JudikaturJustiz4Ob17/97x

4Ob17/97x – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Februar 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Theo A*****, vertreten durch Dr.Siegfried Kommar und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei (richtig:) F***** reg.Gen.mbH, ***** vertreten durch Dr.Thomas Prader, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000), infolge Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 3.Oktober 1996, GZ 4 R 121/96k-15, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 2. April 1996, GZ 24 Cg 34/96z-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.550 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 2.925 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Vor der Gründung der im Firmenbuch des Landesgerichtees Eisenstadt eingetragenen beklagten Genossenschaft - auf deren vollen Firmenwortlaut (§ 4 Abs 1 GenG) ihre Bezeichnung richtigzustellen war - bestand eine Kommune auf der Grundlage gemeinschaftlichen Eigentums und Erwerbs. Bei Gründung der Beklagten als "Rechtsnachfolgerin" dieser Gemeinschaft wurde die schon zu Zeiten der Kommune angelegte Sammlung "F*****" von allen Kommunemitgliedern, die Genossenschafter wurden, in die Beklagte eingebracht. Auch der Kläger verzichtete mit Erklärung vom 8.April 1990 auf seine Ansprüche aus eingebrachtem Privateigentum, finanziellen Mitteln und sonstigen Gütern. Die Sammlung bestand und besteht aus drei Teilen; die "Sammlung 1: Wiener Aktionismus" umfaßt wesentliche Werke dieser Kunstrichtung. Der Kläger, der im Auftrag und auf Rechnung der Kommune tätig geworden war, hatte diese Werke zusammengestellt und ausgewählt. Sein Bestreben war es, eine komplexe und repräsentative Zusammenstellung dieser Strömung zustandezubringen. Die kunsttheoretischen Vorstellungen darüber, was überhaupt dazugehöre, waren unterschiedlich. Er entwickelte aufgrund von Gesprächen mit Künstlern, Kunstkritikern, Zeitzeugen und Mitläufern seine eigene Theorie über das Wesen des Wiener Aktionismus und die dafür repräsentativen Werke. Danach erarbeitete er Kriterien, nach denen er das Material für die Zusammenstellung der Sammlung auswählte; das war sehr arbeitsintensiv. So arbeitete er etwa auf der Grundlage seiner kunsttheoretischen und -historischen Vorstellungen gemeinsame künstlerische Gestaltungsprinzipien und Abgrenzungen heraus, die es ermöglichten, dementsprechend die Sammlung zu ordnen, zu systematisieren und methodisch zu erweitern. Auf dieser theoretischen Grundlage schied er einerseits Werke aus, die sonst teilweise der Kunstrichtung des "Wiener Aktionismus" zugeordnet wurden, andererseits nahm er auch zB Schüttbilder und Gerümpelskulpturen auf. Seine Analyse des vorhandenen Materials hatte nämlich ergeben, daß diese für eine Phase der Radikalisierung malerischer Positionen wesentlich waren, die weiter ging als die bis dahin bekannten Malereien des abstrakten Expressionismus und des Informel. Durch Erwerb, Tausch oder Schenkung brachte er Werke aus allen Schaffensperioden und Medien des Wiener Aktionismus zusammen, die heute in diesem Umfang und dieser Qualität nicht mehr erhältlich wären.

