JudikaturJustiz3Ob580/87

3Ob580/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. März 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Kellner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jürgen W*** KG, Möbelcenter, Bürs, Bremschlstraße 4-8, vertreten durch Dr.Hans Widerin, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagten Parteien 1) Klaus M***, Betriebsleiter, Breubergstraße 6, D-6082 Mörfelden-Waldorf, 2) Konrad J***, Kaufmann, Bozzaristraße 7, D-8000 München, 3) Gerhart C***, Oberstudiendirektor, Geleitstraße 18, D-6053 Obertshausen,

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 8.486,78 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 771,53 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei lieferte am 9.4.1982 200 Handtücher, 207 Badetücher und 106 Tischtücher im Wert von S 137.968,-- an das Sporthotel "Hochtannberg" in Schröcken, das als Zubehör zu den Baurechten der 34 beklagten Parteien in deren Eigentum stand, und begehrte von ihnen zur ungeteilten Hand S 137.968,-- s.A. oder als Eventualbegehren die Zahlung dieses Betrages nach Kopfteilen im Verhältnis ihrer Baurechtsanteile, wobei sie vor allem vorbrachte, der auch früher schon für die beklagten Parteien tätige und bevollmächtigte Ing.M*** habe den Auftrag für die beklagten Parteien erteilt und eine allfällige Beendigung des Volmachtsverhältnisses sei der klagenden Partei ohne ihr Verschulden unbekannt geblieben.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, daß den Auftrag eine Firma "Hape-Service" für ihre eigene Rechnung erteilt habe. Das frühere Auftragsverhältnis mit Ing.M*** sei im Zeitpunkt der Bestellung der strittigen Ware schon beendet gewesen.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren und das Eventualbegehren ab.

Es traf im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Ing.M*** war von den beklagten Parteien oder von deren Treuhändern und Bevollmächtigten beauftragt und bevollmächtigt, alle mit der Errichtung und Einrichtung des Sporthotels "Hochtannberg" verbundenen Aufträge an verschiedene Firmen im Namen der beklagten Parteien zu erteilen, wobei sich diese Tätigkeit auf die Zeit von 1979 bis 1982 erstreckte. Auch der klagenden Partei wurden nach einer Ausschreibung und Prüfung der Anbote größere Aufträge erteilt, die nicht Gegenstand dieses Rechtsstreites sind. Nach einem Brand erfolgten in ähnlicher Weise Nachbestellungen bei der klagenden Partei.

Für den zur Lieferung vom 9.4.1982 führenden Auftrag hatte Ing.M*** ausdrücklich keine Deckung durch die beklagten Parteien, sondern in einer Besprechung am 12.3.1982 lehnten diese diese Bestellung ab, wohl aber erklärte die von den beklagten Parteien mit der Vermietung der einzelnen Appartements betraute von Peter W*** betriebene Firma H***, daß sie die Ware auf ihre Rechnung bestellen werde.

Ungeachtet dieser Vereinbarung erteilte Ing.M*** der klagenden Partei ohne Hinweis auf einen geänderten Auftraggeber den Auftrag, noch weitere Handtücher, Badetücher und Tischdecken an das Sporthotel Hochtannberg zu liefern. Die klagende Partei entsandte einen Angestellten zu Ing.M***, wo die Preise gleich der ursprünglichen Ausstattung gewählt wurden. Nach der Fixierung der bestellten Waren vergewisserte sich ein Angestellter des Ing.M*** in Gegenwart des Angestellten der klagenden Partei fernmündlich bei Peter W***, ob der Auftrag in Ordnung gehe, welcher seine Zustimmung erteilte. Daraufhin wurde der Bestellblock ausgefüllt. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Angestellte des Ing.M*** darauf hinwies, daß die Bestellung im Namen und auf Rechnung der Firma H*** erfolge. Die klagende Partei erkundigte sich nicht, ob die Bestellung so zu verstehen sei, wie sonst. Am Bestellblock, in der Auftragsbestätigung, am Gegenschein und in der Rechnung führte die klagende Partei die Miterrichtergemeinschaft Sporthotel Hochtannberg als Auftraggeber an.

