JudikaturJustiz3Ob250/01p

3Ob250/01p – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. November 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Vollstreckbarerklärungs- und Exekutionssache der Antragstellerin und betreibenden Partei B*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Rechtsanwälte Neudorfer Griensteidl Hahnkamper Stapf Partner in Wien, gegen den Antragsgegner und Verpflichteten Dieter Dietrich, geboren am *****, wegen 100.000 DM sA (= 703.550 S sA) über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin und betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 10. Mai 2001, GZ 2 R 171/01a-9, womit über den Rekurs der Antragstellerin und betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 2. Jänner 2001, GZ 14 E 5703/00y-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:

"I. Das Teil-Versäumnis-Urteil vom 17. 12. 1998, Geschäftszeichen

104. O.157/98, das Versäumnisschlussurteil vom 20. 12. 1999, Geschäftszeichen 104.O.157/98, und der Beschluss vom 12. 5. 2000, Geschäftszeichen 104.O.157/98 - je des Landgerichts Berlin - werden für Österreich für vollstreckbar erklärt".

II. Aufgrund der unter I. bezeichneten Exekutionstitel wird der betreibenden Partei gegen den Verpflichteten zur Hereinbringung der

vollstreckbaren Forderung von 100.000 DM (= 703.500 S) samt 6 %

Zinsen seit 1. 3. 1998, der Prozesskosten von 5.806 DM (= 40.848,11

S) samt 4 % Zinsen seit 6. 5. 2000 sowie der mit 16.197,98 S (darin 2.434,66 S Umsatzsteuer und 1.590 S Barauslagen) bestimmten Kosten der verbundenen Anträge auf Vollstreckbarerklärung und Exekutionsbewilligung und der mit 40.189,98 S (darin 6.698,33 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens die Exekution in nachstehender Weise bewilligt:

1. durch Pfändung und Verkauf der beweglichen körperlichen Sachen aller Art, die sich in der Gewahrsame des Verpflichteten befinden, sowie Pfändung und Überweisung zur Einziehung der in § 296 EO angeführten Papiere;

2. durch Pfändung und Überweisung von Arbeitseinkommen oder sonstigen Bezügen des am 26. 11. 1940 geborenen Verpflichteten gemäß § 290a EO gegen den (die) vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erst bekanntzugebenden Drittschuldner.

Dem Verpflichteten wird jede Verfügung über die gepfändeten Forderungen, insbesondere ihre gänzliche oder teilweise Einziehung untersagt. Mit Zustellung dieses Beschlusses an den Drittschuldner hat der betreibende Gläubiger an der jeweils gepfändeten Forderung ein Pfandrecht erworben. Den Drittschuldnern wird verboten, die gepfändeten Forderungen an den Verpflichteten auszuzahlen.

Dem (den) Drittschuldner(n) wird die Abgabe einer Drittschuldnererklärung im Sinne des § 301 EO binnen 14 Tagen aufgetragen.

Früher erworbene Rechte Dritter werden nicht berührt.

Soweit die gepfändete(n) und überwiesene(n) Forderung(en) beschränkt pfändbar ist (sind), ergeben sich die Beträge, welche dem Verpflichteten als unpfändbar zu verbleiben haben, aus den jeweils mit der geltenden Existenzminimum-Verordnung kundgemachten Tabellen. Die verpflichtete Partei hat dem Drittschuldner unverzüglich allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben.

Als Exekutionsgericht hat das Bezirksgericht Villach einzuschreiten."

