JudikaturJustiz3Ob247/00w

3Ob247/00w – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. März 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Dr. Martina S*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Walter S*****, vertreten durch Jirovec Partner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, wegen S 184.586,79 samt Anhang und Rechnungslegung einerseits und S 5,000.000 samt Anhang andererseits, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 8. August 2000, GZ 11 R 58/00f-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 21. Oktober 1999, GZ 6 Cg 47/98m, 187/98z-29, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das Teil- und Zwischenurteil des Berufungsgerichtes, welches im Übrigen unangefochten blieb, wird, soweit damit der Punkt 4. des Ersturteils mit einer Maßgabe bestätigt wurde, dahin abgeändert, dass, der Berufung Folge gebend, das Klagebegehren im Verfahren 6 Cg 187/98z, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 5 Mio binnen 14 Tagen zu bezahlen, abgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 16. 2. 1980 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit seit 11. 8. 1998 rechtskräftigem Urteil geschieden. Beide sind Ärzte für Allgemeinmedizin.

Im Jänner 1985 eröffnete der Beklagte eine Ordination. Die Streitteile planten, dass die Klägerin nach Beendigung ihrer Ausbildung (im Jahr 1986) gemeinsam mit dem Beklagten die Ordination führen werde. Beide sollten darin Patienten selbstständig betreuen, beide sollten an Gewinn und Verlust beteiligt sein.

Über die rechtliche Form der Zusammenarbeit vereinbarten die Streitteile nichts ausdrücklich. So wurde jedenfalls nicht ausdrücklich die Begründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eines anderen Gesellschaftsverhältnisses vereinbart. Die Klägerin arbeitete in der Ordination und übernahm für die Kredite, die für deren Errichtung aufgenommen wurden, die Bürgschaften mit dem Willen, durch ihr gemeinschaftliches Vorgehen mit dem Beklagten einen gemeinschaftlichen Nutzen und Erwerb zu erzielen. Das Gleiche trifft auf den Beklagten zu. Dieser ging nicht davon aus, dass die Klägerin lediglich in einem Dienstverhältnis zu ihm stünde oder dass sie bloß auf Werkvertragsbasis für ihn arbeite. Die Streitteile kamen von Anfang an überein, auf Dauer gemeinsam in der Ordination zu arbeiten. Der der Klägerin vom Beklagten überwiesene jährliche Betrag war vom Gewinn der Ordination abhängig. Sie ging davon aus, dass sie einen Verlust ebenfalls mittragen müsse.

Die Streitteile beendeten im September 1998 ihre gemeinsame Tätigkeit in der Ordination, nachdem der Beklagte der Klägerin gegenüber die Zusammenarbeit mit ihr aufgekündigt hatte.

Mit ihrer zu 6 Cg 47/98m des Erstgerichts eingetragenen Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten einerseits die Zahlung von S 184.586,79 samt Anhang und andererseits die Rechnungslegung über seinen gesamten im Jahr 1997 aus seiner Tätigkeit als praktischer Arzt erzielten Gewinn und nach erfolgter Rechnungslegung die Zahlung eines Drittels der Summe aus dem offen zu legenden Jahresgewinn und von S 876.000 samt Anhang. Den zuerst genannten Betrag begehrte die Klägerin in der Klage als Vertretungshonorar aus ärztlicher Tätigkeit. Sie brachte weiters vor, dass sie gemeinsam mit dem Beklagten eine Ordination betreibe und in einem Vertretungsverhältnis zum Beklagten ärztliche Leistungen erbracht habe. Die jährliche Rechnungslegung sei vereinbart worden. Der Rechnungslegungsanspruch folge aus Art XLII EGZPO.

Mit ihrer zu 6 Cg 187/98z des Erstgerichtes eingetragenen Klage begehrte die Klägerin die Zahlung von S 5 Mio samt Anhang.

Dazu erstattete sie ein Vorbringen darüber, in welcher Form die Streiteile gemeinschaftlich eine kassenärztliche allgemeinmedizinische Ordination betrieben hätten. Ziel der Ordinationsgründung wie des gemeinschaftlichen Betriebs sei stets die gemeinschaftliche Gewinnerzielung gewesen. Es sei vereinbart worden, dass die Klägerin ein Drittel des gemeinsam erzielten Gewinnes erhalten sollte. Mit Schreiben vom 7. 9. 1998 habe der Beklagte der Klägerin die "Aufkündigung des Vertretungsverhältnisses" erklärt, sie aufgefordert, ihre kassenärztliche Tätigkeit einzustellen und die "Abrechnung des Vertretungsverhältnisses" angekündigt. Weiters habe er ihr ab diesem Tag die weitere Mitarbeit in der von den Streitteilen betriebenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts gänzlich unmöglich gemacht. Durch diese Vorgangsweise habe er die Gesellschaft aufgekündigt. Ihm sei es erweislich just auf die Auflösung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts angekommen. Ihrer Aufforderung zur Zahlung eines angemessenen Abschichtungsbetrags sei er nicht nachgekommen.