Zur Sicherung eines weiter gefaßten Unterlassungsanspruches begehrt der Kläger, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die "Sammlung 1: Wiener Aktionismus", bestehend aus den in der Beilage ./D im einzelnen angeführten Werken, auf welche Art auch immer, insbesondere durch Verkauf von Einzelstücken aus der "Sammlung 1: Wiener Aktionismus", zu bearbeiten (ON 8). Die Beklagte sei Eigentümerin der Kunstsammlung F*****. Diese sei das Ergebnis einer Idee, die der Kläger Anfang der 80iger Jahre als Konzept entwickelt, als Projekt initiiert und in den folgenden Jahren bis heute konkretisiert habe. Dieser Sammlung komme aufgrund ihrer Geschlossenheit, Vollständigkeit und konzeptionellen Einmaligkeit Werkcharakter im Sinne des Urheberrechtsgesetzes zu und sie könne sich auf den Schutz des § 6 UrhG stützen. Infolge der Zusammenstellung einzelner Beiträge zu einem einheitlichen Ganzen bilde diese Sammlung eine eigentümliche geistige Schöpfung, die in ihrer Gesamtheit als ein Sammelwerk und nicht als eine urheberrechtlich nicht geschützte bloße Sammlung zu betrachten sei. Dem Kläger stehe als dem Urheber des Sammelwerkes "Sammlung 1: Wiener Aktionismus" der gesamte Urheberrechtsschutz zu; er könne bei Eingriffen in diese Rechte auf Unterlassung klagen. Das gelte auch für alle Versuche, durch Änderung der Zusammenstellung oder teilweisen Verkauf von Einzelstücken aus dieser Sammlung eine "Bearbeitung" des Sammelwerkes vorzunehmen. Zwischen den Streitteilen bestehe ein Kuratoriumvertrag, nach welchem der Kläger ua im Hinblick auf die hier entscheidende Sammlung deren Wert dadurch erhöhen sollte, daß er in den nächsten Jahren Ausstellungen und Kooperationen mit Museen und Kulturinstituten organisieren, Gespräche mit den verantwortlichen Direktoren führen, die Publikation von Katalogen veranlassen und die Sammlung 1 nach Möglichkeit in einigen Punkten erweitern und inhaltlich verbessern sollte. Mit Vereinbarung vom 21. September 1994 sei zwischen den Streitteilen vereinbart worden, daß der Kläger aus Verkäufen Provisionszahlungen erhalte, wenn Verkäufe aus den Sammlungen vermittelt würden. Diese Vereinbarung sei mit 31.Dezember 1995 befristet worden. Die Beklagte habe aber den Kläger mit Schreiben vom 6.März 1995 davon in Kenntnis gesetzt, daß sie ab 1.Februar 1995 mit Hubert K***** einen Allenvermittlungsauftrag über Werke der Sammlung 1, befristet auf fünf Jahre, abgeschlossen habe. Der zwischen den Streitteilen bestehende Alleinvermittlungsauftrag sei aber nicht einvernehmlich aufgelöst worden. Als Urheber des Sammelwerkes "Sammlung 1 Wiener Aktionismus" sei der Kläger berechtigt, alle anderen Personen von einer Veränderung, Verwertung oder sonstigen Beeinträchtigung der Sammlung auszuschließen (ON 1). Zur Realisierung seiner Idee von der Sammlung der Werke des Wiener Aktionismus habe er umfangreiche Studien betrieben und persönliche Kontakte mit Vertretern dieser Kunstrichtung geknüpft. Bei der erforderlichen ordnenden und systematisierenden Tätigkeit und selektiven Auswahl sowie Zusammenstellung der Beiträge habe der Kläger seine persönliche Vorstellung vom Wiener Aktionismus zugrunde gelegt. Die Sammlung sei ausschließlich seine geistige Leistung und weise individuellen Charakter auf. Eine Urheberrechtsverletzung drohe deshalb, weil die Beklagte nicht nur einzelne Beiträge verkaufen wolle, sondern die Substanz der Sammlung zu verändern beabsichtige, da sie eine ganz andere Vorstellung vom Wiener Aktionismus habe (ON 8).