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies das Begehren der Antragstellerin und betreibenden Partei (im Folgenden kurz: Betreibende), das im schriftlichen Vorverfahren erlassene Teil-Versäumnis-Urteil vom 17. 12. 1998, das im schriftlichen Vorverfahren erlassene Versäumnisschlussurteil vom 20. 12. 1999 und den aufgrund dieses Urteils ergangenen (Kostenbestimmungs )Beschluss vom 12. 5. 2000 - je des Landgerichts Berlin - für Österreich für vollstreckbar zu erklären und aufgrund dieser Exekutionstitel die Fahrnis- und Forderungsexekution gemäß § 294a EO zur Hereinbringung einer Forderung von 100.000 DM sA (= 703.550 S sA) zu bewilligen, ab. Nach dessen Ansicht hat das Gericht des Vollstreckungsstaats gemäß Art 47 Nr 1 EuGVÜ/LGVÜ auch die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung des ausländischen Exekutionstitels zu prüfen. Der Zustellakt sei in erster Linie durch Vorlage einer amtlichen Urkunde nachzuweisen. Dieser Nachweis bezwecke, dem Schuldner die freiwillige Schuldtilgung "ohne sofortige Exekution" zu ermöglichen. Es müsse daher beurkundet sein, dass der Schuldner "die Entscheidung auch erhalten" habe. Die Betreibende habe nur die Zustellung der Exekutionstitel des Ursprungsstaats durch deren Aufgabe zur Post gemäß § 175 dZPO nachgewiesen. Eine solche Zustellung sei gemäß § 174 dZPO - als eine Art Säumnisfolge - unter anderem dann zulässig, wenn der Adressat nicht im Inland wohne und keinen Zustellungsbevollmächtigten am Gerichtsort bzw im Gerichtsbezirk benannt habe. Es fehle jedoch an einem Nachweis für die Zustellung an den Empfänger. Anlässlich der Auslandszustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes werde durch die deutschen Gerichte üblicherweise eine Belehrung über das Erfordernis der Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland erteilt. Es bestehe allerdings keine derartige Rechtspflicht. Das deutsche Recht unterstelle daher, dass der vor einem deutschen Gericht Belangte mit ausländischem Wohnsitz die Regelungen der deutschen Zivilprozessordnung über die Zustellung kenne. Die Unterlassung der erörterten Belehrung sei als "krasser Verstoß gegen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs" zu qualifizieren. Den vorgelegten Zustellungsurkunden sei kein Hinweis auf eine Belehrung des Antragsgegners und Verpflichteten (im Folgenden kurz: Verpflichteter) über das Erfordernis der Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland aus Anlass der Klagezustellung zu entnehmen. Die Anträge der Betreibenden müssten daher schon deshalb scheitern. Aber selbst bei Vorliegen eines Nachweises über eine Belehrung des Verpflichteten im erörterten Sinn stehe der Annahme der Rechtswirksamkeit der Zustellungen der maßgebenden Entscheidungen durch deren Aufgabe zur Post insbesondere Art 5 des Haager Prozessübereinkommens vom 1. 3. 1954 entgegen. Das sei die "speziellere ... Norm", die den Bestimmungen der deutschen Zivilprozessordnung über die Zustellung vorgehe.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, dass die Vollstreckbarkeit der maßgebenden deutschen Exekutionstitel in Österreich gemäß Art 54 Abs 2 EuGVÜ nach den Vorschriften des Titels III dieses Übereinkommens zu beurteilen sei, weil keiner der Versagungsgründe gemäß Art 28 Abs 1 bis 3 LGVÜ - dem Übereinkommen, das im Zeitpunkt der Klageeinbringung anwendbar gewesen sei - vorliege. Somit dürfe die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsstaats gemäß Art 28 Abs 4 LGVÜ nicht nachgeprüft werden. Die verfahrenseinleitende Klage sei dem in Österreich wohnhaften Verpflichteten als dem im Titelprozess Beklagtem im Wege des Bezirksgerichts Villach als Rechtshilfegericht am 9. 11. 1998 eigenhändig zugestellt worden. Das Teil-Versäumnis-Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. 12. 1998 sei der erste gegen den Verpflichteten ergangene Exekutionstitel. Die Ordnungsmäßigkeit und Rechtzeitigkeit der Klagezustellung gemäß Art 27 Nr 2 und Art 46 Nr 2 EuGVÜ sei demnach nachgewiesen. Als Nachweise für die Zustellung der Exekutionstitel habe die Betreibende Urkunden des Landgerichts Berlin über deren Aufgabe zur Post gemäß § 175 und § 213 dZPO vorgelegt. Die Ordnungsmäßigkeit dieser Zustellakte sei nach deutschem Recht zu prüfen. Danach seien aber die §§ 174, 175 dZPO im Zustellverkehr mit Österreich nicht anwendbar, weil ihnen die Bestimmungen der "Vereinbarung vom 6. Juni 1959 zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zur weiteren Vereinfachung des rechtlichen Verkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1. März 1954" - BGBl 1960/27 - vorgingen. Gemäß Art 1 Abs 1 dieses Übereinkommens seien die Ersuchen um Zustellung in Zivil- und Handelssachen "im unmittelbaren Verkehr der beiderseitigen Behörden" zu übersenden. In solchen Rechtssachen sei also die Übermittlung von Gerichtssendungen durch die Post gemäß Art 6 Z 1 HPÜ 1954 nach Österreich nicht rechtmäßig. Die Zustellung der deutschen Exekutionstitel, deren Vollstreckbarerklärung die Betreibende für Österreich anstrebe, hätte vielmehr nach dem deutsch-österreichischen Vertrag vom 6. 6. 1959 im Wege der Rechtshilfe erfolgen müssen. Eine rechtmäßige Zustellung der deutschen Exekutionstitel im Sinne des Art 47 Nr 1 EuGVÜ sei somit nicht nachgewiesen. Der ordentlichen Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Frage, "ob die Zustellung von Titelurkunden durch die Post im Verkehr zwischen Österreich und Deutschland dem Art 47 EuGVÜ gerecht" werde, vom Obersten Gerichtshof noch nicht gelöst worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist wegen des vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grundes zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Soweit die Rechtsansicht des Rekursgerichts zutrifft, genügt gemäß § 78 EO iVm § 528a und § 510 Abs 3 ZPO ein Hinweis auf deren Richtigkeit. Das gilt zunächst für den - von der Betreibenden nicht in Zweifel gezogenen - Ausspruch, dass die Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung aufgrund der Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens vom 27. 9. 1968 (EuGVÜ) zu beurteilen sind. Das Rekursgericht erläuterte ferner zutreffend, dem Verpflichteten sei die Klage im deutschen Titelprozess ordnungsgemäß und so rechtzeitig zugestellt worden, dass er sich im Sinne des Art 27 Nr 2 EuGVÜ auch verteidigen konnte. Richtig ist überdies, dass die Betreibende diesen Akt der Zustellung im Einklang mit Art 46 Nr 2 EuGVÜ urkundlich nachwies.

