JudikaturJustiz3Ob579/78

3Ob579/78 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Mai 1978

Kopf

SZ 51/60

Spruch

Der mündliche Widerruf einer letztwilligen Anordnung muß vor drei fähigen Zeugen, die zugleich gegenwärtig sind, erklärt werden

OGH 9. Mai 1978, 3 Ob 579/78 (OLG Wien 5 R 206/77; LGZ Wien 15 Cg 469/76)

Text

Zum Nachlaß der am 19. Juni 1976 verstorbenen Maria M gaben der Beklagte auf Grund des Testamentes vom 16. Juni 1975 und die Klägerin auf Grund des Gesetzes (unter Vorbehalt der Erbquote) bedingte Erbserklärungen ab. Beide Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen. Mit Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom 30. September 1976 wurde die Klägerrolle im Erbrechtsstreit der Klägerin zugeteilt.

Die Klägerin erhebt nun gegen den Beklagten Klage auf Feststellung, daß das von der Erblasserin am 16. Juni 1975 errichtete Testament infolge gültigen Widerrufes außer Kraft gesetzt worden und daher wirkungslos sei. Sie brachte vor, daß die Erblasserin den Beklagten zum Erben eingesetzt habe, weil er ihr versprochen habe, sie zu betreuen. Der Beklagte habe sich jedoch nach Kenntnis von der Erbseinsetzung um die Erblasserin nicht mehr gekümmert. Die Erblasserin habe sich am 16. Mai 1976 bei einem Ausflug, den sie mit Hans K. der Klägerin und deren Tochter Inge T unternommen habe, über das Verhalten des eingesetzten Erben beklagt und erklärt, daß sie ihr Testament widerrufe. Den drei anwesenden Personen sei bewußt gewesen, daß die Erblasserin mit der Erklärung, das schriftliche Testament zu widerrufen, ihren letzten Willen zum Ausdruck habe bringen wollen.

Der Beklagte bestritt den Widerruf des Testamentes und wendete ein, daß die behauptete Widerrufserklärung nicht den gesetzlichen Vorschriften entspreche, da die im Falle des Widerrufes nach dem Gesetz zur Erbin berufene Klägerin und deren Tochter als Zeugen ausgeschlossen seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme ab.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge und bestätigte das Urteil der ersten Instanz mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsausführungen der Revision lassen sich dahin zusammenfassen, daß sich der Widerruf einer letztwilligen Verfügung grundlegend von einer Erbseinsetzung unterscheide und daß daher die Bestimmung des § 594 ABGB nicht auf jene Fälle - extensiv - angewendet werden könne, in denen niemandem etwas zugedacht werde. Es sei auch davon auszugehen, daß der Widerruf eines Testamentes nicht so strengen Formvorschriften unterliege wie die Errichtung einer letztwilligen Verfügung. Eine sinngemäße Anwendung des § 594 ABGB auf den Widerruf einer letztwilligen Anordnung sei daher ausgeschlossen.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 719 erfordert der mündliche Widerruf einer gerichtlichen oder außergerichtlichen letztwilligen Anordnung so viele und solche Zeugen, als zur Gültigkeit eines mündlichen Testamentes erforderlich sind. In Anbetracht dieser klaren und eindeutigen Regelung kann keine Rede davon sein, daß für den mündlichen Widerruf einer letztwilligen Anordnung weniger strenge Formvorschriften gelten als für die Errichtung eines mündlichen Testamentes. Der mündliche Widerruf einer letztwilligen Anordnung muß daher vor drei fähigen Zeugen, die zugleich gegenwärtig sind, erklärt werden. Die relative Unfähigkeit der im § 594 ABGB angeführten Personen, bei letzten Anordnungen Zeugen zu sein, beruht auf ihrer vom Gesetz angenommenen Befangenheit. Es ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß aus demselben Gründe, nämlich wegen Befangenheit, nicht Zeuge des mündlichen Widerrufes einer letztwilligen Anordnung sein kann, wer durch den Widerruf auf Grund der gesetzlichen Erbfolge als Erbe berufen ist oder zu dem begünstigten gesetzlichen Erben in einem Naheverhältnis im Sinne des § 594 ABGB steht. In Anbetracht des Gründes der relativen Unfähigkeit zur Zeugenschaft kann es keinen Unterschied machen, ob jemand durch letztwillige Zuwendung bedacht oder durch Widerruf einer letztwilligen Verfügung in gleicher Weise begünstigt wird. Die Auslegung der Vorschriften der §§ 585, 594, 719 ABGB durch das Berufungsgericht begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken. Die von der Klägerin behauptete Widerrufserklärung ist, da nur ein fähiger Zeuge, nämlich Hans K, gegenwärtig war, ungültig.