JudikaturJustiz3Ob570/89

3Ob570/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. November 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***H***I - Paletten- und Holzindustrie Rohrbach/Lafnitz Gesellschaft m.b.H., Rohrbach a. d.Lafnitz, vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1) Josef H***, Tischlermeister, Greifenburg, Gries 1, und 2) Ruth P***, verehelichte H***, Geschäftsfrau, ebendort, beide vertreten durch Dr. Michael Mülner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen restl. 308.408,26 S sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 26. April 1989, GZ 2 R 49/89-31, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 2. Jänner 1989, GZ 21 Cg 358/87-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 12.919,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.153,25 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nicht mehr strittig ist im Revisionsverfahren, daß die klagende Partei der zweitbeklagten Partei im Jahr 1986 Holz zum angemessenen Preis von zusammen 653.281,26 S geliefert hat, worauf bisher nur 344.873 S bezahlt wurden, sodaß der Betrag von 308.408,26 S offen ist, sowie, daß der Erstbeklagte die persönliche Haftung für diese Schuld übernommen hat.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren in dieser Höhe statt; die Abweisung eines Mehrbegehrens erwuchs in Rechtskraft. Offen ist, ob es zu einer Tilgung dieser Klagsforderung durch Aufrechnung oder allenfalls zur Schuldübernahme durch einen Dritten kam und ob eine wirksame Aufrechnungseinrede der beklagten Parteien vorliegt.

Die beklagten Parteien haben dazu in ihrer Klagebeantwortung, in einem ergänzenden Schriftsatz und in der Tagsatzung vom 29. September 1987 insgesamt im wesentlichen folgendes vorgebracht:

Die Streitteile hätten vereinbart, daß eine Firma F*** (auch: F***), an welche die zweitbeklagte Partei das von der klagenden Partei gelieferte Holz nach Verarbeitung geliefert habe, die Haftung für die Klagsforderung bei vollständiger Haftungsentlassung der beklagten Parteien übernehme.

Falls in der Folge eine weitere Vereinbarung zwischen den Streitteilen über die Abdeckung eines mit 200.000 S verglichenen Betrages aus den Holzlieferungen der klagenden Partei zustande gekommen sein sollte, wäre dabei vorgesehen gewesen, daß die klagende Partei der zweitbeklagten Partei Schnittholz liefere und die klagende Partei von der zweitbeklagten Partei das hieraus gefertigte Leimholz abnehme und die hiefür gebührenden Rechnungsbeträge auf den Betrag von 200.000 S angerechnet würden. Da die zweitbeklagte Partei bisher Leimholz im Wert von 250.000 S geliefert habe, könne nur mehr ein geringer Betrag offen sein. Da jedoch die klagende Partei in der Folge vereinbarungswidrig kein Schnittholz zum vereinbarten billigen Fixpreis geliefert habe, sei dieser Vereinbarung die Grundlage entzogen.

Der Zweitbeklagten oder der M***- UND M*** GesmbH

stehe gegenüber der klagenden Partei aus laufender Geschäftsverbindung eine Gesamtforderung von 1,259.077,84 S zu, während die Lieferungen der klagenden Partei an die zweitbeklagte Partei 957.198,66 S ausmachten, sodaß ein Guthaben von 301.879,18 S bestehe. Die M***-M*** GesmbH habe ihre Forderungen gegen die klagende Partei an die zweitbeklagte Partei zwecks Geltendmachung durch Kompensation abgetreten.