2. Gemäß Art 47 Nr 1 EuGVÜ hat der Betreibende die Urkunden, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaats vollstreckbar ist und zugestellt wurde, vorzulegen. Dieser Pflicht hat die Betreibende in tauglicher Form entsprochen. Näher zu erörtern ist allerdings, ob die beglaubigten Fotokopien der Urkunden des Landgerichts Berlin über die Zustellung der Exekutionstitel gemäß §§ 175, 213 dZPO eine im Rechtsverkehr zwischen Österreich und Deutschland rechtmäßige Art der Zustellung dokumentieren.

2. 1. Die Art der Zustellung richtet sich nach dem Recht des Urteilsstaats (Kropholler, Europ Zivilprozessrecht6 Art 47 Rz 5; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht Art 47 Rz 3). Dieses Recht ist auch für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit von Zustellungen (Geimer/Schütze aaO) - also deren Rechtswirksamkeit (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Brüssel und Lugano Art 47 Rz 3) - maßgebend.

2. 2. Nach Ansicht des Rekursgerichts werden die Regelungen der deutschen Zivilprozessordnung über die Zustellung durch die "Vereinbarung vom 6. Juni 1959 zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zur weiteren Vereinfachung des rechtlichen Verkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1. März 1954" - BGBl 1960/27 - verdrängt. Das Rekursgericht stützte diese Rechtsfolge auf Art 1 Abs 1 dieses Übereinkommens (abgedruckt in Duchek/Schütz/Tarko, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtssachen2, 664 ff). Danach sind "in Zivil- und Handelssachen ... die Ersuchen um Zustellung (die Zustellungsanträge) im unmittelbaren Verkehr der beiderseitigen Behörden" zu übersenden. Eine Übermittlung durch die Post nach Art 6 Abs 1 HPÜ 1954 kommt daher im Anwendungsbereich der erörterten Vereinbarung nicht in Betracht (Duchek/Schütz/Tarko aaO 664). Aus deren Art 1 Abs 1 (arg: "Zustellungsanträge"), aber auch aus deren Art 2, wonach "die ersuchte Behörde die Zustellung in der durch ihre innere Gesetzgebung für gleichartige Zustellungen vorgeschriebenen Form" oder auf Wunsch der ersuchenden Behörde in einer besonderen, "ihrer Gesetzgebung" nicht zuwiderlaufenden Form zu bewirken hat, ist allerdings abzuleiten, dass diese Vereinbarung nur auf Zustellungen anwendbar ist, die im jeweils anderen Vertragsstaat zu bewirken sind. Regelungsgegenstand sind daher nur Akte der Zustellung im Ausland, also solche Zustellungen, deren Wirkungen erst durch die im Wege der Rechtshilfe zu besorgenden Akte der Zustellung im ersuchten Vertragsstaat eintreten sollen.

