JudikaturJustiz3Ob402/54

3Ob402/54 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 1954

Kopf

SZ 27/182

Spruch

Rechtsmittelverzicht namens einer mj. Prozeßpartei bedarf der vormundschaftsbehördlichen Genehmigung.

Entscheidung vom 23. Juni 1954, 3 Ob 402/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Mattighofen; II. Instanz: Kreisgericht Ried i. I.

Text

Das Erstgericht hat mit seinem Urteil vom 12. Jänner 1954, die Wiederaufnahme des Verfahrens C 66/50 des Bezirksgerichtes Mattighofen bewilligt und in der Sache selbst erkannt, daß das Klagebegehren auf Feststellung der Vaterschaft des Wiederaufnahmsklägers zu dem beklagten Kinde und auf Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 30 S ab Klagstag abgewiesen und die Wiederaufnahmsbeklagte in den Kostenersatz verfällt wird. Das Urteil wurde nach Schluß der Verhandlung verkundet; beide Parteien haben auf ein Rechtsmittel verzichtet. Gegen dieses Urteil, das der Vertreterin der Beklagten am 19. Jänner 1954 zugestellt worden ist, haben die beklagte Partei und die Mutter der Beklagten Rosa W., welche nunmehr auf Seiten der Beklagten als Nebenintervenientin dem Rechtsstreit beitrat, rechtzeitig Berufung erhoben, nachdem mit Beschluß des Bezirksgerichtes Mattighofen als Vormundschaftsgericht vom 25. Jänner 1954, P 82/50-6 der Rechtsmittelverzicht der Jugendfürsorgestelle Mattighofen nicht genehmigt worden war.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Kreisgericht Ried i. I. als Berufungsgericht die in einem Schriftsatz erhobene Berufung der beklagten Partei und der Nebenintervenientin Rosa W. als unzulässig zurück. Es gelangte auf Grund eingehender rechtlicher Darlegungen unter Heranziehung von Lehre und Rechtsprechung zu dem Ergebnis, daß die Jugendfürsorgestelle Mattighofen als Vormund der Minderjährigen auch ohne vormundschaftsbehördliche Genehmigung eine Rechtsmittelverzichtserklärung gültig abgeben konnte und daher die Berufung der Beklagten und Nebenintervenientin gemäß § 472 ZPO. unzulässig sei, so daß diese gemäß § 474 Abs. 2 ZPO. ohne sachliche Erledigung zurückzuweisen war. Da die Kindesmutter nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreites als Nebenintervenientin beitreten konnte, sei auch ihre mit gleichem Schriftsatz eingebrachte Berufung unzulässig, wobei davon auszugehen ist, daß sie ihren Beitritt erst in der am 26. Jänner 1954 bei Gericht überreichten Berufungsschrift erklärt habe. Überdies würde auch der Rechtsmittelverzicht der Hauptpartei die Nebenintervenientin binden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei und der Nebenintervenientin Rosa W. mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (richtig: dem Berufungsgericht aufzutragen, über die Berufung sachlich zu entscheiden).

Der Oberste Gerichtshof hob den Zurückweisungsbeschluß auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Frage, ob die für die Jugendfürsorgestelle Mattighofen erschienene Vertreterin nach Verkundung des Urteiles des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 12. Jänner 1954, C 187/53-3, ohne vormundschaftsbehördliche Genehmigung eine Rechtsmittelverzichtserklärung gültig abgeben, konnte, ist zu verneinen. Bereits in seiner Entscheidung vom 8. Jänner 1907, GlUNF. 3771 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß nicht einmal der Vater eines Minderjährigen auf Einbringung der Berufung namens dieses Kindes ohne Genehmigung der Vormundschaftsbehörde gültig verzichten kann, da er damit eine Rechtshandlung vornähme, durch die er sich eines dem Minderjährigen zustehenden Rechtes entäußere. Umsoweniger steht dieses Recht aber dem Vormund zu. Dieser Rechtsstandpunkt wird durch das in einer gleichgerichteten Frage ergangene Judikat 180 (PlenB. vom 12. Juni 1907) noch erhärtet, das ausdrücklich ausspricht, daß der in gleicher Weise wie der Vormund nach § 1034 ABGB. gerichtlich bevollmächtigte Prozeßkurator so lange selbständig bleibt, als er prozessual tätig ist, um den Anspruch seines Kuranden durchzusetzen, ihn einzutreiben oder einen solchen von ihm abzuwehren oder ihn überhaupt im Zuge der Prozeßverhandlung oder des Exekutionsverfahrens vertritt, daß aber der Vormund oder Kurator hinsichtlich aller Dispositionshandlungen über den im Streit verfangenen Anspruch, die Verwaltungshandlungen hinsichtlich eines Teiles des Vermögens des Vertretenen darstellen, wie Abschluß von Vergleichen, Anerkenntnis der vom Gegner behaupteten Ansprüche sowie Verzichtsleistungen auf die von der vertretenen Partei geltend gemachten Ansprüche, sohin in Verfügungen über den Streitgegenstand bzw. das Vermögen seines Pflegebefohlenen durch § 233 ABGB. beschränkt ist. Daß eine Rechtsmittelverzichtserklärung eine solche Dispositionshandlung über den in Streit verfangenen Anspruch darstellt, kann aber nicht bezweifelt werden. Da gemäß § 472 ZPO. die Berufung nur dann unzulässig ist, wenn sie von einer Person eingebracht wurde, welche auf die Berufung gültig Verzicht geleistet hat, wurde vom Berufungsgericht zu Unrecht vom § 474/2 ZPO. Gebrauch gemacht. Das gleiche gilt hinsichtlich der von der Nebenintervenientin Rosa W. mit gleichem Schriftsatz eingebrachten Berufung.