JudikaturJustiz3Ob47/07v

3Ob47/07v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer sowie Dr. Jensik und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian M. Egger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Anton F*****, vertreten durch Dr. Anton Waltl, Dr. Peter Krempl und Mag. Manfred Seidl, Rechtsanwälte in Zell am See, wegen Unterlassung (Streitwert 10.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 7. Dezember 2006, GZ 53 R 438/06b-11, womit das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 13. September 2006, GZ 15 C 477/05a-7, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 665,66 EUR (darin 110,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagende Gesellschaft mbH ist Alleineigentümerin zweier Liegenschaften mit u.a. dem Grundstück 711, der Beklagte Alleineigentümer einer Liegenschaft mit dem Grundstück .8/8, ob der gemäß einem Kaufvertrag aus dem Jahr 1926 die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechts auf diesem Grundstück zugunsten einer der beiden Liegenschaften der klagenden Partei einverleibt ist. Zwischen den Objekten der Parteien verläuft ein rund 30 m langer Durchgang in Ost-West-Richtung auf der Liegenschaft des Beklagen, der im westlichen Teil 2,80 m breit ist. Ein 4,37 m nach dem westlichen Ende gelegener Holzverbau an der südlichen Hausmauer des Beklagten engt die Breite des Durchgangs auf 1,83 m ein. An beiden Enden desselben kann der Durchgang durch ein Metallgatter blockiert werden. Das geschieht nur, wenn in der Stadt „Festivitäten" stattfinden, zum Schutz vor Verschmutzung der Gasse.

Bei einer Bauverhandlung am 4. Mai 1936 verzichtete der Rechtsvorgänger der klagenden Partei auf das Durchfahrtsrecht. Die „klagende Partei" und deren Rechtsvorgänger benützten den Weg nur zum Durchgehen. Die [1978 und 1981 geborenen] Geschäftsführerinnen der klagenden Partei benützten ihn als Kinder auch mit Fahrrädern. Seit 1974 parkt der Beklagte fallweise - teilweise jeden Tag, dann wieder für eine Woche überhaupt nicht - sein „Fahrzeug" im westlichen Bereich des Durchgangswegs, wogegen der Rechtsvorgänger der klagenden Partei nie etwas einzuwenden hatte. Ein derart abgestelltes Fahrzeug bewirkt eine massive Verengung des Weges. Während ein Durchfahren überhaupt unmöglich wird, verbleibt je nach der Länge und der Position des abgestellten Fahrzeugs eine Breite zwischen 30 cm und 1

m. Schon seit Jahren kommt es immer wieder vor, dass Fahrzeuge, speziell des Beklagten, seiner Angestellten, Kunden und Handwerker in der beschriebenen Art abgestellt wurden. In den letzten zwei bis drei Jahren war das vermehrt der Fall.

Die klagende Partei machte den Beklagten nie darauf aufmerksam, ein Recht zum Durchgang zu haben. Bei dessen Unmöglichkeit wurden jedoch dieser oder dessen Mitarbeiter von „der klagenden Partei" darauf hingewiesen, dass „diese" den Weg als Durchgang benützen möchte. In solchen Fällen wurden die Genannten gebeten, ihr Fahrzeug wegzustellen. Vor mehr als zwei Jahren, wann exakt, steht nicht fest, wurde am Holzverschlag ein Schild mit der Aufschrift „Durchgang bis auf Widerruf gestattet" angebracht. Die „klagende Partei" benützte dessen ungeachtet den Durchgangsweg weiterhin.

Die klagende Partei begehrte mit ihrer am 21. September 2005 beim Erstgericht überreichten Klage vom Beklagten die Unterlassung, Fahrzeuge auf seinem näher bezeichneten Grundstück so abzustellen und zu parken, dass sie in der Ausübung des ihr vertraglich eingeräumten Geh- und Fahrtrechts auf diesem Grundstück des Beklagten beeinträchtigt wird. Sie habe ihr Recht regelmäßig ausgeübt; das feste Hindernis sei nicht angebracht worden, um das Durchfahren durch Berechtigte einzuschränken. Letztlich räumte sie ein, ein Rechtsvorgänger habe auf das Fahrtrecht verzichtet. Allenfalls sei ein durch Verzicht untergegangenes Durchgangsrecht ersessen worden. Der Beklagte wendete ein, die örtlichen Gegebenheiten verhinderten ein Durchfahren des Gässchens. Seit mehr als dreißig Jahren stelle er sein Fahrzeug dort ab und ebenso lange sei durch ein Gatter die Benützung unmöglich. Dem gemäß habe auch der Rechtsvorgänger der klagenden Partei auf die Ausübung der Dienstbarkeit verzichtet. Ein prekaristisch eingeräumtes Durchgangsrecht sei durch das Zuparken widerrufen worden. Vor mehr als drei Jahren habe er ein Schild angebracht, wonach ein Durchgang nur bis auf Widerruf gestattet sei. Die klagende Partei habe nicht binnen drei Jahren die Klage eingebracht und damit ihr Recht verloren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass ein Rechtsvorgänger der klagenden Partei auf das Durchfahrtsrecht im Jahr 1936 verzichtet habe und das Durchgangsrecht dadurch eingeschränkt worden sei, dass diese das fallweise, aber in gewisser Regelmäßigkeit erfolgte Abstellen von Fahrzeugen seit dem Jahr 1974 geduldet habe, woran auch eine Steigerung der Frequenz in den letzten zwei bis drei Jahren nichts ändere. Sie habe daher diese Einschränkung der Benutzbarkeit zu dulden, ihre actio confessoria sei demnach nicht berechtigt. Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es führte zu der von ihr als Rüge sekundärer Feststellungsmängel qualifizierten Verfahrensrüge aus, die begehrten Feststellungen würden an der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes jedenfalls nichts ändern. Die klagende Partei habe sich der Einschränkung des ihr verbleibenden Gehrechts, die auch durch ein bloß fallweises, aber doch wiederholtes unregelmäßiges und damit einem ständigen gleichzusetzenden Abstellen von Fahrzeugen erfolgen könne, weil sich die Berechtigte infolgedessen nicht mehr auf die ständige Benützbarkeit des Weges verlassen könne, seit dem Jahr 1974 nicht widersetzt, weshalb ihr Recht gemäß § 1488 ABGB verjährt sei. Die Verjährungsfrist beginne nicht erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Beschränkung vermehrt stattgefunden habe. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rsp zur Frage fehle, wann bei einer unregelmäßigen zeitlichen Einschränkung einer Dienstbarkeit die Frist für die Freiheitsersitzung beginne.

