, über Folgendes informiert wird:

a) die wesentlichen Eigenschaften der Reiseleistungen:

f) allgemeine Pass- und Visumerfordernisse des Bestimmungslands, einschließlich der ungefähren Fristen für die Erlangung von Visa und gesundheitspolizeilichen Formalitäten;

Artikel 12

Beendigung des Pauschalreisevertrags und

Recht zum Widerruf vor Beginn der Pauschalreise

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Reisende vor Beginn der Pauschalreise jederzeit vom Pauschalreisevertrag zurücktreten kann. Tritt der Reisende gemäß diesem Absatz vom Pauschalreisevertrag zurück, so kann der Reiseveranstalter die Zahlung einer angemessenen und vertretbaren Rücktrittsgebühr verlangen. Im Pauschalreisevertrag können angemessene pauschale Rücktrittsgebühren festgelegt werden, die sich nach dem Zeitpunkt des Rücktritts vom Vertrag und der Dauer bis zum Beginn der Pauschalreise und den erwarteten ersparten Aufwendungen und Einnahmen aus anderweitigen Verwendungen der Reiseleistungen bemessen. In Ermangelung pauschaler Rücktrittsgebühren entspricht die Rücktrittsgebühr dem Preis der Pauschalreise abzüglich der ersparten Aufwendungen und Einnahmen aus anderweitigen Verwendungen der Reiseleistungen. Auf Ersuchen des Reisenden begründet der Reiseveranstalter die Höhe der Rücktrittsgebühren.

(2) Ungeachtet des Absatzes 1 hat der Reisende das Recht, vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr vom Pauschalreisevertrag zurückzutreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Im Fall des Rücktritts vom Pauschalreisevertrag gemäß diesem Absatz hat der Reisende Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen, jedoch auf keine zusätzliche Entschädigung.

...“

[26] 2. Das österreichische Pauschalreisegesetz – PRG, BGBl I 2017/50, das zur Umsetzung der RL (EU) 2015/2302 ergangen ist (§ 22 PRG), lautet auszugsweise:

„…

Begriffsbestimmungen

§ 2. …

(12) Unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände sind Gegebenheiten außerhalb der Kontrolle desjenigen, der sich auf sie beruft, sofern sich die Folgen dieser Gegebenheiten auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.

...

Vorvertragliche Informationen

§ 4. (1) Bevor der Reisende durch einen Pauschalreisevertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, hat ihm der Reiseveranstalter und, wenn die Pauschalreise über einen Reisevermittler vertraglich zugesagt wird, auch der Reisevermittler das jeweils zutreffende Standardinformations-blatt gemäß Anhang I Teil A oder B bereitzustellen und ihn, sofern diese Informationen für die betreffende Pauschalreise einschlägig sind, über Folgendes zu informieren:

1. die wesentlichen Eigenschaften der Reiseleistungen, nämlich:

6. allgemeine Pass- und Visumerfordernisse des Bestimmungslandes einschließlich der ungefähren Fristen für die Erlangung von Visa und für die Abwicklung von gesundheitspolizeilichen Formalitäten,

Rücktritt vom Pauschalreisevertrag

vor Beginn der Pauschalreise

§ 10. (1) Der Reisende kann vor Beginn der Pauschalreise jederzeit ohne Angabe von Gründen vom Pauschalreisevertrag zurücktreten. Tritt der Reisende nach diesem Absatz vom Pauschalreisevertrag zurück, so kann der Reiseveranstalter die Zahlung einer angemessenen und vertretbaren Entschädigung verlangen. Im Pauschalreisevertrag können angemessene Entschädigungspauschalen festgelegt werden, die sich nach dem zeitlichen Abstand zwischen dem Rücktritt und dem vorgesehenen Beginn der Pauschalreise sowie nach den erwarteten ersparten Aufwendungen und Einnahmen aus anderweitigen Verwendungen der Reiseleistungen bemessen. Wenn vertraglich kein Entschädigungspauschale festgelegt wurde, hat die Entschädigung dem Preis der Pauschalreise abzüglich der ersparten Aufwendungen und Einnahmen aus anderweitigen Verwendungen der Reiseleistungen zu entsprechen. Auf Verlangen des Reisenden hat der Reiseveranstalter die Höhe der Entschädigung zu begründen.

(2) Unbeschadet des Rücktrittsrechts nach Abs. 1 kann der Reisende vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer Entschädigung vom Pauschalreisevertrag zurücktreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Tritt der Reisende nach diesem Absatz vom Pauschalreisevertrag zurück, so hat er Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen, nicht aber auf eine zusätzliche Entschädigung.

...“

V. Vorlagefragen

[27] 1. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt maßgeblich von der Auslegung von Art 12 Abs 2 bzw Art 5 RL (EU) 2015/2302 ab, an der sich ihrerseits die Auslegung von § 10 Abs 2 und § 4 PRG zu orientieren hat. Nach Einschätzung des Obersten Gerichtshofs besteht hinsichtlich der eingangs gestellten Fragen kein acte clair.

