JudikaturJustiz3Ob2429/96v

3Ob2429/96v – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. März 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei L*****bank*****, ***** vertreten durch Dr. Erwin Köll, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die verpflichtete Partei Peter S*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr. Werner Bachlechner und Dr. Klaus Herunter, Rechtsanwälte in Köflach, wegen S 619.762,47 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck vom 10.September 1996, GZ 1 R 320/96g-23, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Kufstein vom 3.Mai 1996, GZ E 809/95g-18, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit rechtskräftigem Beschluß vom 1.2.1995 wurde der betreibenden Partei zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von S 619.762,47 sA Fahrnisexekution und Gehaltsexekution gemäß § 294 a EO bewilligt. Die Drittschuldneranfrage am 3.2.1995 verlief ergebnislos.

Am 22.5.1995 wurden die zu PZl 1-24 verzeichneten Gegenstände gepfändet. Weitere pfändbare Gegenstände wurden nicht vorgefunden, Deckung war nicht vorhanden.

Mit Beschluß vom 10.1.1996 (ON 14) wurde die Fahrnisexekution betreffend die Gegenstände der PZl 9 bis 16 nach den §§ 251 Z 6, 39 Abs 1 Z 2 EO eingestellt.

Bereits im Exekutionsantrag, aber auch im Antrag auf neuerlichen Vollzug ON 3 hatte die betreibende Partei für den Fall der gänzlichen oder teilweisen Erfolglosigkeit der Exekution die Einleitung des Verfahrens gemäß §§ 47/48 EO beantragt.

Mit Schriftsatz vom 3.3.1996 (ON 18) stellte die betreibende Partei den Antrag, den Verpflichteten zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses im Sinne des § 47 Abs 2 EO zu verpflichten. Diesem Antrag gab das Erstgericht (wie im übrigen ja auch schon den entsprechenden Eventualanträgen in ON 1 und ON 3) statt und lud (erstmals) den Verpflichteten für den 20.5.1996 zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses.

Diesen Beschluß bekämpfte der Verpflichtete mit Rekurs, dem das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß stattgab. Darin änderte es die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag auf Abgabe eines Vermögensverzeichnisses, in eventu auf Übersendung einer Kopie des vom Verpflichteten abgegebenen Vermögensverzeichnisses abwies und die betreibende Partei zum Ersatz der Rekurskosten verpflichtete. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Zwar sei entgegen der Ansicht des Verpflichteten die Fahrnisexekution mangels vollständiger Deckung der betriebenen Forderung als erfolglos anzusehen, auch wenn einige Fahrnisse gepfändet worden seien. Es dürfe allerdings das Verfahren zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses nur auf Grund eines nicht zu lange zurückliegenden erfolglosen Vollzuges eingeleitet werden. Eine Frist sei im Gesetz nicht vorgesehen, Lehre und Rechtsprechung hätten aber übereinstimmend herausgearbeitet, daß dem Auftrag zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses dann ein neuerlicher Vollzug vorauszugehen habe, wenn seit dem letzten Vollzug mehr als sechs Monate verstrichen seien. Da der letzte Vollzug der Fahrnisexekution zum Zeitpunkt der Antragstellung etwa ein dreiviertel Jahr zurückgelegen sei, hätte im Bereich der Fahrnisexekution ein Antrag auf neuerlichen Vollzug vorangehen müssen. Darüberhinaus wäre die betreibende Partei verpflichtet gewesen, vor der Antragstellung auch einen Antrag auf neuerlichen Vollzug der Gehaltsexekution bzw auf eine neuerliche Drittschuldneranfrage beim Hauptverband zu stellen.

Diese Entscheidung bekämpft die betreibende Partei mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs, mit dem sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses begehrt.

Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels führt die betreibende Partei aus, daß es sich bei den vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen nicht um solche des Obersten Gerichtshofes handle. Überdies erfolge seit der EO-Novelle 1991 die Einholung des Vermögensverzeichnisses von Amts wegen, ein Antrag der betreibenden Partei sei nur erforderlich, wenn die Erfüllung der Voraussetzungen des § 47 EO dem Gericht nicht bekannt seien. Bei der Frage, unter welchen Umständen die betreibende Partei berechtigt sei, einen Antrag auf Einholung des Vermögensverzeichnisses zu stellen und welche Fristen dabei allenfalls einzuhalten seien, handle es sich um eine solche des Verfahrensrechts, der zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukomme, weil dazu (veröffentlichte) Rechtsprechung des Obersten Gerichthofs fehle.

In der Sache macht die Rechtsmittelwerberin geltend, daß das Erstgericht mangels Deckung durch die Fahrnispfändung vom 22.Mai 1995 ohne weiteren Antrag verpflichtet gewesen wäre, vom Verpflichteten ein Vermögensverzeichnis einzuholen. Mangels Übersendung einer Abschrift des Pfändungsprotokolles habe die betreibende Partei keine Kenntnis von der mangelnden Deckung gehabt. In weiterer Folge habe sich das Verfahren auf die Verhandlung über den Einschränkungsantrag des Verpflichteten beschränkt. Da knapp zwei Monate nach Zustellung des Einstellungsbeschlusses der betreibenden Partei noch immer keine Abschrift des Vermögensverzeichnisses zugestellt worden sei, habe diese nicht mehr darauf vertrauen können, daß das Erstgericht amtswegig gemäß § 47 Abs 2 EO vorgehen würde. Nach der Aktenlage sei nach Einstellung des Exekutionsverfahrens hinsichtlich mehrerer gepfändeter Gegenstände nicht zu erwarten gewesen, daß der Verpflichtete mittlerweile frei pfändbare Gegenstände erworben hätte. Ungeachtet der Frage der Honorierung eines Antrages auf Einholung des Vermögensverzeichnisses müsse dieser als zulässig angesehen werden, wenn innerhalb angemessener Frist keine amtswegige Erledigung erfolge.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch im Sinne einer Aufhebung der unterinstanzlichen Entscheidungen (die vom Abänderungsauftrag umfaßt ist: Kodek in Rechberger ZPO § 471 Rz 4 mN) berechtigt.

Durch die EO-Novelle 1991 wurde der Offenbarungseid durch ein Vermögensverzeichnis ersetzt und das Verfahren zu dessen Vorlage in den §§ 47 bis 49 EO geregelt. Mittlerweile wurde durch die EO-Novelle 1995 (BGBl Nr 519) § 47 EO erneut abgeändert, die Neufassung ist aber im vorliegenden Fall (Einlangen des Exekutionsantrages am 1.Februar 1995) nicht anzuwenden, weil gemäß Art VIII Abs 2 dieser Novelle unter anderem § 47 EO in der neuen Fassung erst auf Verfahren anzuwenden ist, bei denen der Exekutionsantrag nach dem 30.September 1995 bei Gericht angebracht wurde. Wie im Revisionsrekurs richtig dargelegt wird, fehlt es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob ein Antrag auf Einholung des Vermögensverzeichnisses zulässig ist und welche Fristen für die (Aufforderung zur) Abgabe des Vermögensverzeichnisses einzuhalten sind. Da die Rechtslage nach der EO-Novelle 1991 nach den Übergangsbestimmungen, wie dargelegt, weiterhin für zahlreiche Exekutionsverfahren Geltung haben wird, liegen die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 78 EO) jedenfalls vor.

Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin sind unter den vom Berufungsgericht (zur alten Rechtslage) zitierten Entscheidungen sehr wohl solche des Obersten Gerichtshofes.