Nach der Lieferung ersuchte Ing.M*** die klagende Partei, die Waren bei Peter W*** zu fakturieren. Die klagende Partei kam diesem Wunsch nach, erhielt aber auch von dort keine Zahlung. In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht von einer Vollmachtsüberschreitung durch Ing.M*** aus, für die die beklagten Parteien nicht einzustehen hätten. Auf eine Anscheinsvollmacht könne sich die klagende Partei nicht berufen, weil sie das Fehlen der Vollmacht erkennen hätte können. Im Gegensatz zu den früheren Bestellungen sei diesmal keine größere Ausschreibung, Angebotsüberprüfung und kein formeller Zuschlag erfolgt, sondern es sei auf eine kurzfristige Lieferung gedrängt worden und es hätten im Gegensatz zu sonst Besprechungen mit Peter W*** stattgefunden. Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß dem Eventualbegehren stattgegeben wurde. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, gelangte aber in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, daß Ing.M*** von der klagenden Partei gemäß § 1026 ABGB noch als Vertreter der beklagten Parteien angesehen werden durfte, weil ihr die Aufhebung der Vollmacht nicht bekannt gegeben worden sei. Die Beweislast dafür, ob der klagenden Partei dies mitgeteilt worden sei, treffe die beklagten Parteien. Die festgestellten Umstände hätten nicht für ein Fehlen einer Vollmacht gesprochen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision zulässig sei, und begründete diesen Ausspruch mit dem Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Beweislast in Fällen des § 1026 ABGB. Die Abweisung des Hauptbegehrens erwuchs in Rechtskraft. Die gegen die Stattgebung des Eventualbegehrens erhobene Revision der beklagten Parteien ist zulässig, weil soweit überblickbar, zur Beweislast bei einem Erlöschen der Vollmacht im Sinne des § 1026 ABGB - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorhanden ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Das Berufungsgericht hat auf den vorliegenden Rechtsfall die Bestimmungen des § 1026 ABGB angewendet, was zu folgendem Ergebnis führt: Der Vertreter (Ing.M***) hatte das strittige Rechtsgeschäft mit dem Dritten (klagende Partei) ausdrücklich für den Vertretenen (die beklagten Parteien) abgeschlossen, obwohl im Innenverhältnis die früher vorhandene Vollmacht zum Abschluß dieses Geschäftes aufgehoben worden war. Zwar ist auch der Fall des § 1026 ABGB ein Unterfall der Vollmachtsüberschreitung nach § 1016 ABGB. Die Besonderheit des § 1026 ABGB liegt aber darin, daß es nicht um die Überschreitung einer unaufgehobenen Vollmacht geht, sondern daß eine früher bestehende Vollmacht später ganz oder teilweise aufgehoben wurde und daß die Vollmachtsüberschreitung in einem gewissen Anschluß daran (Bezugnahme auf § 1025 ABGB und damit auf die dort vorausgesetzte Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit des Vertreters vgl. dazu Strasser in Rummel, ABGB Rz 44 zu §§ 1020 bis 1026) erfolgt. Ein solches Rechtsgeschäft ist für den Vertretenen im Gegensatz zur Regelung nach § 1016 ABGB verbindlich, wenn dem Dritten die Aufhebung der Vollmacht ohne sein Verschulden unbekannt war.

Grundsätzlich trifft die Beweislast für das Vorhandensein einer Vollmacht nicht den Vertretenen sondern denjenigen, der den Vertretenen aus einem vom Vertreter abgeschlossenen Geschäft in Anspruch nimmt. Der Dritte muß nicht nur beweisen, daß der Vertreter im Namen des Vertretenen gehandelt hat, sondern auch, daß die Vollmacht des Vertreters das abgeschlossene Geschäft deckte. Behauptet der Vertretene Einschränkungen der Vollmacht, liegt selbst in dieser Beziehung die Beweislast beim als Kläger auftretenden Dritten (Welser, Vertretung ohne Vollmacht 261 Anm.8; Rosenberg, Beweislast5, 315).

