JudikaturJustiz3Ob531/85

3Ob531/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Huber, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Vormundschaftssache der am 31.Juli 1980 geborenen Marion A, 5020 Salzburg, Franz Wallack-Straße 29, infolge Revisionsrekurses der zum besonderen Sachwalter der Minderjährigen nach § 198 Abs.3 ABGB bestellten B C, 5010 Salzburg, Kaigasse 14-16, Postfach 533, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 23.Jänner 1985, GZ.33 R 876/84-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg vom 19. November 1984, GZ. P 72/82-7, bestätigt wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg vom 11.5.1982

wurde die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung als Amtsvormund des am 31.7.1980 geborenen unehelichen Kindes Marion A enthoben, die Mutter, Gerlinde A, zum Vormund und die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung unter Berufung auf § 198 Abs.3 ABGB zum besonderen Sachwalter des Kindes - wegen der schon vorher festgestellten Vaterschaft wohl nur mehr für die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche - bestellt. Kind und Mutter hatten damals ihren gewöhnlichen Aufenthalt in D bei Neumarkt am Wallersee, Gerichtsbezirks Neumarkt bei Salzburg, Verwaltungsbezirk Salzburg-Umgebung.

Am 14.11.1984 beantragte die genannten Bezirkshauptmannschaft, sie als besonderen Sachwalter zu entheben, weil Kind und Mutter in die Stadt Salzburg verzogen seien.

Mit Beschluß vom 19.11.1984 übertrug das Bezirksgericht Neumarkt bei Salzburg daraufhin seine Zuständigkeit zur Besorgung der vormundschaftsbehördlichen Geschäfte unter Berufung auf § 111 JN zur Gänze an das Bezirksgericht Salzburg, daß sie auch übernahm, wodurch die übertragung wirksam wurde.

Im genannten übertragungsbeschluß wies das Bezirksgericht Neumarkt bei Salzburg den oben erwähnten Enthebungsantrag der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung mit der Begründung ab, eine Enthebung könne nur nach Wegfall der Voraussetzungen des § 198 Abs.3 ABGB in Frage kommen, wozu nichts vorgebracht worden sei. Gegen die Abweisung ihres Enthebungsantrages erhob die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung Rekurs, weil sie für die weitere Führung der Sachwalterschaft nicht mehr zuständig sei. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes. Daß die Bestellung der Bezirksverwaltungsbehörde zum besonderen Sachwalter für das Wohl des Kindes nicht mehr erforderlich wäre, sei weder behauptet worden noch hervorgekommen. Aus dem analogen § 17 Abs.4 JWG ergebe sich, daß der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes nicht in jedem Fall zu einer önderung der Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde führen müsse.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung. Die Abweisung ihres Enthebungsantrages sei offenbar gesetzwidrig, weil sie eine örtlich unzuständige Behörde ohne dringliche Notwendigkeit zur weiteren Vertretung des Kindes zwinge. Daß die Enthebung von der Sachwalterschaft nur beim Wegfall der im § 198 Abs.3 ABGB genannten Voraussetzungen möglich wäre, sei ebenso unrichtig, wie die analoge Anwendung des § 17 Abs.4 JWG.

Rechtliche Beurteilung

Das außerordentliche Rechtsmittel ist unzulässig.

Eine Entscheidung ist im Sinn des § 16 AußStrG offenbar gesetzwidrig, wenn der Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß keine Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen können und trotzdem anders entschieden wurde (EFSlg.42.327 uva.), oder wenn die Entscheidung mit den Grundprinzipien des Rechtes in Widerspruch steht (EFSlg.42.328 uva.).

Die Beendigung der Sachwalterschaft (Kuratel) wird in dem durch das Sachwaltergesetz seit 1.7.1974 geänderten § 283 ABGB geregelt. Nach dessen ersten Absatz gilt für das Erlöschen der Sachwalterschaft oder Kuratel der § 249 ABGB. Der Sachwalter oder Kurator ist auf Antrag oder von Amts wegen zu entheben, wenn der Pflegebefohlene nicht mehr seiner Hilfe bedarf. Die §§ 254 und 257 ABGB sind sinngemäß anzuwenden (zweiter Absatz). Nach § 283 Abs.3 leg.cit. hat das Gericht im Rahmen seiner Fürsorgepflicht in angemessenen Abständen zu überprüfen, ob das Wohl des Pflegebefohlenen die Aufhebung oder önderung der Sachwalterschaft (Kuratel) erfordert.

