JudikaturJustiz3Ob592/56

3Ob592/56 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 1956

Kopf

SZ 29/80

Spruch

Das "Heimgangsrecht" erschöpft sich darin, dem in Dürftigkeit verfallenen Familienmitglied - nicht aber auch seinen Familienangehörigen - den erforderlichen Beistand durch Aufnahme in das Elternhaus zu gewähren.

Entscheidung vom 5. Dezember 1956, 3 Ob 592/56.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad St. Leonhard; II. Instanz:

Landesgericht Klagenfurt.

Text

Mit Übergabsvertrag vom 3. Jänner 1939 übergab Elisabeth P. ihrem Sohn, dem Beklagten, die Liegenschaft EZ. 75 Katastralgemeinde K., zu der auch das Haus K. Nr. 116 gehört. Den weichenden Geschwistern des Beklagten, darunter dem Kläger, wurde in diesem Übergabsvertrag das sogenannte "Heimgangsrecht bei der übergebenen Liegenschaft für den Fall der Not, Krankheit, Arbeitslosigkeit u. dgl." eingeräumt. Der Kläger bewohnte im damaligen Zeitpunkt mit seiner Familie, die nunmehr aus sieben Personen besteht, das Haus K. Nr. 116. Am 27. Juli 1953 verkaufte der Beklagte dieses Haus einem Roman F., der gegen den Kläger, der über keinen erweislichen Titel zur weiteren Benützung des Hauses verfügte, zu C 13/56 des Bezirksgerichtes Bad St. Leonhard einen Räumungstitel erwirkte und Räumungsexekution führt.

Der Kläger stellt nun das Begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihm in Zuhaltung des Übergabsvertrages vom 3. Jänner 1939, der zwischen dem Beklagten und Elisabeth P. abgeschlossen wurde, auf der Liegenschaft EZ. 75 Katastralgemeinde K. eine Wohnung für sieben Personen kostenlos zu übergeben, mit der Begründung, der Beklagte sei hiezu gemäß § 2 Abs. 4 des Übergabsvertrages, welcher die oben angeführte Bestimmung enthält, verpflichtet.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab, da das Heimgangsrecht nicht das Recht auf eine bestimmte Wohnung für sieben Personen umfasse; durch die erwähnte Vertragsbestimmung hätte der Kläger lediglich die Möglichkeit haben sollen, unter den im Übergabsvertrag angeführten Voraussetzungen im Elternhaus Aufnahme zu finden; dieses Recht umfasse aber nicht das Recht auf eine bestimmte Wohnung mit einem bestimmten Ausmaß.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Es führte aus, daß das Heimgangsrecht einen dem bäuerlichen Brauchtum entsprechenden, familienrechtlichen Anspruch eines alleinstehenden Familienmitgliedes, für die Zeit besonderer Bedürftigkeit in der Familiengemeinschaft wieder Aufnahme zu finden, darstelle. Eine Person, die sich einmal selbständig gemacht und einen eigenen Hausstand und eine eigene Familie gegrundet habe, sei nicht mehr im Elternhaus daheim, auf keinen Fall aber die Gattin und die Kinder. Das Wesen des Heimgangsrechtes liege in der Wiederaufnahme der Familiengemeinschaft, wodurch der Wiederaufgenommene eine Schlafstelle im Familienverband und einen Platz am gemeinsamen Tisch finde und sich nach Maßgabe seiner Fähigkeiten auch an der Erwerbstätigkeit der Familienmitglieder zu beteiligen habe. Der Zweck des Heimgangsrechtes erschöpfe sich darin, dem in Bedürftigkeit verfallenen Familienmitglied den erforderlichen Beistand zu gewähren. Wer sich aber selbständig gemacht und einen eigenen Hausstand gegrundet habe, finde den nötigen Beistand im eigenen Familienverband. Der Kläger verlange, daß ihm der Beklagte die Möglichkeit verschaffe, abgesonderte Räume zu bewohnen und einen selbständigen Haushalt mit seiner Familie auf der Liegenschaft des Beklagten zu führen. Einen derartigen Anspruch könne er aber aus dem Heimgangsrecht nicht ableiten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Einen Mangel des Berufungsverfahrens erblickt die Revision darin, daß auch das Berufungsgericht die vom Kläger beantragten und in erster Instanz nicht zugelassenen Beweise nicht aufgenommen habe, obwohl der Kläger keinen bestimmten Rechtsgrund in der Klage für seinen Anspruch angeführt, sondern nur den Sachverhalt geschildert habe.