In rechtlicher Hinsicht liege eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor. Die vom Beklagten erklärte Aufkündigung sei als Auflösungskündigung zu verstehen. Gemäß § 1215 ABGB führe die Auflösung der Gesellschaft zur Teilung des gesellschaftlichen Vermögens, die als Abschichtung und somit in Form der Auszahlung des Beteiligungswertes in Geld vorzunehmen sei (stRsp; vgl Jabornegg/Resch in Schwimann2 Rz 10 zu § 1215 ABGB mzN). Der Wert der kassenärztlichen Ordination betrage mindestens S 10 Mio.

Der Beklagte anerkannte das Rechnungslegungsbegehren und begehrte im Übrigen die Abweisung der Klagebegehren. Dazu brachte er im Wesentlichen vor: Die Streitteile hätten keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Der Unternehmenswert der Ordination betrage nicht S 10 Mio. Die Klägerin habe keine Kapital- oder Sachwerte in die Ordination eingebracht, sondern lediglich ihre Arbeitskraft gegen Werklohn zur Verfügung gestellt. Eine Überzahlung für das Jahr 1997 im Ausmaß von S 51.876 werde gegen die Klagsforderung compensando eingewendet, weiters ein Betrag von S 240.00, welchen die Klägerin für die Anschaffung eines Privatkraftfahrzeugs erhalten habe. Die Klägerin sei in keiner Weise an Gewinn und Verlust der Ordination beteiligt gewesen. Es liege ein partiarisches Geschäft vor. Laut Ärztegesetz sei die Betreibung einer Ordination in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht zulässig. Die Klägerin habe auch niemals das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses behauptet. Sie habe sich auch den Pflichten einer Gesellschafterin entzogen, weshalb er den Einwand der Arglist, der Täuschung und er Schikane erhebe. Neben dem Einwand weiterer Kompensandoforderungen brachte der Beklagte unter anderem noch vor, dass der Gesellschaftsvertrag in Form eines Notariatsaktes errichtet hätte werden müssen.

Das Erstgericht verband die beiden Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung. Mit Teil- und Zwischenurteil gab es dem Klagebegehren im führenden Verfahren zur Gänze statt; im Punkt 4. seiner Entscheidung erachtete es den Beklagten in Form eines Zwischenurteils schuldig, der Klägerin die Hälfte des Unternehmenswerts der von ihnen gemeinsam betriebenen Ordination zu bezahlen.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei teilweise Folge, wobei es die Entscheidung über das aus dem Rechnungslegungsbegehren abgeleitete Leistungsbegehren aufhob und dem Erstgericht diesbezüglich die Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Im Punkt 4. bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es zu lauten habe, das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin S 5 Mio binnen 14 Tagen zu bezahlen, bestehe dem Grunde nach zu Recht.

Das Berufungsgericht verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens und übernahm in Erledigung der Tatsachenrüge des Beklagten die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Beweisverfahrens.

In rechtlicher Hinsicht gelangte es wie schon das Erstgericht zur Auffassung, dass zwischen den Streitteilen schlüssig ein Gesellschaftsvertrag über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts geschlossen worden sei. Dass nach §§ 2 und 3 ÄrzteG die Ausübung des Arztberufes in Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts untersagt sei, führe nicht zur Nichtigkeit der Gesellschaft, bei der es sich um eine Innengesellschaft gehandelt habe.

Zum Begehren auf Zahlung von S 5 Mio wird lediglich ausgeführt, dass ausgehend von der zutreffenden Rechtsansicht, dass zwischen den Streitteilen eine 1998 einvernehmlich aufgelöste Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden habe, der Klägerin ein Abschichtungsanspruch zustehe. Es sei lediglich der Spruch des Zwischenurteils entsprechend dem Klagebegehren zu adaptieren.

Seinen Ausspruch, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, begründete das Berufungsgericht damit, dass es bei der Lösung der Rechtsfrage hinsichtlich des Bestehens einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen sei.

Dieses Urteil bekämpft der Beklagte mit außerordentlicher Revision lediglich insoweit, als dem Klagebegehren auf Zahlung von S 5 Mio dem Grunde nach stattgegeben wurde, mit dem Antrag, das angefochtene Urteil insoweit dahin abzuändern, dass das bekämpfte Klagebegehren vollinhaltlich abgewiesen werde. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat die ihr freigestellte Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes von der im Folgenden zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht, und auch berechtigt.

