JudikaturJustiz3Ob332/54

3Ob332/54 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 1954

Kopf

SZ 27/159

Spruch

Bei einer Ermessensentscheidung kann eine offenbare Gesetzwidrigkeit schon begrifflich nicht vorliegen.

Zur Auslegung des Begriffes "bekanntlich in Feindschaft" im Sinne des § 194 ABGB.

Entscheidung vom 26. Mai 1954, 3 Ob 332/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht bestellte den väterlichen Großvater zum Vormund des mj. Rudolf H. Es stellte fest, daß sich zwar in der Vergangenheit zwischen der Familie des väterlichen Großvaters einerseits und der ehelichen Mutter anderseits erhebliche Zwistigkeiten ergeben haben, doch habe das gespannte Verhältnis dadurch sein Ende gefunden, daß sich das Kind nicht mehr in Pflege und Erziehung der Großeltern (sondern im Pensionat St. Joseph in Strebersdorf) befinde. Es sei also das Verhältnis zwischen Großvater und Mutter derzeit kein solches, daß es bei der Erziehung des Kindes hemmend ins Gewicht fiele. Darum sei der Ausschließungsgrund der "bekanntlichen Feindschaft" im Sinne des § 194 ABGB. nicht gegeben.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Mutter des Minderjährigen zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs erblickt eine offenbare Gesetzwidrigkeit darin, daß das Rekursgericht die Vorschrift des § 194 ABGB., die die Bestellung einer Person zum Vormund zwingend verbiete, der mit der erziehungsberechtigten Mutter in Feindschaft gelebt habe, bloß als instruktionelle Vorschrift gewertet habe.

Der Ansicht des Revisionsrekurses kann nicht beigepflichtet werden. Wäre sie richtig, dann müßte jeder von der Vormundschaft ausgeschlossen werden, der irgendeinmal mit den Eltern des Minderjährigen oder mit ihm selbst verfeindet war, mag auch jetzt das beste Einvernehmen zwischen den Beteiligten herrschen. Daß das nicht der Absicht des Gesetzes entspricht, liegt auf der Hand. Sinn und Zweck der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung ist, die Bestellung eines Vormundes zu verhindern, von dem wegen einer bestehenden Feindschaft eine eifrige und unparteiische Amtsführung nicht zu erwarten ist. Ob eine Feindschaft vorliegt, die eine gedeihliche Führung der Vormundschaftsgeschäfte ausschließt, ist vorwiegend Tatfrage, die das Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden hat. Bei einer Ermessensentscheidung kann aber eine offenbare Gesetzwidrigkeit schon begrifflich nicht vorliegen (vgl. JBl. 1946, S. 354, SZ. X/268, 2 Ob 929/53).