[28] In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Fragen zu Art 12 Abs 2 RL (EU) 2015/2302 mit ähnlicher Stoßrichtung bereits mehrfach an den Europäischen Gerichtshof herangetragen wurden (zB OGH 3 Ob 35/22a = EuGH C 414/22 , DocLX [Frage 2; offen ]), zum Teil jedoch zufolge Zurückziehung der jeweiligen Rechtsmittel widerrufen werden mussten (zum Beispiel OGH 8 Ob 130/21g = EuGH C 193/22 [Frage 2]; LG Salzburg 22 R 29/21z = EuGH C 287/21 [insb Frage 2 und Frage 4]).

[29] 2.1. Über die Auslegung des Art 12 Abs 2 RL (EU) 2015/2302 , wonach dem Reisenden ein rücktrittsgebührenfreier Rücktritt zusteht, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände „auftreten“, bestehen im deutschsprachigen Schrifttum höchst unterschiedliche Auffassungen.

[30] Manche Autoren sehen es als unerheblich an, ob außergewöhnliche Umstände bei Vertragsabschluss oder bei Abgabe der Rücktrittserklärung oder erst kurz vor Reiseantritt vorliegen, und meinen, dass der kostenfreie Rücktritt bei Vorliegen solcher Umstände auch dann zustehen solle, wenn der Reisende sehenden Auges in Kenntnis einer Pandemie eine Pauschalreise – etwa in der (letztlich enttäuschten) Hoffnung, dass sich bis zum Reiseantritt die Lage wieder bessern werde – buche (vgl Führich , Rücktritt vom Pauschalreisevertrag vor Reisebeginn wegen Covid 19 Pandemie, NJW 2020, 2137 [2139 mwN in FN 22]).

[31] Teilweise wird dagegen die Auffassung vertreten, dass ein kostenloser Rücktritt nur mit solchen Ereignissen begründet werden könne, die bei der Buchung unvorhersehbar gewesen seien, da vorhersehbare Umstände nicht „unvermeidbar und außergewöhnlich“ wären ( Bammer/Treu , Reiserücktritt und Corona, ecolex 2020, 356 [358]; Treu in Bammer , PRG § 10 [2019] Rz 47 ; Lindinger , Erste Hilfe – das ABC der Corona-Entscheidungen im Reiserecht, ZVR 2021/224, 451 [453]). Wieder Andere betonen dagegen, dass der zum Rücktritt berechtigende Umstand nicht unvorhersehbar gewesen sein müsse (vgl Kolmasch in Schwimann/Kodek 5 [2021] § 10 PRG Rz 27 mwH; Kern , Leitfaden: COVID 19 und Reiserecht, VbR 2020/79, 128 [130]; Tonner in MüKo BGB 9 [2023] § 651h Rn 43); der letztgenannte Autor meint (aaO) aber auch, der Rücktrittsgrund müsse doch zwischen Vertragsschluss und Reisebeginn entstanden sein und es wäre treuwidrig, wenn der Reisende sehenden Auges einen Vertrag über eine Pauschalreise in ein bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses etwa von der Pandemie betroffenes Gebiet abschließe und danach zurücktrete (vgl Tonner , Hochrisikogebiete und kostenlose Reisestornierungen, VuR 2022, 1 [2]: „ venire contra factum proprium “). Eine Reihe anderer Autoren betont ebenfalls, nicht mehr schutzwürdig sei, wer trotz Kenntnis einer bestehenden Gefahrenlage seine Reise buche ( Löw , Pauschalreiserecht in Zeiten der Covid 19 Pandemie, NJW 2020, 1252 [1253]; derselbe , Die Auswirkungen von Epidemien und Pandemien auf Pauschalreise- und Luftbeförderungsverträge, ZVR 2020/73, 156 [158]; ebenso Treu in Bammer , PRG § 10 [2019] Rz 47 ; ähnlich Scherhaufer/Wukoschitz in Bammer , PRG § 2 [2019] Rz 49).

[32] 2.2. Anzumerken ist, dass im vorliegenden Fall die Zeitpunkte des Rücktritts und des Beginns der Pauschalreise (Art 3 Z 4 RL [EU] 2015/2302 ) nahezu zusammenfielen, sodass sich angesichts des Auseinanderfallens dieser Zeitpunkte stellende Auslegungsfragen, wie sie bereits an den EuGH herangetragen wurden (zB OGH 3 Ob 35/22a = EuGH C 414/22, DocLX [Frage 1]; Bundesgerichtshof X ZR 53/21 = EuGH C 584/22 , Kiwi Tours ), hier nicht entscheidungsrelevant sind.

[33] 3.1. Text und Erwägungsgründe der RL (EU) 2015/2302 geben keinen klaren Aufschluss darüber, welche vorvertraglichen Informationspflichten dem Reiseveranstalter und/oder der Reisevermittler in Ansehung von „gesundheitspolizeilichen Formalitäten“ in Art 5 Abs 1 lit f auferlegt werden sollen, und ob damit auch hier entscheidungsrelevante Umstände betreffend pandemiebedingte Maßnahmen am Urlaubsort gemeint sind.