Wie sich aus den Urteilen der Vorinstanzen ergibt, haben diese - anscheinend unreflektiert, worauf das Fehlen jeglichen Hinweises auf die entsprechenden Rechtsgrundlagen hindeutet - aus der von ihnen angenommenen einvernehmlichen Auflösung der nach ihrer rechtlichen Beurteilung zwischen den Parteien zustande gekommenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Zurechtbestehen eines Abschichtungsanspruchs der Klägerin in Höhe der Hälfte des Wertes der gemeinsam geführten Ordination abgeleitet. Im Gegensatz dazu hält der Beklagte auch in der Revision noch seinen schon in erster Instanz eingenommenen Standpunkt aufrecht, es sei in Wahrheit gar kein Gesellschaftsvertrag zustande gekommen, was sich auch aus dem Verbot nach § 25 ÄrzteG 1984 ergebe. Im Übrigen sei die Klägerin - wenn überhaupt - nur als Arbeitsgesellschafterin abzuschichten. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Schlüssigkeit des Klagebegehrens findet sich in der außerordentlichen Revision nicht.

Wie sich aus dem dargestellten Vorbringen der Klägerin in erster Instanz ergibt, vermeinte diese, eine Rechtsgrundlage für ihr Begehren im § 1215 ABGB zu finden und berief sich zum Beleg dafür auf die Ausführungen (mit Nachweisen) von Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB2 Rz 10 zu § 1215. Dabei wurde offenbar übersehen, dass sich die Kommentierung eines Abschichtungsanspruchs, wie sich aus der Überschrift vor Rz 9 aaO ergibt, ausschließlich auf das Ausscheiden eines Gesellschafters bei Fortsetzung der Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern bezieht. Gerade aus der Fortsetzung der Gesellschaft wird von den zitierten Autoren abgeleitet, dass bei der Abschichtung, d.h. der Auszahlung des Wertes der Beteiligung in Geld, auch der Unternehmenswert zu berücksichtigen sei. Wie aber Jabornegg/Resch (aaO Rz 1) klarstellen, sind die Wirkungen des Ausscheidens eines Gesellschafters - anders als die der Auflösung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts - im Gesetz gar nicht geregelt. Für den letzteren, hier nach den Behauptungen der Klägerin und auch nach der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen vorliegenden Fall der Auflösung einer (zweigliedrigen) Gesellschaft bestimmt allerdings § 1215 ABGB, dass danach eine Teilung des gesellschaftlichen Vermögens vorzunehmen sei, welche sich außer nach den "obigen" Bestimmungen auch nach den Bestimmungen über die Teilung einer gemeinschaftlichen Sache überhaupt richte. Die Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts führt demnach, da eine Liquidation nicht vorgesehen ist, zunächst lediglich zu einer automatischen Umwandlung in eine Rechtsgemeinschaft im Sinne des 16. Hauptstücks des ABGB, die so lange besteht, bis sie durch Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens beendet wird (stRsp, zuletzt EvBl 2000/84 = EFSlg 90.096 = MietSlg 51/29 = RdW 2000/125, 153 = RZ 2000/45, 280; Jabornegg/Resch aaO Rz 2 mN; Strasser in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 1215; Wahle in Klang2 V 674). Die Auflösung dieser Rechtsgemeinschaft erfordert eine Teilungsklage, wobei dann, wenn Naturalteilung unmöglich oder untunlich ist, Zivilteilung verlangt werden kann (Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB2 Rz 7 zu § 1215; Strasser in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu § 1215 je mN; vgl auch EvBl 2000/89). Eine solche Klage ist auf Rechtsgestaltung gerichtet (Jabornegg/Resch und Strasser je aaO; Paschinger, Die Gesellschaft im Zivilprozess 209), also nicht auf Geldleistung wie die vorliegende.

Die dargestellte Rechtslage wird allerdings als dispositiv angesehen (vgl nur Jabornegg/Resch aaO Rz 8). So kann beispielsweise zwischen den Gesellschaftern vereinbart werden, dass einer von ihnen das Gesellschaftsvermögen zur Gänze übernimmt und die ausscheidenden Gesellschafter abzufinden sind (Nachweise aaO). Ebenso wird vertreten, dass im Falle des Ausschlusses eines Gesellschafters aus der Zweimanngesellschaft eine Gesamtrechtsnachfolge in das Vermögen durch den verbleibenden Gesellschafter erfolgt (Jabornegg/Resch, aaO Rz 12). Im vorliegenden Fall hat nun die Klägerin nichts dergleichen, insbesondere weder die Vereinbarung einer Abschichtung noch ihren Ausschluss aus der Gesellschaft, behauptet. Ihrem Klagebegehren steht demnach - selbst wenn man vom Bestehen der behaupteten Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeht, was nicht weiter geprüft werden muss - das fortbestehende Miteigentum beider Parteien am (im Übrigen von den Vorinstanzen nicht näher definierten) bisherigen Gesellschaftsvermögen entgegen.

Die Rechtssache ist daher insoweit im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens im verbundenen Verfahren spruchreif.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.