In der Tagsatzung vom 9. November 1987 brachten die beklagten Parteien noch folgendes vor:

Die Zweitbeklagte habe sich im Mai 1987 über Wunsch der klagenden Partei auf Grund behaupteter Zahlungsschwierigkeiten der Firma F*** zur Zahlung eines Betrages von 250.000 S an die klagende Partei verpflichtet, wobei die Abstattung aus Leimholzlieferungen an die klagende Partei erfolgen sollte. Die Regelung sei unter der Bedingung getroffen worden, daß die klagende Partei der zweitbeklagten Partei Schnittholz zu einem den üblichen Preis um 1.000 S pro m3 unterschreitenden Preis liefere. Die klagende Partei habe diese Vereinbarung nicht zugehalten, so daß die Rechtsgrundlage für die Schuldübernahme weggefallen sei und schon erfolgte Verrechnungen auf den Klagsbetrag anzurechnen seien. Infolge der durch den Vertragsbruch der klagenden Partei nötigen Deckungskäufe sei der zweitbeklagten Partei überdies ein Schade in Höhe der Klagssumme entstanden, welcher aufrechnungsweise eingewendet werde. Die Geltendmachung der Kompensandoforderung, die zu diesem Zweck an die zweitbeklagte Partei abgetreten worden sei, werde nur für den Fall aufrechterhalten, als die Schuldübernahme der zweitbeklagten Partei aufrechten Bestand haben würde. Der Betrag von 250.000 S sei letztendlich eine Forderung der klagenden Partei gegen die Firma F***, nachdem die klagende Partei keine Schnittholzlieferungen mehr an die zweitbeklagte Partei durchgeführt habe. Die ermäßigten Lieferungen sollten zumindest so lange andauern, bis der Betrag von 250.000 S abgedeckt sei.

Nach Richterwechsel wurde gemäß dem Protokoll der Tagsatzung vom 28. März 1988 das Vorbringen der beklagten Parteien in der Tagsatzung vom 9. November 1987 nicht wiederholt und auch in dieser Tagsatzung protokollierte Zeugenaussagen nicht verlesen. Der Aufforderung des neuen Richters, die Lieferungen von LeimHolz an die klagende Partei, die zur Tilgung der Klagsforderung angerechnet worden seien, und die der Forderung von 1,259.077,84 S zugrunde liegenden Lieferungen aufzuschlüsseln, kamen die beklagten Parteien nicht nach.

Das Erstgericht nahm die behauptete Schuldübernahme durch die Firma F*** für den Klagsbetrag oder eine weitere Übernahme einer Schuld der Firma F*** von 250.000 S durch die zweitbeklagte Partei nicht als erwiesen an. Zu den von den beklagten Parteien behaupteten Guthaben aus einer laufenden Geschäftsverbindung könnten Feststellungen nicht getroffen werden, weil die beklagten Parteien die rechtserzeugenden Tatsachen nicht dargestellt hätten. Weil die Beklagten ihre Gegenforderung nur für den Fall aufrechnungsweise eingewendet hätten, als die Schuldübernahme aufrechten Bestand haben sollte, die Feststellung aber gegenteilig lautete, sei über die Gegenforderung nicht zu entscheiden.

Das Berufungsgericht verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens, übernahm die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und billigte auch dessen Rechtsansicht über die Gegenforderung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Als Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO machen die Beklagten geltend, daß nach dem Richterwechsel die bisher aufgenommenen Beweise nicht verlesen worden seien, was einen Verstoß gegen § 412 Abs 1 ZPO bedeute.

Dieser Nichtigkeitsgrund, über den noch keine bindende Entscheidung (vgl. Entsch. wie RZ 1988/61) erging, könnte aber nur vorliegen, wenn das Urteil von einem Richter gefällt worden wäre, der im Sinne des § 412 Abs 1 ZPO an der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht teilgenommen hat, wenn also der neue Richter das Urteil ohne jede Neudurchführung der Verhandlung gefällt hätte (Fasching, Kommentar III, 781; ZAS 1974/2 ÄRinnerÜ). Führt hingegen der neue Richter nach dem Richterwechsel die mündliche Verhandlung neu durch und unterbleibt bloß die Wiederholung eines Teiles der vom früheren Richter durchgeführten Verhandlung (im vorliegenden Fall unterblieb nur die Wiederholung des Vorbringens und die Verlesung der inhaltlich nahezu unergiebigen Aussage des Zeugen Herbert K*** in der Tagsatzung vom 9. November 1987), kann höchstens ein nicht mit Nichtigkeit behafteter Verfahrensmangel vorliegen, der gemäß § 196 ZPO sofort gerügt werden hätte müssen und dessen in zweiter Instanz versäumte Geltendmachung in dritter Instanz nicht nachgeholt werden kann (MietSlg 37.771).

