JudikaturJustiz4Ob159/20s

4Ob159/20s – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. September 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Hon. Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH Co KG, *****, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.000 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Juli 2020, GZ 5 R 82/20w 21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Medieninhaberin des periodischen Druckwerk „K*****“, die Beklagte Medieninhaberin der Kaufzeitung „Ö*****“ und der Gratiszeitung „oe*****“. Die Zeitung „Ö*****“ erscheint seit 2006; bis Ende Juni 2018 wurde sie sowohl als Kaufausgabe als auch als Gratiszeitung verlegt. Seit 1. 7. 2018 erscheint „Ö*****“ ausschließlich als Kaufzeitung; die von der Beklagten verlegte Gratiszeitung trägt seit 1. 7. 2018 die Bezeichnung „oe*****“.

Die Streitteile sind Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse“, die halbjährlich Media-Analysen (MA) veröffentlicht, die der Erhebung der Reichweite von Printmedien in Österreich dienen. Seit 1. 7. 2018 erfolgt für die Kaufzeitung „Ö*****“ und die Gratiszeitung „oe*****“ eine eigene Erhebung; zudem wird ein überschneidungsfreier Kombinationswert gebildet.

Bis einschließlich zur MA 2017/18 war die M***** mit einem Wert vertreten, der sich auf „Ö*****“ (gratis) bezog. In der gedruckten Form der MA 2018 („Berichtsband“) wurde zudem der Halbjahreswert des neuen Mediums „oe*****“ (mit 324.000 Lesern) ausgewiesen. In der MA 2018/19 sind folgende Zahlen ausgewiesen:

„Ö*****“ (Kaufzeitung): 471.000 Leser bzw eine Reichweite von 6,3 %;

„oe*****“ (gratis): 338.000 Leser und eine Reichweite von 4,5 %;

„Ö*****/oe***** Kombi“ (Kauf/gratis): 695.000 Leser bzw 9,3 % Reichweite.

Am 11. Oktober 2019 veröffentlichte die Beklagte auf der Titelseite sowie den beiden Folgeseiten ihrer Zeitung „oe*****“ eine Eigenwerbung zu den Leserzahlen, in der anhand graphischer Darstellungen mit in Riesenlettern gehaltenen Zahlenangaben und Hervorhebungen die Behauptungen aufgestellt werden, dass

„oe*****“ nach den Angaben der MA 2018/19 schon im ersten Jahr nach Einführung und damit auf Anhieb 338.000 neue Leser und eine Reichweite von 4,5 % erreicht habe sowie

„oe*****.at“ alle Nachrichten am schnellsten und/oder als Erster veröffentliche.

Die Klägerin erhob mehrere Unterlassungsbegehren samt Eventualbegehren; zudem stellte sie ein Veröffentlichungsbegehren.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt und verbat der Beklagten

1.) im geschäftlichen Verkehr die Behauptungen zu verbreiten, dass

- die seit Ende Juni 2018 unter dem Namen „oe*****“ erscheinende Gratisausgabe nach der MA 2018/19 auf Anhieb schon im ersten Jahr 338.000 neue Leser und damit aus dem Stand 4,5 % Reichweite errungen habe, obwohl die Gratisausgabe der Tageszeitung der M***** schon seit Jahren in der MA ausgewiesen wird, oder

- die seit Ende Juni 2018 unter dem Namen „oe*****“ erscheinende Gratisausgabe nach der MA 2018/19 im Vergleich zur Vorperiode die Reichweite um 338.000 Leser gesteigert habe, obwohl die Gratisausgabe der Tageszeitung der M***** in der Vorperiode nach der MA 2018 eine Reichweite von 324.000 Lesern hatte, womit die Steigerung nur 14.000 Leser ausmacht;

2.) im geschäftlichen Verkehr die Behauptung zu verbreiten, dass „oe*****.at“ alle Nachrichten am schnellsten und/oder als Erster veröffentliche.

Zudem wurde die Beklagte schuldig erkannt,

3.) den stattgebenden Urteilsspruch (mit Ausnahme der Kostenentscheidung) in einer Freitagsausgabe am Titelblatt ganzseitig mit mindestens 16 Punkt großer und gleicher Schrift wie beim Rest des Textes zu veröffentlichen.

Die Irreführungseignung leite sich nicht aus der isoliert betrachteten Wiedergabe der Mediadaten, sondern aus der unrichtigen Werbeaussage ab, dass die angegebene Reichweite innerhalb eines Jahres nach dem Start erreicht worden sei. Dadurch werde suggeriert, dass das neue Medium besonders erfolgreich angelaufen wäre, obwohl die Zeitung seit 2006 existiere. Zur Behauptung der schnellsten Veröffentlichung bestreite die Beklagte gar nicht, dass diese Aussage falsch sei. Zur Urteilsveröffentlichung werde regelmäßig zwar kein berechtigtes Interesse an einer Platzierung der Veröffentlichung an einer bestimmten Stelle anerkannt. Diesem Grundsatz widerspreche es allerdings nicht, bei prominent platzierten rechtswidrigen Ankündigungen auf Titelseiten von Zeitungen ausnahmsweise die Ermächtigung zu einer Veröffentlichung des Urteils auf der Titelseite auszusprechen (4 Ob 148/10h).

