JudikaturJustiz4Ob18/20f

4Ob18/20f – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Priv. Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** W*****, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Helmut Trenkwalder, Rechtsanwalt in Linz, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Schneider Schneider Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 35.628,94 EUR sA Zug um Zug gegen Herausgabe eines Fahrzeugs, über den Rekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. November 2019, GZ 6 R 114/19f 41, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 3. Juli 2019, GZ 36 Cg 4/17m 36, im klagsstattgebenden Teil (Spruchpunkt 1.) aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.330,80 EUR (darin enthalten 388,47 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger und seine Ehegattin kauften am 2. 10. 2014 von der Beklagten ein Fahrzeug der Marke Opel zu einem Kaufpreis von 38.200 EUR; das Eintauschfahrzeug wurde mit 11.500 EUR bewertet. Das gekaufte Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der Übergabe Fehler in der Elektronik auf, die zur Tiefenentladung der Batterie führten. Über Reklamation des Klägers führte die Beklagte mehrere Reparaturversuche durch; der letzte Versuch fand im September 2016 statt. Trotz dieser Maßnahmen traten die Fehler weiterhin auf.

Mit Klage vom 19. 4. 2017 begehrte der Kläger (unter Berücksichtigung einer späteren Klagseinschränkung) die Rückzahlung von 35.628,94 EUR sA (Kaufpreis minus Gebrauchsvorteil von 2.641,06 EUR plus Spesen von 70 EUR) aus dem Titel der Gewährleistung. Dazu bot er die Zug um Zug Herausgabe des gekauften Fahrzeugs an. Mit Schriftsatz vom 21. 12. 2018 legte der Kläger eine Zessionsvereinbarung mit seiner Ehegattin vor, wonach ihm diese sämtlich ihr zustehenden Ansprüche aus dem zugrunde liegenden Kaufvertrag zur Geltendmachung abgetreten hat.

Die Beklagte entgegnete, dass die vom Kläger reklamierten Mängel behoben worden seien.

Die Nebenintervenientin und Lieferantin des Fahrzeugs bestritt in der Verhandlung vom 31. 8. 2018 die Aktivlegitimation des Klägers, weil das Fahrzeug von ihm und seiner Ehegattin gemeinsam gekauft worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 34.130 EUR sA Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs; das Mehrbegehren von 1.498,94 EUR wies es (unbekämpft) ab. Gestaltungsrechte wie die Wandlung müssten von allen Teilnehmern oder gegen alle Teilnehmer geltend gemacht werden. Einzelne Gläubiger seien nur bei Sicherstellung des Schuldners forderungsberechtigt. Eine solche Sicherstellung sei durch Übereinkunft aller Mitgläubiger oder durch gerichtliche Verwahrung der Sache zu leisten. Die genannte Übereinkunft könne bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nachgewiesen werden. Die Aktivlegitimation des Klägers sei daher gegeben. Das Fahrzeug sei von der Beklagten in mangelhaftem Zustand übergeben worden. Da der Mangel nicht geringfügig sei, komme dem Begehren auf Wandlung Berechtigung zu. Der angemessene Vorteilsausgleich für 27.050 km errechne sich mit 4.140 EUR.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Nebenintervenientin Folge und hob das Urteil des Erstgerichts im angefochtenen (klagsstattgebenden) Teil (Spruchpunkt 1.) auf. Die Aktivlegitimation des Klägers sei zu bejahen, weil die Übereinkunft zur Klagsführung des Klägers (hier in Form einer Inkassozession) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nachgewiesen werden könne. Verjährung sei nicht eingetreten, weil die Verbesserung der Mängel nur vom Kläger betrieben worden und es für die Beklagte nicht überraschend gewesen sei, dass zunächst nur der Kläger die Wandlung klagsweise begehre. Die angefochtene Entscheidung müsse aber aufgehoben werden, weil nicht klar sei, welche der ursprünglich vorhandenen Mängel zuletzt (im September 2016) noch vorhanden gewesen seien. Es könne daher nicht beurteilt werden, ob die vorhandenen Mängel nur geringfügig seien. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen einer Gläubigermehrheit höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Nebenintervenientin, der auf die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens abzielt.

Mit seiner Rekursbeantwortung beantragt der Kläger, das Rechtsmittel der Nebenintervenientin ab- bzw zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist wegen eines weiteren Erörterungsbedarfs zulässig, im Ergebnis (zufolge Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichts) aber nicht berechtigt.

1. Das klagsgegenständliche Fahrzeug wurde vom Kläger und seiner Ehegattin gekauft und steht im gemeinsamen Eigentum. Die Klage wurde nur vom Kläger erhoben; mit der Klage macht er ein Wandlungsbegehren aus dem Titel der Gewährleistung geltend.

Die von der Nebenintervenientin aufgeworfenen Fragen der Aktivlegitimation des Klägers und der Verjährung sind voneinander zu unterscheiden.

2.1 Mehrgliedrige Schuldverhältnisse sind in der Regel unteilbar; die Unteilbarkeit gilt insbesondere für Gestaltungsrechte (1 Ob 2005/96a; 3 Ob 21/13d). Das Recht zum Rücktritt vom Vertrag oder zur Wandlung ist ein solches Gestaltungsrecht.