Die Revision ist, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, an die der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Dienstbarkeiten verjähren durch bloßen Nichtgebrauch gewöhnlich in dreißig Jahren (§ 1479 ABGB). § 1488 ABGB verkürzt diesen Rechtsverlust auf drei Jahre, wenn sich der Verpflichtete über die gesamte Zeit ihrer Ausübung widersetzt und der Berechtigte sein Recht nicht geltend macht („Freiheitsersitzung", usucapio libertatis; Dehn in KBB, § 1488 ABGB Rz 1).

Die Beurteilung des Beginns der Verjährungsfrist des § 1488 ABGB

durch das Berufungsgericht ist entgegen seiner Ansicht durch Rsp des

Obersten Gerichtshofs gedeckt. Nach dieser beginnt sie mit jenem

Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Servitutsberechtigte das Hindernis

wahrnimmt oder zumindest bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmen

konnte (3 Ob 631/79 = JBl 1982, 32 [Iro]: noch auf Wahrnehmung

abstellend; 4 Ob 84/05i = MietSlg 57.223; 10 Ob 118/05h = MietSlg

57.224 = immolex 2006, 127, beide mwN).

Keine erhebliche Rechtsfrage ist es weiters, ob häufigere und umfangreichere Beeinträchtigungen der Servitutsausübung zu einem „anderen" Beginn des Fristenlaufs führen. Die Entscheidung zweiter Instanz steht auch insoweit im Einklang mit der Judikatur zum teilweisen Rechtsverlust des Servitutsberechtigten bei bloß fallweiser Widersetzung durch den Verpflichteten, weil hiedurch die Beschränkung in ihrer Intensität naturgemäß Schwankungen unterliegt. Ob sich der verpflichtete Teil der Ausübung einer Servitut iSd § 1488 ABGB widersetzt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (4 Ob 551/75; 5 Ob 505/95 = MietSlg 47.160; 7 Ob 146/01y), die durchaus vertretbare Bejahung der Widersetzung durch den Beklagten (Verpflichteten) durch die zweite Instanz im konkreten Fall (vgl etwa) wirft weshalb keine Rechtsfrage auf, der die zur Anrufung des Obersten Gerichtshofs erforderliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtsentwicklung, Rechtssicherheit oder Rechtseinheit iSd § 502 Abs 1 ZPO zukäme.

Auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, auch eine wiederholte Beschränkung der Ausübung einer Servitut mangels Widersetzung des Berechtigten führe zu einem teilweisen Rechtsverlust iSd § 1488 ABGB dahingehend, dass dieser diese Beeinträchtigung zu dulden habe, steht im Einklang mit der höchstgerichtlichen Judikatur (SZ 48/74; 3 Ob 631/79 u.v.a., RIS-Justiz RS0034281). Der Begriff der Widersetzlichkeit des Verpflichteten vereint naturgemäß eine physische Komponente, nämlich die Widersetzungshandlung, welche für den Berechtigten wahrnehmbar und manifest sein muss (4 Ob 2310/96a; 4 Ob 84/05i), und eine zeitliche, nämlich im Unterschied zu einer bloß vorübergehenden Störung. Ob daher bei einer bloß fallweisen, sich aber über Jahrzehnte erstreckenden Beschränkung des Durchgangs die Widersetzlichkeit zu bejahen und in der Folge - wie oben ausgeführt - ein Rechtsverlust in Ansehung einer Duldungspflicht in diesem Umfang anzunehmen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Da die klagende Partei - auch im Rechtsmittelverfahren - nur ein uneingeschränktes Unterlassungsbegehren stellte, konnte diesem auch nicht teilweise stattgegeben werden (3 Ob 631/79).

Ob sich der Beklagte der Ausübung der Dienstbarkeit gar nicht habe widersetzen wollen, ist nach der Rsp unerheblich (1 Ob 15/94 = MietSlg 46.194; 7 Ob 146/01y; 4 Ob 84/05i), weshalb es auch auf die ergänzend begehrten (und zum Teil ohnehin getroffenen) Feststellungen - dass nämlich der Beklagte auf Ersuchen der klagenden Partei seine Fahrzeuge immer weggestellt und Gäste seines Cafés darauf hingewiesen habe, sie müssten ihre Fahrzeuge wegstellen - nicht ankommt. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO; der Beklagte wies in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hin.

Rechtssätze
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