3. Der deutsche Bundesgerichtshof befasste sich in der Entscheidung vom 10. 11. 1998 zur AZ VI ZR 243/97 (= NJW 1999, 1187 = IPRax 2000,

23) ausführlich mit der Zustellung eines - wie hier - nach schriftlichem Vorverfahren erlassenen Versäumnisurteils durch dessen Aufgabe zur Post zwecks Versendung ins Ausland gemäß § 175 Abs 1 dZPO. Danach hat eine Partei, die nicht im Inland wohnt, gemäß § 174 Abs 2 dZPO einen Zustellungsbevollmächtigten - auch ohne gerichtliche Anordnung - zu benennen, wenn sie nicht einen am Ort des Prozessgerichts oder innerhalb des jeweiligen Amtsgerichtsbezirks wohnhaften Prozessbevollmächtigten bestellte. Diese Obliegenheit treffe die im Ausland wohnhafte Partei allerdings erst nach Rechtshängigkeit. Demnach könne das verfahrenseinleitende Schriftstück nie wirksam gemäß §§ 174 Abs 2, 175 dZPO zugestellt werden. Sei dagegen dessen Zustellung gemäß § 199 dZPO ordnungsgemäß im Ausland bewirkt worden, dürften alle späteren Zustellungen an die Partei bis zur nachträglichen Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten dadurch geschehen, dass das zu übergebende Schriftstück gemäß § 175 Abs 1 dZPO "unter der Adresse der Partei nach ihrem Wohnort zur Post" gegeben werde. Diese "Zustellung durch Aufgabe zur Post" sei nach einhelliger deutscher Meinung keine Auslandszustellung, sondern "eine fingierte Form der Zustellung im Inland". Das Haager Zustellungsübereinkommen (HZÜ) widerspreche § 175 dZPO nicht, weil es nur die Modalitäten einer Auslandszustellung, nicht aber die Frage regle, ob überhaupt eine förmliche Zustellung im Ausland erforderlich sei. Diese Frage sei vielmehr nach dem nationalen Recht autonom zu lösen. Die Anwendbarkeit des § 175 dZPO scheitere auch nicht an Art 27 Nr 2 EuGVÜ, sei doch ein Versäumnisurteil kein verfahrenseinleitender Schriftsatz im Sinne dieser Bestimmung. Prozessparteien hätten in Fällen mit Auslandsbezug weder nach dem HZÜ noch nach dem EuGVÜ das Recht auf eine bestimmte Form der Urteilszustellung. Die wirksame Zustellung eines Versäumnisurteils nach schriftlichem Vorverfahren durch dessen Aufgabe zur Post setze ferner keine vorherige Belehrung des Adressaten darüber voraus, welche Konsequenzen gemäß § 174 Abs 2 und § 175 dZPO eintreten könnten, wenn die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten unterbleibe. Dadurch werde die im Ausland wohnhafte Partei nicht unverhältnismäßig benachteiligt, weil es nicht um die Einleitung, sondern nur um die Fortführung eines Verfahrens gehe. Das europarechtliche Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit lasse sich gegen die erörterte Zustellart gleichfalls nicht erfolgreich ins Treffen führen. Es bestehe - entgegen vereinzelten Bedenken im Schrifttum - weder eine offene noch eine versteckte Diskriminierung. Eine besondere, über den Wortlaut des § 174 Abs 2 dZPO hinausgehende Hinweis- oder Belehrungspflicht zugunsten der im Ausland wohnhaften Partei lasse sich auch nicht im Wege einer verfassungs- oder völkerrechtskonformen Auslegung begründen. Die herrschende Lehre sei zwar - mit an sich gewichtigen Argumenten - gegenteiliger Ansicht. Dennoch sei dieser Auffassung im Lichte der positiven Rechtslage nicht beizutreten, weil sich letztendlich weder aus dem deutschen Grundgesetz noch aus Art 6 Abs 1 EMRK "eine generelle Hinweis- oder Belehrungspflicht zugunsten einer im Ausland wohnhaften Partei über die möglichen prozessualen Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Obliegenheit zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten ableiten" lasse.