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die Sammlung 1 sei kein Sammelwerk im Sinne des § 6 UrhG. Kunstsammlungen als solche seien nicht schutzfähig. Das Sammeln und Sichten des Klägers sei nur nach rein äußeren Gesichtspunkten erfolgt; individuelle Ordnungsprinzipien seien nicht erkennbar. Sammeln, Forschen und Ordnen könnten kein "Werk" begründen. Selbst bei anderer Auffassung wäre für den Kläger nichts zu gewinnen, sei doch die Beklagte als Eigentümerin der Sammlung nicht verpflichtet, diese zu erhalten.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Ideen und Gedanken an sich seien urheberrechtlich nicht schutzfähig. Die Beiträge zu einem Sammelwerk im Sinne des § 6 UrhG könnten auch Werke der bildenden Künste (§ 3 UrhG) sein, weil das Gesetz insoweit nicht unterscheide. Eine Kunstsammlung könne daher grundsätzlich ein Sammelwerk sein. Das treffe daher auch auf die "Sammlung 1: Wiener Aktionismus" zu. Wenngleich die Anforderungen an die individuelle Leistung bei Sammelwerken nicht sehr hoch gestellt werden könnten, liege doch in der sammelnden, sichtenden und auswählenden Tätigkeit allein keine urheberrechtlich schützbare Leistung. Die notwendige Eigentümlichkeit müsse zumindest in der Auswahl und/oder Anordnung der aufgenommenen Beiträge liegen; erforderlich sei das Sammeln und Sichten oder Ordnen und aufeinander Abstimmen nach einem individuellen Ordnungsprinzip. Nach den Behauptungen des Klägers sei das alleinige Leitmotiv für die umstrittene Sammlung die repräsentative Darstellung dessen, was er unter "Wiener Aktionismus" verstehe. Daß der Kläger aufgrund seiner Informationssammlung zu einem von anderen Fachmeinungen abweichenden Ergebnis gekommen sei, mache die Sammlung noch nicht zu einem Werk, weil einer wissenschaftlichen Theorie der für den Werkcharakter vorausgesetzte, subjektiv schöpferische Ausdruck der Persönlichkeit fehle. Das Prinzip aber, Beiträge einer bestimmten Epoche der Kunstrichtung oder eines bestimmten Künstlers darzustellen, sei weder neu noch originell. Die Zusammenstellung der einzelnen Beiträge zur Sammlung 1 durch den Kläger sei nach rein äußeren Gesichtspunkten erfolgt. Ein eigentümliches Ordnungsprinzip sei ebensowenig feststellbar wie orignelle Kriterien der Zusammenstellung und Reihung der Werke. Insoweit habe der Kläger auch keine weiteren Behauptungen aufgestellt. Die umfangreichen Studien des Klägers zum Thema Wiener Aktionismus und seine Theorie seien nicht schutzfähig; das gleiche gelte für das Sammeln, Sichten und Auswählen bestimmter Beiträge. Die Geschlossenheit und Einzigartigkeit der Sammlung vermögen einen Werkcharakter nicht zu begründen. Diese Merkmale ergäben sich nämlich daraus, daß die einzelnen Beiträge einmalige Stücke und der Beklagten von den Künstlern zur Verfügung gestellt worden seien. Mangels Werkcharakters der Sammlung bestehe daher der Unterlassungsanspruch des Klägers nicht zu Recht.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es stellte ergänzend fest:

Die "Sammlung 1: Wiener Aktionismus" besteht aus 98 Werken von Otto Mühl, 41 Werken von Günther Brus, 27 Werken von Hermann Nitsch, zehn Werken von Rudolf Schwarzkogler, zehn Werken von Alfons Schilling, drei Werken von Kurt Kren, zwei Werken von Elke (Romilla) Doll, einem Werk von Adolf Frohner, einem Werk von Heinz Schlögelhofer sowie SW-Negativen von Aktionen von Brus-Mühl-Nitsch 1963 bis 1968. Manche Werke bestehen aus mehreren Einzelstücken.

In einem Katalog der Ausstellung "BRUS-MUEHL-NITSCH vom informel zum aktionismus August-September 84" im F***** heißt es auf Seite 3:

"vorwort

das archiv des wiener aktionismus hat sich zur aufgabe gestellt, die arbeit der künstler brus, muehl, nitsch und schwarzkogler zu sammeln, durch ausstellungen und publikationen zu dokumentieren und durch wissenschaftliche aufarbeitung in zusammenarbeit mit archiven, museen, stiftungen und forschungsinstituten der öffentlichkeit zugänglich zu machen.

das archiv umfaßt bilder, objekte, zeichnungen, collagen, relikte, foto, film, texte, originalmanuskripte, editionen, publikationen usw.

der schwerpunkt der sammlung liegt auf der in den 60-er-jahren als wiener aktionismus bekannt gewordenen phase im werk dieser künstler.

darüber hinaus soll auch die arbeit in den 70er- und 80-er-jahren im archiv erfaßt werden.

die erste ausstellung: brus-muehl-nitsch, vom informel zum aktionismus gibt einen einblick in die bisher getane arbeit und zeigt einen teil der sammlung.

projekte: - ausbau des "schüttkasten" zum ausstellungsgebäude mit archiv und bibliothek

danken möchte ich

theo a*****".