Bei Gesamthandgläubigerschaft muss ein Gestaltungsrecht entweder von allen Gläubigern gemeinsam ausgeübt werden oder es muss der klagende Gläubiger den Nachweis erbringen, dass er aufgrund einer Übereinkunft mit den anderen Gläubigern allein zur Ausübung dieses Rechts befugt ist (RIS Justiz RS0017312; 9 Ob 63/19h). Die gemeinsame Ausübung erfordert allerdings nicht, dass die Erklärung gleichzeitig abgegeben wird (1 Ob 2005/96a; 3 Ob 21/13d).

2.2 Aus diesen Grundsätzen folgt, dass für die (gemeinsame oder alleinige) Ausübung des Rücktritts- oder Wandlungsrechts das ausdrückliche oder stillschweigende (einvernehmliche) Zusammenwirken aller Vertragsgenossen erforderlich ist. In dieser Hinsicht ist auch eine Einzelklagebefugnis denkbar, wenn der Kläger über die entsprechende Zustimmung seines Vertragsgenossen (bzw die Übereinkunft mit diesem) zur Geltendmachung des Gestaltungsrechts verfügt, wobei diese Zustimmung auch konkludent erteilt werden kann. Als Übereinkunft kommt etwa auch eine Bevollmächtigung oder eine Zessionsvereinbarung in Betracht.

2.3 Prozessual ist die gerichtliche Entscheidung aufgrund der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz zu fällen. Dieser Zeitpunkt ist auch für die Beurteilung der Aktivlegitimation maßgebend (2 Ob 246/08b).

Dies bedeutet, dass der prozessuale Nachweis für das gemeinsame Vorgehen der Vertragsgenossen oder für die Befugnis (Zustimmung bzw Übereinkunft) zum alleinige Vorgehen jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz vorliegen muss. Andernfalls mangelt es einem Kläger allein an der Klagslegitimation (vgl im Wohnungseigentumsrecht RS0108159; 5 Ob 21/09p).

3.1 Von der Frage der Sachlegitimation und deren prozessualen Nachweises ist die Frage zu unterscheiden, ob die besondere materiell-rechtliche Verjährungswirkung auch während der Prozesses eintreten kann und aus diesem Grund die Voraussetzungen für die Unterbrechungswirkung (hier Zustimmung aller Vertragsgenossen) schon zum eigentlichen Verjährungszeitpunkt (während des Prozesses und nicht erst zum Schluss der Verhandlung) vorliegen müssen.

Dazu ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn der Kläger die Forderung erst nach Eintritt der Verjährung durch (Inkasso )Zession erwirbt, die Unterbrechungswirkung nicht auf den Zeitpunkt der Klage zurückwirkt (RS0033022; RS0014617; 7 Ob 102/18b). Das Gleiche gilt, wenn die Zustimmung einer Gläubigermehrheit zur Klagsführung erforderlich ist (vgl 7 Ob 102/18b).

3.2 Im Anlassfall hat der Kläger eine Einzelklagebefugnis in Anspruch genommen und sich in dieser Hinsicht auf die (nachträgliche) Inkassozession durch seine Ehegattin berufen. Aus der Aktenlage ergibt sich dazu allerdings, dass der Kläger mit seinem Vorbringen zur Inkassozession nur auf den Einwand der fehlenden Aktivlegitimation durch die Nebenintervenientin reagieren und darlegen wollte, dass seine Ehegattin die Zustimmung zur Klagsführung erteilt hat. In diesem Sinn musste für die Beklagte und die Nebenintervenientin schon vor der Klagsführung klar sein, dass der Kläger die Durchsetzung der Ansprüche aus dem zugrunde liegenden Fahrzeugkauf im Interesse beider Ehegatten übernommen hat und dazu von seiner Ehegattin auch bevollmächtigt war. Dementsprechend hat er auch die Reklamationen und Verhandlungen zur Mängelbehebung stets allein vorgenommen, was von der Beklagten auch akzeptiert worden war.

Bei verständiger Würdigung und lebensnaher Betrachtung dieser besonderen Umstände liegt es nahe, dass der Kläger die Inkassozession als Nachweis seiner Einzelklagebefugnis verstanden hat, zwischen beiden Ehegatten aber von vornherein und damit auch schon bei Klagseinbringung Einverständnis darüber bestand, dass der Kläger die Ansprüche allein durchsetzen soll und seine Ehegattin dazu ihre Zustimmung erteilt hat. Diese Zustimmung ist an keine besondere Form gebunden und kann auch schlüssig erfolgen.

4. Da das rudimentäre Vorbringen des Klägers zu seiner Einzelklagebefugnis trotz seiner erkennbaren Bedeutung im erstinstanzlichen Verfahren nicht näher thematisiert wurde, muss dieses noch erörtert werden.

Daraus folgt, dass die Frage, ob das vom Kläger geltend gemachte Wandlungsrecht verjährt ist, noch nicht abschließend beurteilt werden kann. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die für die Verjährungsfrage relevante Frage des Zeitpunkts der Zustimmung der Ehegattin des Klägers zu dessen Klagsführung zu erörtern und dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, dazu ein präzises Vorbringen zu erstatten. Im Anschluss daran werden ergänzende Feststellungen zur Klagsführung des Klägers sowie – entsprechend dem Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts – zum Vorliegen eines geringfügigen Mangels zu treffen sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Da die unterlegene Nebenintervenientin nicht zum Kostenersatz herangezogen werden kann, ist die Beklagte, der die Disposition über den Rekurs der Nebenintervenientin offen gestanden wäre, zum Kostenersatz verpflichtet (RS0035816; RS0036057).