Bereits in SZ 25/149 war unter Berufung auf Heller/Trenkwalder, EO, 135 entschieden worden, daß mit Rücksicht auf § 48 EO und insbesondere auf § 256 Abs 2 EO, wenn längere Zeit nach erfolglosem Vollzugsversuch ein Offenbarungseidesverfahren eingeleitet werden soll, vorher ein neuerlicher Vollzug zu beantragen sei. Dies gelte, obwohl eine Frist, innerhalb der nach fruchtloser Exekution der Antrag auf Einleitung des Eidesverfahrens zu stellen sei, nicht vorgesehen sei. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall lagen zwischen dem erfolglosen Vollzug und dem Eidesantrag beinahe vier Jahre. Es wurde daher vom Obersten Gerichtshof der den Antrag abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Auch in der Entscheidung EvBl 1957/420 hat der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf die Entscheidungen des LGZ Wien EvBl 1937/457, 800 und 801 sowie EvBl 1935/849 an dieser Judikatur festgehalten. In diesem Fall war der Antrag berechtigt, weil er nur knapp vierzehn Tage nach dem erfolglosen Vollzug gestellt wurde. Auch in EvBl 1970/235 wird die Erforderlichkeit einer nicht zu langen Zwischenzeit bekräftigt.

Heller/Berger/Stix (I 579) pflichten dem Obersten Gerichtshof darin bei, daß das Eidesverfahren nur auf Grund eines nicht lange zurückliegenden erfolglosen Vollzuges eingeleitet werden dürfe. Dies ergebe sich einerseits daraus, daß es sich beim Fahrnisexekutionsverfahren und dem sich daran anschließenden Eidesverfahren um ein einheitliches Verfahren handle, daß ein Verfahren ohne gesetzlichen Grund keine Unterbrechung erfahren solle und andererseits aus der eher wirtschaftlichen Überlegung, daß im Fall eines länger zurückliegenden erfolglosen Vollzuges anzunehmen sei, daß sich die ungünstige wirtschaftliche Lage des Verpflichteten inzwischen geändert haben werde. Im Interesse einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sei jedoch lediglich eine Frist von sechs Monaten vertretbar, nicht aber die in den §§ 48 und 256 Abs 2 EO angeführte Jahresfrist.

Durch die EO-Novelle 1991 wurde, wie bereits dargelegt, die Rechtslage dadurch verändert, daß der Offenbarungseid abgeschafft und durch das "Vermögensverzeichnis" ersetzt wurde, und daß überdies ein Antrag nicht mehr erforderlich ist (JAB zu § 74 ff, abgedruckt bei Mayr Die EO-Novelle 1991, 35).

In den neueren Lehrbüchern und Kommentaren wird (ausgenommen von Angst/Jakusch/Pimmer, wie schon vom Berufungsgericht zitiert) die frühere Judikatur zur Erforderlichkeit eines nicht lange zurückliegenden erfolglosen Vollzugsversuches nicht mehr wiedergegeben (so Feil EO4 zu § 47; Rechberger/Simotta Exekutionsverfahren2 Rz 294 ff; Holzhammer Zwangsvollstreckungsrecht4, 128 ff).

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes kann aber die bisherige Rechtsprechung auf Grund der geänderter Gesetzeslage nicht mehr aufrechterhalten werden.

Wohl folgt auch aus den Bestimmungen der §§ 47 und 253a EO idF der EO-Nov 1991 ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erfolglosigkeit des Exekutionsvollzuges und der Verpflichtung zur Vorlage und Unterfertigung eines Vermögensverzeichnisses. Entgegen der früheren Rechtslage hat aber das Exekutionsgericht grundsätzlich von Amts wegen vorzugehen (Angst/Jakusch/Pimmer, GMA EO13 Anm 5 zu § 47 EO; Mohr Fahrnisexekution 68; derselbe, Die neue Lohnpfändung 29).

Demnach hätte auch im vorliegenden Fall der Gerichtsvollzieher, nach dessen Ansicht, wie sich aus dem Pfändungsprotokoll ergibt, keine Deckung erreicht werden konnte, dem beim Vollzug anwesenden Verpflichteten ein Vermögensverzeichnis abfordern müssen).