3. 1. Da die von der Betreibenden urkundlich nachgewiesene Zustellung des nach schriftlichem Vorverfahren erlassenen deutschen Versäumnisurteils durch die Aufgabe zur Post nach den Erwägungen unter 3. nicht als Auslands-, sondern als Inlandszustellung gilt, die bereits durch die Aufgabe zur (deutschen) Post bewirkt wird (Stöber in Zöller, ZPO22 § 175 Rz 6), ist die Wirksamkeit einer solchen Zustellung - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - nicht nach Staatsverträgen, sondern vor dem Hintergrund der unter 2. 1. und 2.

2. erläuterten Rechtslage ausschließlich nach deutschem Recht zu beurteilen. Diese rechtlichen Zusammenhänge werden auch im Revisionsrekurs zutreffend dargelegt Hinzuweisen ist auch darauf, dass es nunmehr jedem EU-Mitgliedstaat nach Art 14 der gem Art 25 am 31. 5. 2001 in Kraft getreten Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. 5. 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (abgedruckt in Zöller aaO 2696 ff) frei steht, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch die Post zustellen zu lassen. Seither steht die deutsche Inlandszustellung durch die Aufgabe eines Schriftstückes zur Post auch im Einklang mit unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht. Auch insofern ist dann nur noch die Frage zu lösen, ob die mit der Aufgabe zur Post verknüpfte Fiktion der Inlandszustellung eines deutschen Exekutionstitels dessen Vollstreckbarerklärung im Ausland entgegensteht.

4. Die Anträge der Betreibenden auf Vollstreckbarerklärung und Exekutionsbewilligung wären nach allen bisherigen Erwägungen nur dann abzuweisen, wenn einer der Versagungsgründe gemäß Art 27 EuGVÜ verwirklicht wäre. Von diesen Gründen kommt nur der gemäß Art 27 Nr 1 EuGVÜ - also eine Verletzung des österreichischen ordre public - in Betracht. Ein solcher Verstoß durch verfahrensrechtliche Maßnahmen setzt jedoch voraus, dass die Rechte des Beklagten, sich am Verfahren zu beteiligen, seinen Standpunkt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorzubringen und allenfalls Rechtsmittel zu ergreifen in einer im Lichte der inländischen öffentlichen Ordnung unerträglichen Weise beschnitten worden wären (Czernich/Tiefenthaler aaO Art 27 Rz 5).

Darauf zielt das den erstgerichtlichen Abweisungsbeschluss tragende Argument ab, das rechtliche Gehör des Verpflichteten sei verletzt worden, weil es an einem Nachweis über dessen Belehrung zur Notwendigkeit der Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland anlässlich der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes mangle. Die Behauptung im Revisionsrekurs, der Verpflichtete sei ohnehin zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten aufgefordert worden, ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich. Eine solche Aufforderung ist überdies auch nicht in den von der Betreibenden vorgelegten Urkunden dokumentiert. Auf die erörterte Belehrung kommt es indes nicht an, weil die Bewirkung einer deutschen Inlandszustellung durch die Aufgabe eines Exekutionstitels zur Post, um ihn nach Österreich zu befördern, die öffentliche Ordnung Österreichs nicht verletzt. Das gilt auch dann, wenn der eine oder andere Einwand gegen die unter 3. referierte Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (siehe etwa Fleischhauer, Unkenntnis schützt Ausländer vor Fristversäumnis nicht, IPRax 2000, 13) zuträfe. Für diese Beurteilung ist ausschlaggebend, dass der Verpflichtete nach der gemäß § 199 dZPO und Art 27 Nr 2 EuGVÜ ordnungsgemäßen, im Sinne des Art 27 Nr 2 EuGVÜ aber auch rechtzeitigen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes an der Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte vor dem deutschen Prozessgericht nicht gehindert war. Diesem Ergebnis liegt keine der öffentlichen Ordnung Österreichs zuwiderlaufende und daher unerträgliche Überspannung prozessualer Sorgfaltspflichten zugrunde, ist es doch der in Österreich wohnhaften Partei nach Zustellung der bei einem deutschen Gericht eingebrachten Klage zumutbar, sich über die für ihre Rechtsverteidigung bedeutsame deutsche Rechtslage aus eigenem Antrieb - also auch ohne eine gerichtliche Rechtsbelehrung - zu informieren.

5. Dem Revisionsrekurs ist somit Folge zu geben. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 83 Abs 2 iVm § 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.