[34] Der Gehalt von Art 5 Abs 1 lit f RL (EU) 2015/2302 erscheint auch insbesondere unklar, als einerseits diese Bestimmung nicht in der Aufzählung der Informationen in Art 6 Abs 1 enthalten ist, die „integraler“ (?) Bestandteil des Pauschalreisevertrages zu sein hätten, und andererseits Art 7 Abs 2 vorsieht, dass der Pauschalreisevertrag den gesamten Inhalt der Vereinbarung einschließlich unter anderem der in Art 5 Abs 1 lit f genannten Informationen zu enthalten habe.

[35] 3.2. Vorvertragliche Informationen sind nach Art 5 Abs 1 RL (EU) 2015/2302 zu erteilen, „bevor [der Reisende] durch einen Pauschalreisevertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist“, jedoch bleibt nach dem Wortlaut offen, ob und welche Informationspflichten in welchem Umfang bestehen, wenn nach dem Erstabschluss des Pauschalreisevertrages Teile davon neu verhandelt und in der Folge abgeändert vereinbart („umgebucht“) werden.

VI. Verfahrensrechtliches

[36] Als Gericht letzter Instanz ist der Oberste Gerichtshof zur Vorlage verpflichtet, wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass kein Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt. Solche Zweifel liegen hier vor.

[37] Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren über das Rechtsmittel gemäß § 90a Abs 1 GOG zu unterbrechen.

Rechtssätze
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  • RS0134336OGH Rechtssatz

    25. April 2023·1 Entscheidung

    Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist Art 12 Abs 2 der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 11. 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen (ABl L 326 vom 11.12.2015, Seite 1) dahin auszulegen, dass als am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe auftretende, unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen, und die den Verbraucher berechtigen, ohne Rücktrittsgebühr vom Pauschalreisevertrag zurückzutreten, und auf die sich der Reisende stützt, solche Umstände zu verstehen sind, die - bei Abschluss des Pauschalreisevertrages schon vorliegen können, oder - bei Abschluss des Pauschalreisevertrages noch nicht vorliegen dürfen, sondern erst zwischen diesem Zeitpunkt und - der Rücktrittserklärung, oder - dem Zeitpunkt des Beginns der Pauschalreise erstmals auftreten? 2. Ist Art 12 Abs 2 der genannten Richtlinie (EU) 2015/2302 dahin auszulegen, dass unter den dort genannten unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen solche zu verstehen sind, die - den Beteiligten bei Abschluss des Reisevertrages nicht bekannt sind; oder - den Beteiligten bei Abschluss des Reisevertrages bekannt sein dürfen; oder - für die Beteiligten bei Abschluss des Reisevertrages nicht vorher- oder absehbar sind; oder - für die Beteiligten bei Abschluss des Reisevertrages vorher- oder absehbar – gegebenenfalls nach welchen konkreten sich aus der Richtlinie ergebenden Kriterien – sein dürfen; oder - den Beteiligten bei Abschluss des Pauschalreisevertrages in groben Zügen zwar bekannt, aber in ihrer konkreten Ausformung noch nicht (allenfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit) abschätzbar sind (etwa ob infolge einer bereits seit [hier: mehr als zehn] Monaten bestehenden [hier: COVID-]Pandemie am Urlaubsort zusätzliche Testungen und/oder Ausgangs- bzw Freizügigkeitsbeschränkungen behördlich verfügt werden); oder - völlig unabhängig vom Kenntnisstand der beteiligten Personen, allenfalls aufgrund – gegebenenfalls welcher konkreter sich aus der Richtlinie ergebender – objektiver Kriterien zu bewerten sind? 3. Ist Art 5 der genannten Richtlinie (EU) 2015/2302 dahin auszulegen, dass unter dem Reisenden bereitzustellenden vorvertraglichen Informationen – insbesondere Angaben nach Art 5 Abs 1 lit f über "gesundheitspolizeiliche Formalitäten" – auch solche zu verstehen sind, die pandemiebedingt am Urlaubsort zu absolvierende Testungen und/oder Ausgangs- bzw Freizügigkeitsbeschränkungen betreffen? Im Fall der Bejahung der Frage 3: 4. Ist Art 5 der genannten Richtlinie (EU) 2015/2302 dahin auszulegen, dass im Fall, dass die Parteien die Bedingungen des Pauschalreisevertrages nach dessen Abschluss einvernehmlich abändern (anpassen; "umbuchen")  – etwa (wie hier) in Ansehung einzelner Reiseleistungen im Sinne des Art 5 Abs 1 lit a, wie Beförderungsleistungen, der Reiseroute oder des Reisetermins  –, die dem Reisenden bereitzustellenden vorvertraglichen Informationen ganz (auch wenn sie nicht von der "Umbuchung" betroffen sind) oder teilweise neuerlich oder aktualisiert bereitzustellen sind?