JudikaturJustiz3Ob72/17k

3Ob72/17k – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Mai 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A*****, vertreten durch Thum Weinreich Schwarz Chyba Reiter Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Ing. A*****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner Partner Anwaltssocietät in Wien, wegen einstweiligen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 1. März 2017, GZ 23 R 48/17g 21, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts St. Pölten vom 29. November 2016, GZ 2 C 79/16x 2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde einvernehmlich geschieden. Im Scheidungsfolgenvergleich verpflichtete sich der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden: Antragsgegner) zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 189 EUR an die Klägerin und gefährdete Partei (im Folgenden: Antragstellerin). Ursprünglich hatte er Geldunterhalt für sieben gemeinsame Kinder zu leisten. Mittlerweile ist er nur noch für drei der Kinder sorgepflichtig.

Die im Sprengel des Erstgerichts wohnhafte Antragstellerin begehrt mit ihrer bei diesem Gericht zu Protokoll erklärten Klage vom in Wien lebenden Antragsgegner die Zahlung des bis 31. Oktober 2016 rückständigen Unterhalts von insgesamt 2.010 EUR sA sowie laufenden Unterhalts von 928 EUR monatlich ab 1. November 2016. Gleichzeitig beantragte sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO; damit möge der Antragsgegner ab 29. November 2016 zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts von 928 EUR monatlich verpflichtet werden.

Das Erstgericht erließ – ohne Anhörung des Antragsgegners – die beantragte einstweilige Verfügung mit Wirksamkeit bis zur rechtskräftigen Erledigung des Unterhaltsverfahrens.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners, mit dem dieser ausschließlich die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichts einwendete, nicht Folge. Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers sei hier nicht die Verordnung (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 (Brüssel IIa Verordnung) anwendbar, sondern die EuUVO. Diese regle sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit und sei universell anwendbar, also auch für reine Binnenfälle wie den hier vorliegenden. Das Erstgericht sei deshalb gemäß Art 3 lit b EuUVO örtlich zuständig.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Frage, ob der in Art 3 lit b EuUVO verankerte Aktivgerichtsstand der Unterhaltsberechtigten auch in reinen Binnenfällen zur Anwendung komme, bisher keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners, mit dem dieser den Ausspruch der Unzuständigkeit des Erstgerichts und die Überweisung des Provisorialantrags an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Josefstadt anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig .

Die Frage, ob die EuUVO auch für einen reinen Binnenfall wie den hier vorliegenden gilt (vgl dazu die ablehnende Stellungnahme von Weber , Die Zuständigkeitstatbestände des Art 3 EU Unterhalts-verordnung, EF Z 2012/3, 13 [14], der auf die mangelnde Regelungskompetenz der Europäischen Union für Binnensachverhalte verweist; gegenteilig Fucik in Fasching/Konecny 2 V/2 Vor Art 3 EuUVO Rz 15, der jedoch auch die – seinem Standpunkt widersprechende – herrschende Meinung in Deutschland wiedergibt, wonach die EuUVO auf reine Binnenfälle nicht anwendbar ist), stellt sich hier in Wahrheit (derzeit noch) nicht:

Für die Entscheidung über einen Provisorialantrag ist gemäß § 387 Abs 1 EO das Gericht zuständig, bei dem der Prozess in der Hauptsache zur Zeit des ersten Antrags anhängig ist. § 387 Abs 1 EO macht die Zuständigkeit des Prozessgerichts für die Bewilligung einstweiliger Verfügungen somit nur von dem Umstand abhängig, dass der Prozess zur Zeit des Antrags anhängig ist, die Klage also nicht im Rahmen amtswegiger Vorprüfung a limine zurückgewiesen wurde (RIS-Justiz RS0005066 [T1, T2]). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

An der Zuständigkeit des Prozessgerichts würde sich im Übrigen auch dann nichts ändern, wenn die Klage allenfalls in der Folge zurückgewiesen (oder gemäß § 261 Abs 6 ZPO an ein anderes Gericht überwiesen) werden sollte (RIS Justiz

RS0005045 [T3]). Ob das angerufene Gericht (noch) als Prozessgericht zuständig ist, hat in diesem Zusammenhang somit keine Bedeutung; soll § 387 Abs 1 EO doch gewährleisten, dass Anträge auf Bewilligung einstweiliger Verfügungen ohne Rücksicht auf strittige Zuständigkeiten in der Hauptsache ohne Verzug behandelt werden (RIS-Justiz RS0005066 [T9]).

Der Revisionsrekurs ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen, weil sie nicht auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962).