Die im § 283 Abs.1 Satz 1 ABGB bezogene Bestimmung behandelt die Endigung der Vormundschaft durch den Tod des Minderjährigen und die Verpflichtung des Gerichtes, bei Tod oder Entlassung des Vormundes einen anderen zu bestellen. Sie regelt daher den hier zu entscheidenden Fall nicht.

§ 283 Abs.2 Satz 1 ABGB behandelt die Enthebung des Sachwalters (Kurators) auf Antrag oder von Amts wegen, wenn der Pflegebefohlene nicht mehr seiner Hilfe bedarf. Dafür bietet sich für die vorliegende Sachwalterschaft bisher kein Anhaltspunkt. Nach dem im § 283 Abs.2 Satz 2 ABGB bezogenen, sinngemäß anzuwendenden § 254 ABGB muß ein Vormund von Amts wegen entlassen werden, wenn er die Vormundschaft pflichtwidrig verwaltet, wenn er als unfähig erkannt wird oder wenn sich in Ansehung seiner solche Bedenklichkeiten äußern, welche ihn kraft des Gesetzes von der übernahme der Vormundschaft ausgeschlossen haben würden. Davon kann bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung keine Rede sein.

Der ebenfalls sinngemäß anzuwendende § 257 ABGB regelt die Berechtigung bzw. Verpflichtung des Vormundes, seine Entlassung zu beantragen, wenn während der Vormundschaft solche Gründe eintreten, die ihn kraft der Gesetze von der übernahme der Vormundschaft befreit bzw. ausgeschlossen hätten. Nach § 195 ABGB kann wider seinen Willen zur übernahme einer Vormundschaft ua. nicht angehalten werden, wer dieses Amt wegen der Entfernung seines Wohnsitzes von dem Vormundschaftsgericht nur schwer oder mit erheblichen Kosten ausüben könnte (freiwilliger Entschuldigungsgrund). Die im § 195 ABGB aufgezählten freiwilligen Entschuldigungsgründe gelten - abgesehen von ihrer auf natürliche Personen abgestellten Formulierung - für Bezirksverwaltungsbehörden schon deshalb nicht, weil diesen Vormundschaften, auf die sich die gesetzliche Amtsvormundschaft nicht erstreckt, nach § 20 JWG nur mit ihrer Zustimmung übertragen werden können bzw. es nach § 22 Abs.2 Satz 2 JWG ihrer Zustimmung nicht bedarf, wenn sie nach § 198 Abs.3 ABGB zum besonderen Sachwalter eines minderjährigen unehelichen Kindes für die Feststellung der Vaterschaft und zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruches bestellt werden.

Eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, daß das Vormundschaftsgericht die zum besonderen Sachwalter nach § 198 Abs.3 ABGB bestellte Bezirksverwaltungsbehörde bloß deshalb zu entheben hätte, weil das minderjährige uneheliche Kind (und dessen Mutter) den gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel einer anderen Bezirksverwaltungsbehörde genommen hat (haben), gibt es also nicht, insbesondere auch nicht im Jugendwohlfahrtsgesetz. Selbst dann, wenn das Mündel seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel einer anderen Bezirksverwaltungsbehörde als im § 17 Abs.1 bis 3 JWG vorgesehen ist, nimmt, wird die die Amtsvormundschaft führende Bezirksverwaltungsbehörde nicht unzuständig. Sie kann lediglich nach Abs.4 der zitierten Gesetzstelle bei der anderen Bezirksverwaltungsbehörde die Weiterführung der Amtsvormundschaft beantragen. Die andere Bezirksverwaltungsbehörde hat die Amtsvormundschaft weiterzuführen, wenn dies dem Wohl des Kindes bessertentspricht. Lehnt die andere Bezirksverwaltungsbehörde die Weiterführung der Amtsvormundschaft ab, so kann das Vormundschaftsgericht zur Entscheidung angerufen werden. Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß die bestätigende Entscheidung der zweiten Instanz weder einer eindeutigen gesetzlichen Regelung noch Grundprinzipien des Rechts widerspricht, weshalb sie nicht offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 AußStrG ist.

Der unzulässige außerordentliche Revisionsrekurs war deshalb zurückzuweisen.