Rechtlich meinte das Rekursgericht, daß nicht jede aus verschiedenen Beiträgen zusammengestellte Sammlung ein Sammelwerk im Sinne des § 6 UrhG sei. Im Sammeln, Auswählen und in der sichtenden Tätigkeit, die jeder bedeutende Kunstsammler und jeder Museumsdirektor entwickelt, sei noch keine urheberrechtlich in Betracht kommende Leistung zu erblicken, genösse doch sonst jede Sammlung, die ein Sammler nach einem bestimmten Konzept anlegt, urheberrechtlichen Schutz. Dazu habe der Kläger kein schlüssiges Vorbringen erstattet. Da bloße Ideen und Gedanken nicht Gegenstand des Urheberrechtsschutzes seien, müsse auch bei einem Sammelwerk zu der grundlegenden Idee oder der bereits im Kopf des Urhebers bis ins Detail entwickelten Konzeption eine nach außen in Erscheinung tretende Formung dieser Idee oder Konzeption treten, die sie als eigentümliche geistige Schöpfung des Urhebers für andere erkennbar mache. Auf die bloß auswählende und sichtende Tätigkeit eines Sammlers treffe das nicht zu. Selbst wenn diese Tätigkeit in die Erstellung einer Bestandliste der Sammlung münde, sei eine geistige Schöpfung, die sich in der Art der Zusammenstellung, der Gliederung, der Auswahl und Anordnung der Sammlung manifestieren würde, nicht erkennbar. Durch die Bestandliste allein werde niemand darüber aufgeklärt, warum gerade diese Werke vom Sammler in die Liste aufgenommen wurden. Wollte der Sammler einzelne Stücke aus seiner Bestandsliste entfernen und dafür andere aufnehmen, wäre der Grund auch dafür nicht nachvollziehbar. Im Falle einer Kunstsammlung wäre ein Sammelwerk dann denkbar, wenn der Schöpfer diese in Räumlichkeiten nach einer ganz bestimmten Konzeption aufstellt und diese dem Betrachter - etwa durch erklärende Texte zur Gesamtkonzeption und den einzelnen Werken - auch offenlegt. Ein Sammelwerk könnte auch dann eine geistige Schöpfung bilden, wenn die Aufstellung der Kunstwerke nach einer bestimmten Konzeption zwar nicht mehr vorhanden ist, aber doch - zB durch eine genaue Fotodokumentation der Aufstellung, in der jedes Einzelwerk erkennbar ist, und erklärende Texte - das Konzept des Schöpfers der Aufstellung deutlich erkennbar wird. Schließlich könnte auch dann ein Sammelwerk im Sinne des § 6 UrhG angenommen werden, wenn die einzelnen Kunstwerke zwar nicht nach einem bestimmten Konzept aufgestellt wurden, aber etwa in einem Buch durch Abbildung (allenfalls sogar nur durch genaue Beschreibung) nach einem bestimmten Konzept ausgewählt, gegliedert und angeordnet werden und dieses Konzept auch in einer Art erläutert wird, daß es für den Betrachter erkennbar und nachvollziehbar ist. Nichts dergleichen habe der Kläger getan. Er habe lediglich eine Bestandsliste angelegt, bei der überdies auffalle, daß darin neben den von ihm wiederholt erwähnten Künstlern Bruhs, Mühl, Nitsch und Schwarzkogler, auch Werke von Frohner, Kren, Schlögelhofer, Schilling und Doll enthalten seien, ohne daß irgendwann ausgeführt worden wäre, warum auch diese in die Sammlung aufgenommen wurden. Der Kläger habe auch nicht vorgebracht, daß er in irgendeiner Form seine Konzeption der Sammlung in einer für den Betrachter nachvollziehbaren Weise dargestellt habe. Sein Vorwort zur Ausstellung "Brus-Muehl-Nitsch von informel zum aktionismus" könne nicht als Erklärung seines Konzeptes der Sammlung angesehen werden. Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe daher nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist nicht berechtigt.