Auch die Rechtsrüge kann nicht durchdringen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagten ihre Aufrechnungseinrede überhaupt von einer Bedingung abhängig machten, weil sie nach dem Richterwechsel ihr Vorbringen in der Tagsatzung vom 9. November 1987 nicht wiederholt haben, und ob sie mit der dazu angeführten Schuldübernahme diejenige durch die Firma F*** für den Klagsbetrag oder jene der zweitbeklagten Partei für eine Verbindlichkeit der Firma F*** von 250.000 S meinten. Einerseits wurde keine dieser behaupteten Schuldübernahmen erwiesen. Andererseits konnte mangels einer Substantiierung der Aufrechnungseinreden über die allfälligen Gegenforderungen nicht nur keine Feststellungen getroffen werden, sondern es war auch nicht möglich zu erkennen, welche Gegenforderungen überhaupt geltend gemacht werden. Dies gilt nicht nur für die angeblich "aus laufender Geschäftsverbindung" (mehr wurde nicht angegeben) zustehende Forderung von 1,259.077,84 S, sondern auch für den "in Höhe der Klagssumme" angeblich zustehenden Schadenersatzanspruch aus angeblich wegen einer Vertragsverletzung der klagenden Partei nötigen Deckungskäufen (über deren Ausmaß, Zeitpunkt u.dgl. nichts gesagt wird). Die Aufrechnungseinrede blieb daher von den Vorinstanzen mit Recht unbeachtet, was im Ergebnis ihrer Zurückweisung gleichkommt, sodaß auch kein dreigliedriger Spruch erforderlich war. Aus den gleichen Gründen kann auch eine Tilgung der Klagsforderung durch eine außergerichtlich vollzogene Aufrechnung nicht angenommen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt im Revisionsverfahren nicht 323.828,67 S, sondern nur mehr 308.408,26 S.

Rechtssätze
1
  • RS0036578OGH Rechtssatz

    19. Mai 1994·3 Entscheidungen

    Bei Eintritt eines Richterwechsels ist die mündliche Streitverhandlung gemäß § 412 ZPO neu durchzuführen. Die bloße Anwendung der Bestimmung des § 138 ZPO bildet keinen Ersatz für diese prozeßrechtliche Notwendigkeit. Die Richter, die das Urteil fällen - im Senatsprozeß gilt dies für jedes einzelne Senatsmitglied -, müssen an der gesamten mündlichen Streitverhandlung teilgenommen haben. Auch eine bloß vorübergehende Abwesenheit eines Senatsmitgliedes begründet bereits die Anwendung der Vorschrift des § 412 ZPO. Urteile von Richtern, die nicht an der ganzen mündlichen Streitverhandlung teilgenommen haben, sind gemäß § 477 Abs 1 Z 2 ZPO nichtig. Die mündliche Streitverhandlung muß wiederholt werden, wenn ein Richterwechsel während der mündlichen Streitverhandlung eingetreten ist. § 412 Abs 2 ZPO schafft gewisse Erleichterungen für die Wiederholung nach einem Richterwechsel. Die Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO tritt nur ein, wenn nach einem Richterwechsel während oder nach Abschluß einer mündlichen Verhandlung von dem neuen Richter ohne jede Verhandlung entschieden wird (Fasching III, 781). Nimmt der neue Richter an einer nach dem Richterwechsel anberaumten und durchgeführten Verhandlung teil, mag sie auch den Voraussetzungen des § 412 ZPO in keiner Weise entsprechen, dann ist die darauf beruhende Entscheidung niemals aus dem hier geltend gemachten Grund nichtig, sondern höchstens mangelhaft zustande gekommen (Rügepflicht nach § 196 ZPO !).