JudikaturJustiz4Ob141/98h

4Ob141/98h – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S*****gesellschaft mbH, 2. F***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Patenteingriffs (Streitwert S 1,000.000,--), infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 2. April 1998, GZ 4 R 41/98y-8, mit dem der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 18. Dezember 1997, GZ 17 Cg 23/97g-5, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerinnen begehren, der Beklagten zu verbieten, in Österreich ein - näher beschriebenes - Verfahren zum Herstellen von Spritzgußteilen und/oder eine Spritzgußform zur Durchführung dieses Verfahrens feilzuhalten und/oder zu vertreiben, welches Verfahren Anspruch 1 des EP 42 496 bzw welche Vorrichtung einen oder mehrere der Ansprüche 7, 8 und 15 des EP 42 496 verletzt. Der Geschäftsführer der Klägerinnen Franz S***** sei Inhaber des aufrechten Patentes E 42 496 (EP 162 037). Er habe den Klägerinnen ausschließliche Lizenzen eingeräumt. Die Beklagte greife in das Patent ein.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Sie habe gegen Franz S***** einen Feststellungsantrag eingebracht, der den angeblichen Eingriffsgegenstand betreffe. Die Entscheidung in diesem Verfahren sei für das vorliegende Verfahren präjudiziell. Die Beklagte beantrage daher, das Verfahren bis zur Rechtskraft der im Feststellungsverfahren ergehenden Entscheidung zu unterbrechen.

Die Klägerinnen sprachen sich gegen die Unterbrechung aus.

Das Erstgericht unterbrach das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des beim österreichischen Patentamt zu N 3/97 anhängigen Verfahrens. Das Verfahren sei präjudiziell, weil der angebliche Eingriffsgegenstand und der Gegenstand der Feststellungsentscheidung identisch seien.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Unterbrechungsantrag abwies, und sprach aus, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Nach § 156 PatG könne das Gericht die Gültigkeit oder Wirksamkeit eines Patentes selbständig als Vorfrage beurteilen, es sei denn, das Urteil hänge davon ab, ob das Patent nichtig sei. Das sei hier nicht der Fall. Die Entscheidung im Feststellungsverfahren sei für das vorliegende Verfahren nicht präjudiziell. Eine gegen den Patentinhaber ergehende Entscheidung binde die Klägerinnen als dessen Lizenznehmerinnen nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete (außerordentliche) Revisionsrekurs der Beklagten ist unzulässig.

Die Beklagte ist der Auffassung, daß der Rechtsmittelausschluß des § 192 Abs 2 ZPO nicht für solche Beschlüsse gelte, mit denen eine verfahrensleitende Anordnung abgelehnt wird. "Anordnung" sei (nur) als Willensbetätigung zur Veränderung eines bestehenden Verfahrens(zu)standes zu verstehen, nicht als dessen bloße Ablehnung. Die Anfechtbarkeit ablehnender Beschlüsse verzögere das Verfahren nicht, weil dem Rekurs keine aufschiebende Wirkung zukomme.

Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen:

Gemäß § 192 Abs 2 ZPO können die nach §§ 187 bis 191 erlassenen Anordnungen, soweit sie nicht eine Unterbrechung des Verfahrens verfügen, durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden. Nach ganz herrschender Lehre und Rechtsprechung steht der Rekurs gegen die genannten Beschlüsse nur zu, wenn eine Unterbrechung angeordnet wird. Die Ablehnung einer Unterbrechung ist nur anfechtbar, wenn die Unterbrechung zwingend vorgeschrieben ist (Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen4 I 811; Fasching II 937; Fucik in Rechberger, ZPO § 192 Rz 2 mwN; stRsp ua SZ 44/113; ÖBl 1973, 90; zuletzt 8 Ob 397/97h; RS0037058).

Diese Auffassung kann sich auf die Materialien zur ZPO stützen, wonach

"das Wesen der Prozeßleitung als einer vorbereitenden oder Hilfstätigkeit (es) rechtfertigt ..., daß ihretwegen nur insoweit Beschwerde geführt werden dürfe, als die Unzulässigkeit eines prozeßleitenden Beschlusses in dem durch die Prozeßleitung vermittelten und vorbereiteten Jurisdiktionsakte tatsächlich Spuren zurückgelassen hat" (Materialien zu den neuen österreichischen Zivilprozeßgesetzen I 266).

Es ist daher nicht richtig, daß der historische Gesetzgeber mit "Anordnungen" in § 192 Abs 2 ZPO nur verfahrensverändernde Verfügungen gemeint hätte. Dagegen spricht schon der Wortlaut der Bestimmung: Wären unter "Anordnungen" nur verfahrensverändernde Verfügungen zu verstehen, so wäre der Hinweis auf die §§ 190 und 191 überflüssig. Die §§ 190 und 191 ZPO regeln die Unterbrechung des Verfahrens; verfahrensverändernd wirkt nur die Stattgebung des Unterbrechungsbeschlusses, nicht auch seine Abweisung. Da Beschlüsse, soweit sie eine Unterbrechung des Verfahrens verfügen, als anfechtbar ausgenommen sind, verblieben - wenn unter "Anordnungen" nur verfahrensverändernde Verfügungen zu verstehen wären - keine Beschlüsse mehr, deren Unanfechtbarkeit festzusetzen wäre, wie es durch den Hinweis auf die §§ 190 und 191 geschieht.

Die von der Rechtsmittelwerberin vertretene Auffassung kann auch nicht darauf gestützt werden, daß § 192 Abs 1 ZPO von der Aufhebung von Anordnungen spricht. Aufgehoben kann auch ein Beschluß werden, mit dem (zB) ein Antrag auf Verbindung abgewiesen wurde. Aus § 192 Abs 1 ZPO kann daher nicht abgeleitet werden, daß der Gesetzgeber unter "Anordnungen" nur verfahrensverändernde Verfügungen verstehe.

Daß auch die Anfechtbarkeit ablehnender Beschlüsse geeignet ist, das Verfahren zu verzögern, liegt auf der Hand. Auch wenn dem Rekurs keine aufschiebende Wirkung zukommt, hemmt seine Erledigung den Fortgang des Verfahrens.

Der Revisionsrekurs war zurückzuweisen.