Nach § 6 UrhG werden Sammlungen, die infolge der Zusammenstellung einzelner Beiträge zu einem einheitlichen Ganzen eine eigentümliche geistige Schöpfung sind, als Sammelwerke urheberrechtlich geschützt; die an den aufgenommenen Beiträgen etwa bestehenden Urheberrechte bleiben unberührt. Bei Sammelwerken drückt sich die jedem urheberrechtsschutzfähigen Werk notwendige Eigentümlichkeit in der Auswahl und/oder der Anordnung der aufgenommenen Beiträge aus. Das bloße Aneinanderreihen oder Einteilen nur nach äußeren Gesichtspunkten genügt hiefür nicht; vielmehr ist das Sammeln und Sichten oder Ordnen und Aufeinanderabstimmen nach einem bestimmten Leitgedanken erforderlich (v.Gamm, UrhG, Rz 5 zu § 4 dUrhG;

Möhring/Nicolini, UrhG, Anm 2a und 4 zu § 4 dUrhG; Vinck in Nordemann/Vinck/Hertin, Urheberrecht8, Rz 1 und 2 zu § 4 dUrhG;

Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, Rz 7 zu § 4 dUrhG; ÖBl 1994, 182 - Das österreichische Recht). Das Sammelwerk muß in vollem Umfang - anders als die aufzunehmenden Beiträge, bei denen es auf einen schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad nicht ankommt - den Voraussetzungen des § 1 Abs 1 UrhG genügen (v.Gamm aaO Rz 7). Auch für das Sammelwerk bedarf es daher einer konkreten Formgestaltung zu einem einheitlichen, in sich selbständigen Werk (v.Gamm aaO). Das Sammelwerk wird rechtlich als ein eigenes Werk neben den Beiträgen, die es enthält, behandelt (Hubmann/Rebinder, Urheber- und Verlagsrecht8, 111; Loewenheim aaO Rz 1).

Beispiele für Sammelwerke sind Lexika, Enzyklopädien, Anthologien, Koch- und Adressbücher, Literatur- und Rechtsprechungskarteien, Ausstellungskataloge, Zeitungen, Zeitschriften und dergleichen (Möhring/Nicolini aaO Anm 2c; Hubmann/Rebinder aaO).

Die besondere Natur des Sammelwerks hat zur Folge, daß der geistig-ästhetische Gehalt des Sammelwerks nicht in den aufgenommenen Beiträgen selbst gesucht werden kann; er findet vielmehr seinen Niederschlag in der dem Sammelwerk wesenseigenen Auslese und/oder Anordnung der aufgenommenen Beiträge. Er liegt daher auch bei der Sammlung von Werken der Tonkunst oder der bildenden und angewandten Kunst auf literarischem Gebiet (v.Gamm aaO Rz 8); eine solche Sammlung ist nicht selbst ein Werk der Tonkunst oder der bildenden Kunst, sondern ein literarisches Werk, weil es einen begrifflichen Inhalt - den Kombinationsgedanken des Herausgebers - ausdrückt (Hubmann/Rebinder aaO, Loewenheim aaO Rz 2 und 4; aM Vinck aaO Rz 1, welcher sich allerdings nur dagegen wendet, daß auch Sammlungen von Bildern oder Noten unter eine der im Urheberrechtsgesetz aufgezählten Werkarten gebracht werden, weil der Werkkatalog nicht geschlossen sei). Das künstlerisch gestaltete Arrangement von Sammelobjekten oder anderen Gegenständen wie Blumen, Bildern oder Münzen kann ein Kunstwerk sein, ist aber kein Sammelwerk; das gilt auch für eine künstlerisch gestaltete Aufhängung von Gemälden in einer Galerie (v.Gamm aaO Rz 7; Loewenheim aaO Rz 4). Selbst wenn man sich aber der gegenteiligen Meinung (Möhring/Nicolini aaO Anm 2 c; Schmieder, NJW 1957, 1446/1447) anschließen wollte, würde das hier am Ergebnis nichts ändern, weil der Kläger selbst nicht behauptet hat, daß er die verschiedenen Objekte der Sammlung 1: Wiener Aktionismus in origineller, schöpferischer Weise aufeinander abgestimmt, aufgestellt oder aufgehängt hätte. Er beruft sich allein darauf, daß die von ihm aufgrund der von ihm entwickelten Konzeption vorgenommene Zusammenstellung einzelner Werke der bildenden Kunst zu einem einheitlichen Ganzen eine eigentümliche geistige Schöpfung sei.