Von diesem Grundsatz schafft aber § 1026 ABGB eine Ausnahme: Hat der Machtgeber einmal wirksam eine Vollmacht erteilt und dies auch nach außen kundgegeben, dann muß er die Bevollmächtigung solange gegen sich gelten lassen, bis er den dadurch geschaffenen äußeren Tatbestand der Bevollmächtigung wieder beseitigt, indem er auch die Aufhebung der Vollmacht mit den verkehrsüblichen Mitteln und mit der verkehrsüblichen Sorgfalt kundgibt (Stanzl in Klang2 IV/1 879; vgl. HS 3.037). Hier wird also der sonst dem Dritten auferlegte Beweis durch eine Fiktion des Gesetzes ersetzt. Jede einmal wirksam erteilte Vollmacht wird zunächst als fortbestehend angesehen. Jetzt muß der Vertretene beweisen, daß die Vollmacht aufgehoben wurde und daß die Aufhebung der Vollmacht gehörig kundgegeben wurde. Die Formulierung des § 1026 ABGB kann dabei nicht so aufgefaßt werden, daß der Gesetzgeber eine bestimmte Negative (Nichtwissen des Dritten) zur Voraussetzung einer Rechtswirkung (Fiktion der Weiterwirkung der aufgehobenen Vollmacht) gemacht hat, in welchem Fall derjenige, der diese Rechtsiwrkung für sich geltend machen will, auch diese Negative beweisen müßte (Rosenberg a.a.O. 333). Sondern nach dem Sinn dieser Bestimmung (vgl. zur Entstehungsgeschichte Stanzl a.a.O. 878) tritt vielmehr die genannte Wirkung als Regelfall ein und es obliegt dann dem Vertretenen, den Ausnahmetatbestand eines Wissens oder schuldhaften Nichtwissens des Dritten darzutun, was bei Schlechtgläubigkeit übrigens einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des bürgerlichen Rechts entspricht. Der erkennende Senat vertritt also wie das Berufungsgericht die Auffassung, daß die Beweislast dafür, daß dem Dritten (klagende Partei) die Aufhebung der Vollmacht ohne sein Verschulden unbekannt war, den Vertretenen (die beklagten Parteien) trifft. Dieser Beweis liegt im vorliegenden Fall nicht vor. Die beklagten Parteien müssen daher das von ihrem früheren, mit der entsprechenden Vollmacht ausgestatteten Vertreter (Grundsatz der sogenannten hypothetischen Deckung, vgl. Strasser a.a.O. Rz 44) abgeschlossene Geschäft gegen sich gelten lassen.

Zum gleichen Ergebnis kommt man aber auch, wenn man mit Wilhelm (Jbl.1985, 449 bis 457) davon ausgeht, daß die Bestimmung des § 1026 ABGB nicht nur für den Widerruf einer Vollmacht gilt, sondern analog auch dann anzuwenden ist, wenn der Vertreter die ihm eingeräumte Vertretungsmacht ohne vorangegangenen Widerruf überschreitet, sofern sich die Überschreitung im Rahmen eines vom Vertretenen gesetzten "äußeren Tatbestandes" einer Anscheinsvollmacht hält und der Dritte nicht unredlich ist. Die Ausführungen der Revision zum Verschulden der klagenden Partei sind so auf den vorliegenden Einzelfall abgestellt, daß im Rahmen einer Zulassungsrevision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO darauf nicht einzugehen ist. Dies gilt auch für die in der Revision zwar angeführte, aber nicht näher ausgeführte Frage, ob der klagenden Partei die gewöhnlichen handelsrechtlichen Zinsen oder wegen gegebenem Verschulden am Zahlungsverzug die aus der Inanspruchnahme eines Bankkredites entstandenen höheren Zinsen gebühren.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 50, 41 und 46 ZPO.