Wie sich aus dem Vorbringen der Revisionsschrift selbst ergibt, handelt es sich hiebei um angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtet hat und die daher nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (so unter zahlreichen anderen SZ. XXII 106) nicht neuerlich aus dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 2 ZPO., der sich nur auf Mängel des Berufungsverfahrens bezieht, in dritter Instanz geltend gemacht werden können. Abgesehen davon hat der Kläger seinen Anspruch in der Klage ausdrücklich auf einen ganz bestimmten Rechtsgrund, nämlich das ihm im Übergabsvertrag eingeräumte Heimgangsrecht, gegrundet. Daß hinsichtlich des Heimgangsrechtes irgendwelche Nebenabreden getroffen worden seien, nach welchen dem Kläger im Falle der Not das Recht zustehe, vom Beklagten die Einräumung einer eigenen Wohnung für sich und seine siebenköpfige Familie zur selbständigen Haushaltsführung zu verlangen, oder dergleichen, hat der Kläger in erster Instanz überhaupt nicht vorgebracht und sich hinsichtlich des Umstandes, daß ihm das Heimgangsrecht eingeräumt worden sei, nur auf den vom Erstgericht ohnedies beigeschafften Akt C 13/56 des Bezirksgerichtes Bad Sankt Leonhard berufen, aus welchem sich keinerlei Feststellungen über den Umfang des Heimgangsrechtes ergeben, weiters auf seine Schreiben vom 14. April und 17. Mai 1956, welche lediglich die Aufforderung an den Beklagten enthalten, dem Kläger das Heimgangsrecht einzuräumen, sowie auf Parteienvernehmung, ohne auch nur mit einem Wort anzuführen, daß dieses Heimgangsrecht das Recht des Gebrauches oder der Fruchtnießung der Wohnung im gegebenen Falle nach der erklärten Parteiabsicht darstellen sollte. Der Kläger hat auch entgegen seinen Ausführungen in der Revision seinen Anspruch nicht als Schadenersatzanspruch wegen Verlustes seiner Wohnung im Hause K. Nr. 116 aus dem Verschulden des Beklagten bezeichnet, sondern sich ausdrücklich in der Klage die Stellung allfälliger Schadenersatzansprüche vorbehalten, ohne solche bisher geltend zu machen. Daraus ergibt sich aber einerseits, daß der Kläger seinen Anspruch im Verfahren vor dem Prozeßgericht lediglich auf das Heimgangsrecht gestützt hat, und andererseits, daß er nicht behauptet hat, dieses Heimgangsrecht gehe im gegenständlichen Fall nach der Parteiabsicht oder der zwischen der Übergeberin und dem Beklagten getroffenen Vereinbarung über den landläufigen Umfang hinaus. Mängel des Berufungsverfahrens, die darin gelegen sein sollen, daß auch das Berufungsgericht Beweise, die lediglich über das angebliche Wohnungsrecht im Hause K. Nr. 116 beantragt wurden, nicht aufgenommen habe, sind daher nicht gegeben.

Bei ihren Ausführungen zum Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geht die Revision von der nicht zutreffenden Voraussetzung aus, die Klage sei nicht auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt und es könne daher der Klagsanspruch auch aus dem Rechtsgrunde des Schadenersatzes berechtigt sein, der in Form von Naturalersatz begehrt werde. Hiezu ist auf das oben Gesagte zu verweisen, wonach der Kläger seinen Anspruch ausdrücklich auf das ihm im Übergabsvertrag eingeräumte Heimgangsrecht stützt und erklärt, die Geltendmachung allfälliger Schadenersatzansprüche sich vorzubehalten. Was aber das Heimgangsrecht anlangt, welches im Gesetze nicht geregelt ist, so muß den Untergerichten zugebilligt werden, daß diese über die Bedeutung und den Umfang dieses Rechtes nach dem Sprachgebrauch und dem bäuerlichen Brauchtum unterrichtet sind. Danach erschöpft sich das Heimgangsrecht darin, dem in Dürftigkeit verfallenen Familienmitglied - und nur diesem allein, nicht aber auch seinen Familienangehörigen - den erforderlichen Beistand durch Aufnahme in das Elternhaus zu gewähren. Der Beklagte begehrt dies aber gar nicht, sondern die Beistellung einer Wohnung für sich und seine Familie, die aus insgesamt sieben Personen besteht, welche Wohnung der von ihm bisher innegehabten gleichwertig sein müsse, wie sich aus dem Klagsvorbringen ergibt. Einen Beweis dafür, daß ihm ein solches Recht gegenüber dem Beklagten eingeräumt wurde, hat der Kläger nicht einmal angeboten, geschweige denn erbracht, weshalb dem Klagsanspruch die rechtliche Grundlage mangelt.