Dem Kläger ist zuzustimmen, daß die Sammlung von Kunstwerken ein Sammelwerk im Sinne des § 6 UrhG sein kann. Eine persönliche geistige Schöpfung ist zu bejahen, wenn das vorhandene Material gesammelt, gesichtet und unter individuellen Ordnungsgesichtspunkten zusammengestellt wird (BGH GRUR 1982, 37/39 - WK-Dokumentation; Loewenheim aaO Rz 8). Diese Voraussetzung hat der BGH - freilich ohne nähere Begründung - auch bei der Auswahl und Anordnung von Einzelwerken für eine Sammlung bedeutender Werke der Weltliteratur bejaht (GRUR 1954, 129 - Besitz der Erde). Sie wurde auch für eine Wanderausstellung angenommen, in der Ausstellungsstücke und Dokumente über ein historisch-politisches Thema - nämlich Ostdeutschland - gesammelt, ausgewählt und angeordnet wurden und die mit erläuternden Texten auf Stellwänden, Vitrinen, Pulten usw dargeboten wurde (OLG Düsseldorf Schulze OLGZ 246, 4; Loewenheim aaO Rz 4 und 8; Vinck aaO Rz 1).

Wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, läßt sich freilich im vorliegenden Fall weder dem Vorbringen des Klägers noch den Feststellungen entnehmen, nach welchen konkreten Leitgedanken die Sammlung angelegt wurde. Der Kläger hat die seiner Auswahl zugrundeliegende Theorie nicht im einzelnen dargelegt. Ob und inwieweit der nach den Prinzipien dieser Theorie vorgenommenen Auswahl die für jeden Werkcharakter erforderliche Individualität zukommt, kann somit nicht beurteilt werden. Darauf kommt es aber ohnehin nicht an, weil der Sicherungsantrag selbst bei Bejahung des Werkcharakters abzuweisen wäre:

Nach Meinung des Klägers droht ein Eingriff in sein Urheberrecht dadurch, daß einzelne Werkstücke aus der von ihm angelegten Sammlung verkauft, allenfalls andere dazu erworben und damit der Charakter der Sammlung verändert würde. Darin läge aber entgegen seiner Rechtsauffassung kein Eingriff in seine Rechte als Urheber, insbesondere wäre das keine Bearbeitung im Sinn des § 5 UrhG, aber auch keine Änderung im Sinn des § 21 UrhG. Die einzelnen Bestandteile der Sammlung - also die Werke von Künstlern aus dem Kreis des Wiener Aktionismus - sind nicht die Vergegenständlichung der Idee des Klägers, sind also nicht Teil seines - behaupteten - Sammelwerkes.