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrer gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Das Berufungsgericht ist bei der Beurteilung sowohl des Irreführungstatbestands nach § 2 UWG als auch des Veröffentlichungsbegehrens von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Beklagte wiederholt in der außerordentlichen Revision dazu über weite Strecken nur ihren bisherigen Prozessstandpunkt.

2.1 Die Irreführungseignung zum ersten Unterlassungsbegehren betrifft die Aussage, dass nach den Reichweitenangaben der MA 2018/19 die angeblich neu eingeführte Gratiszeitung der Beklagten innerhalb nur eines Jahres eine besonders große Leserzahl und eine ungewöhnlich hohe Reichweite erreicht habe. Dadurch wird der Eindruck vermittelt, die Gratiszeitung der Beklagten habe von Beginn an bei den Lesern einen großen Zuspruch gefunden und sei besonders erfolgreich. Das Berufungsgericht wirft der Beklagten dazu vor, dass es die Gratiszeitung der Beklagten – mit entsprechenden Reichweitenangaben in der Media Analyse – bereits vor Juli 2018 gegeben und sie die Steigerungsrate nicht auf die Vorperiode bezogen hat (vgl dazu auch 4 Ob 194/19m und 4 Ob 219/19p).

Das Argument der Beklagten, dass der Halbjahreswert in der MA 2018 nicht vergleichbar und daher ohne jede Bedeutung sei, ist nicht entscheidend; außerdem führt die Beklagte dazu keine Begründung an.

2.2 Zum zweiten Unterlassungsbegehren bezieht sich die Irreführungseignung auf die Behauptung, dass die Nachrichten im Zeitungsportal der Beklagten am schnellsten, vor allen anderen Zeitungen, veröffentlicht werden.

Die Frage, welche Zeitung Nachrichten am schnellsten veröffentlicht, ist „messbar“ und – entgegen der Ansicht der Beklagten – kein reines Werturteil (vgl dazu 4 Ob 211/19m; 4 Ob 137/20f; vgl auch 4 Ob 101/19k).

Der Faktor „Schnelligkeit der Veröffentlichung“ ist bei Zeitungen besonders wichtig, weil die Leser vor allem brisante Nachrichten möglichst rasch erfahren möchten. Die Ankündigung besonderer Aktualität ist daher ein wichtiges Qualitätsmerkmal einer Tageszeitung und daher auch geeignet, die Leser bei ihrer Auswahl zu beeinflussen.

2.3 Auch zum Veröffentlichungsbegehren hat das Berufungsgericht die maßgebenden Rechtsgrundsätze richtig wiedergegeben (vgl 4 Ob 40/19i; 4 Ob 77/19f) und dazu – unter Hinweis auf die Entscheidung 4 Ob 148/10h – beurteilt, dass hier ein Ausnahmefall vorliege und bei prominent platzierten rechtswidrigen Ankündigungen auf Titelseiten von Zeitungen ausnahmsweise auch die Ermächtigung zur Veröffentlichung des Urteils auf der Titelseite ausgesprochen werden dürfe.

Allgemein gilt, dass das Gericht über das Veröffentlichungsbegehren nach pflichtgebundenem Ermessen auf der Grundlage der näheren Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden hat, wobei eine nähere Konkretisierung der Art der Veröffentlichung erfolgen soll, damit der Kläger nicht kostspielige Zusatzwünsche in Auftrag geben kann (RIS Justiz RS0105336). Als (Mindest-)Standard hat die Veröffentlichung im Regelfall in Normallettern zu erfolgen (4 Ob 40/19i). Bei den in einer Druckschrift begangenen Lauterkeitsverstößen ist die Urteilsveröffentlichung regelmäßig an der gleichen Stelle und in der gleichen Schrift vorzunehmen (RS0079607; 4 Ob 118/10x).

Dem Argument der Beklagten, dass Titelseitenveröffentlichungen aufgrund des medienrechtlichen Grundsatzes nach § 13 Abs 4 MedienG unzulässig seien, steht die lauterkeitsrechtliche Judikatur entgegen, wonach die Urteilsveröffentlichung bei Lauterkeitsverstößen – aufgrund unterschiedlicher Regelungssachverhalte und Wertungen im Vergleich zum Mediengesetz – gesondert zu beurteilen ist (4 Ob 118/10x; 4 Ob 148/10h). Die Ausführungen in der außerordentlichen Revision geben keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Mit der Behauptung, dass die beanstandeten Äußerungen weder auf der Titelseite noch in 16 Punkt großer Schrift (sondern kleiner) veröffentlicht worden seien, weshalb das für Druckschriften maßgebende „Talionsprinzip“ verletzt worden sei, weicht die Beklagte von der Sachverhaltsgrundlage ab. Da die hier beanstandete Eigenwerbung auf der Titelseite und den beiden Folgeseiten für den Leser als Einheit erscheint, ist auch das Argument nicht zielführend, dass die Äußerung zum zweiten Unterlassungsgebot erst auf der dritten Seite veröffentlicht worden sei.

3. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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