JudikaturJustiz3Ob84/14w

3Ob84/14w – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U*****, vertreten durch Gloss Pucher Leitner Schweinzer Burger Gloss, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, wegen Aufhebung der Ehe, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 11. Dezember 2013, GZ 23 R 470/13k 22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 30. September 2013, GZ 2 C 80/12p 18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht hat die zwischen den Streitteilen am 12. Juni 2000 geschlossene Ehe gemäß § 37 EheG aufgehoben und ausgesprochen, dass das Alleinverschulden daran die beklagte Partei trifft. Die Aufhebung blieb unangefochten; das Rechtsmittelverfahren betrifft allein die Frage des Verschuldens, das das Erstgericht darin erblickt hat, dass die beklagte Partei (damals ein Mann, nun eine Frau) es unterlassen habe, vor der Eheschließung mit der klagenden Partei ihren „intensiven Wunsch, eine Frau zu sein“ sowie das vorhandene „Wissen“, eine Frau in einem männlichen Körper zu sein, zu erörtern. Das nur wegen des Verschuldensausspruchs angerufene Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen zum Wissen der beklagten Partei um die eigene Transsexualität und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts.

In ihrer außerordentlichen Revision bestreitet die beklagte Partei ein in Richtung Transsexualität gehendes gesichertes Wissen zum Zeitpunkt der Eheschließung; die beklagte Partei habe nur einen entsprechenden subjektiven, allerdings auch angezweifelten Wunsch in sich getragen, lieber eine Frau als ein Mann zu sein. Das festgestellte „Wissen“, eine Frau in einem männlichen Körper zu sein, reiche mangels gesicherter medizinischer Diagnose über das Vorliegen von Transsexualität nicht aus, eine Erörterungspflicht zu begründen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Feststellungen,

dass sich die beklagte Partei zum Zeitpunkt der Eheschließung als Frau fühlte, was sie der klagenden Partei verschwieg, und

dass die beklagte Partei dies schon seit der Pubertät so empfand und wusste, in Wirklichkeit eine Frau zu sein,

konnten die Vorinstanzen durchaus nachvollziehbar den Schluss ziehen, dass die beklagte Partei gegenüber der klagenden Partei eine entsprechende Mitteilungspflicht traf, selbst wenn eine medizinisch gesicherte Diagnose über die Transsexualität nicht vorlag. Dass die heterosexuell orientierte klagende Partei ein Recht hatte, von diesen Umständen (selbst wenn sie nicht gesichert waren) zu erfahren, bewegt sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl RIS Justiz RS0056356 zu einer Krankheit, deren medizinische Bedeutung dem Kranken nicht gänzlich bekannt ist).

§ 42 Abs 2 EheG knüpft das Verschulden an die zum Zeitpunkt der Eheschließung vorhandene positive Kenntnis des Aufhebungsgrundes (7 Ob 199/04x = SZ 2004/181), wobei der ein Verschulden begründende Informationsstand je nach Aufhebungsgrund variiert ( Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR [2011] § 42 EheG Rz 3). Der Schuldvorwurf beruht aber nicht auf der bloßen „Kenntnis“, sondern muss dahin gehen, dass dem Ehepartner bei Eingehung der Ehe ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann (7 Ob 199/04x = SZ 2004/181; Welser , Das Verschulden bei der Aufhebung und Nichtigerklärung der Ehe, RZ 1973, 185 [187]: „culpa in contrahendo“). Im vorliegenden Fall liegt dieses vorwerfbare Verhalten in der Verletzung der Pflicht, die klagende Partei über die für sie bedeutsamen Umstände zu informieren.

Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision der beklagten Partei zurückzuweisen.