Schutzobjekt des Urheberrechtes ist die bestimmte Formung eines Stoffes, nicht aber der dem Werk zugrundeliegende, noch ungeformte Gedanke als solcher (MR 1996, 188 - AIDS-Kampagne mwN); daher sind

weder Gedanken an sich (SZ 37/179 = ÖBl 1965, 125 - Mecki-Igel ua)

noch Lehren, Methoden und Systeme (SZ 55/92 = ÖBl 1983, 59 -

Glücksreiter) schutzfähig. Der Schutz kommt nur dem formgewordenen Gedanken, unabhängig von seiner körperlichen Festlegung (v.Gamm aaO Rz 7; Kucsko, Österreichisches und europäisches Urheberrecht 22), zu, sofern nur das geistige Gebilde der Außenwelt erkennbar gemacht worden ist (Kucsko aaO). Die Ausformung der Idee des Klägers liegt in der mit den Mitteln der Sprache zum Ausdruck gebrachten - und im übrigen auch schriftlich niedergelegten (Beilage D) - Zusammenstellung all der Werke, die er zum Wiener Aktionismus rechnet. Diese geistige Leistung - ob sie nun Werkcharakter hat oder nicht - kann durch den Verkauf einzelner Kunstwerke, die nach seinen Gesichtspunkten zum Wiener Aktionismus gehören, aus der Sammlung in keiner Weise beeinträchtigt werden. Hier besteht nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht die Gefahr einer "Bearbeitung".

Selbst wenn man aber die - im Eigentum der Beklagten stehende - Sammlung als Werk der bildenden Kunst auffassen wollte, käme man zu keinem anderen Ergebnis. Dem Urheber eines solchen Werkes steht zwar dann, wenn eine unbefugte Änderung noch nicht erfolgt ist, aber droht, ein Unterlassungsanspruch nach § 81 UrhG zu. Erst dann nämlich, wenn das Urstück eines Werkes der bildenden Künste unbefugt geändert worden ist, kann der Urheber grundsätzlich nur noch verlangen, daß die Änderung auf dem Urstück als nicht vom Schöpfer des Werkes herrührend gekennzeichnet oder daß eine darauf befindliche Urheberbezeichnung beseitigt oder berichtigt werde (§ 83 Abs 1 UrhG) oder - unter weiteren Voraussetzungen -, daß ihm die Wiederherstellung gestattet werde (§ 83 Abs 2 UrhG). Dem Vorbringen des Klägers ist aber nicht die Befürchtung zu entnehmen, daß die drohende Veränderung, Verwertung oder sonstige Beeinträchtigung der Sammlung durch einen von der Beklagten beauftragten Vermittler zu einer "Bearbeitung" der Sammlung führten, die wiederum eine eigentümliche geistige Schöpfung des Bearbeiters wäre (§ 5 Abs 1 UrhG). In Wahrheit will der Kläger bloß Änderungen seines Werkes im Sinn des § 21 UrhG (Peter, Urheberrecht, Anm 2 zu § 5) hintanhalten.

§ 21 UrhG, welcher die Änderungen am Werk regelt, ist auch auf Sammelwerke anzuwenden (ÖBl 1994, 182 - Das österreichische Recht). Nach § 21 Abs 1 UrhG dürfen von den zur Werknutzung Berechtigten an den Werk selbst, an dessen Titel oder an der Urheberbezeichnung keine Kürzungen, Zusätze oder andere Änderungen vorgenommen werden, soweit nicht der Urheber einwilligt oder das Gesetz die Änderung zuläßt; zulässig sind insbesondere Änderungen, die der Urheber dem zur Benutzung des Werkes Berechtigten nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen nicht untersagen kann, namentlich Änderungen, die durch die Art oder den Zweck der erlaubten Werknutzung gefordert werden. Aus diesem Gesichtspunkt kann der vom Eigentümer mit der Sammlung Beauftragte dem Eigentümer nicht verbieten, die Sammlung zu vergrößern oder zu verkleinern, also in irgendeiner Weise zu ändern. Das widerspräche mangels gegenteiliger Vereinbarung zweifellos den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen. Daß sich aber die Beklagte gegenüber dem Kläger ausdrücklich dazu verpflichtet hätte, seine Sammlung für immer - abgesehen von durch den Kläger selbst vorgenommenen Änderungen - unberührt zu lassen, wurde nicht einmal behauptet.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1, § 52 ZPO.

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