Insbesondere die Verpflichtung zum amtswegigen Vorgehen machte aber einen gerade darauf abzielenden Parteienantrag weder unzulässig noch bewirkte dieser Umstand, daß keine Entscheidungspflicht des Gerichtes bestünde (vgl Petschek/Hämmerle/Ludwig, Das österreichische Zwangsvollstreckungsrecht 32; Pollak System**2 371 ff).Würden nun aber die Voraussetzungen für die Vorlage eines Vermögensverzeichnes durch den Verpflichteten vorgelegen sein, dann wäre es nicht zu rechtfertigen, einen Antrag des betreibenden Gläubigers, der darauf abzielt, nur deswegen abzuweisen, weil das Exekutionsgericht säumig geblieben ist und den Verpflichteten nicht in angemessener Frist (allenfalls sogar schon beim erfolglosen Vollzugsversuch) zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses verpflichtet hat. Eine solche Abweisung wäre dann ja keineswegs mehr als Sanktion für eine Nachlässigkeit des betreibenden Gläubigers anzusehen. Dem betreibenden Gläubiger kann eine pflichtwidrige Unterlassung des Exekutionsgerichtes nicht zum Nachteil gereichen.

Entgegen der Auffassung des Gerichtsvollziehers des Erstgerichtes kann auf Grund der Aktenlage noch nicht gesagt werden, daß sich aufgrund des Pfändungsprotokolles bereits klar ergäbe, daß keine volle Deckung für die Geldforderung des betreibenden Gläubigers gegeben sei. Nach dem für dieses Verfahren gemäß Artt VIII Abs 5 und VII Z 3 EO-Nov 1995 noch geltenden § 563 Abs 2 Geo sind zwar Bleistiftwerte im Pfändungsprotokoll nur "wenn möglich" anzugeben (während nach § 253 Abs 1 EO neu keine Ausnahmen mehr vorgesehen sind), es befinden sich aber unter den gepfändeten Sachen Kunstwerke, die gemäß § 275 Abs 2 EO durch einen Sachverständigen geschätzt werden müssen.

Zu prüfen ist daher weiter, ob nicht deshalb sofort die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen wäre, weil auch die Voraussetzungen des § 47 Abs 2 Z 2 EO vorliegen, da die Anfrage an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger insofern nicht positiv beantwortet wurde, als nach dessen Mitteilung kein Dienstgeber gespeichert war. Nach Auffassung des erkennenden Senates ist jedoch § 47 Abs 2 EO so zu verstehen, daß bei einer Exekution auf Fahrnisse und nach § 294a EO das Verfahren auf Vorlage des Vermögensverzeichnisses erst dann einzuleiten ist, wenn die Voraussetzungen nach beiden Alternativen des § 47 Abs 2 EO vorliegen. Dies wird gemäß § 14 Abs 2 ZPO immer das Fehlschlagen der Fahrnisexekution sein, die erst subsidiär vollzogen werden darf. Dann ist aber nach § 253a EO sofort das Vermögensverzeichnis vorzulegen und zu unterfertigen. Auch wenn das neue Verfahren für den Verpflichteten weniger belastend gestaltet wurde als das Offenbarungseidverfahren, darf doch nicht übersehen werden, daß dadurch - anders als sonst in Exekutionsverfahren - der Verpflichtete zu einer Tätigkeit gezwungen wird, die noch dazu unter der Sanktion der Vorführung und der Beugehaft nach § 48 EO einerseits und der gerichtlichen Strafbarkeit nach § 392a StGB andererseits steht.

Diese Erwägungen führen zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen. Das Erstgericht wird demnach nach Vorliegen der Bleistiftwerte und/oder der Fachschätzung erneut über die Einleitung des Verfahrens zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO.