JudikaturJustiz3Ob2382/96g

3Ob2382/96g – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Januar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leo H*****, vertreten durch Dr.Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, wider die beklagte Partei Barbara H*****, wegen Einwendungen gegen den Anspruch, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgerichtes vom 26. Juni 1996, GZ 29 R 166/96w-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 15.April 1996, GZ 1 C 99/95x-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am 23.11.1975 geborene Beklagte ist die eheliche Tochter des Klägers. Anläßlich der Scheidung gemäß § 55 a EheG am 7.11.1994 verpflichtete sich der Kläger, seiner Tochter bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit monatlichen Unterhalt von S 3.000 zu leisten. Aufgrund dieses Vergleiches führt die Beklagte gegen den Kläger wegen Unterhaltsrückständen seit 21.8.1995 Gehaltsexekution. Die Beklagte bestand am 7.7.1995 die Reife- und Befähigungsprüfung für Kindergärten und Horte mit ausgezeichnetem Erfolg. Neben der damit abgeschlossenen Berufsausbildung hat sie damit auch die Befähigung zum Besuch einer Hochschule erlangt. Derzeit bestehen für die Beklagte keine Beschäftigungsaussichten als Kindergärtnerin in einem ganztägigen Arbeitsverhältnis; es bestünde lediglich die Möglichkeit, beim Land Niederösterreich als Springerin mit einem Monatsverdienst von netto ca S 8.000 beschäftigt zu werden. Voraussetzung wäre dafür aber auch der Besitz des Führerscheins und eines Fahrzeuges, weil der Einsatz bei verschiedenen Kindergärten zu erfolgen hätte.

Aufgrund des überdurchschnittlichen Notendurchschnitts entschloß sich die Beklagte, ein Studium anzustreben, und zwar Pädagogik, kombiniert mit Italienisch. Voraussetzung für dieses Studium sind Italienisch-Kenntnisse auf Maturaniveau. Es kommt dabei ausschließlich darauf an, ob der Studierende diese Kenntnisse tatsächlich besitzt, nicht auf Art und Weise des Erwerbs. Insbesondere ist nicht der Nachweis dieser Kenntnisse durch Zeugnisse einer in- oder ausländischen Schule erforderlich. Studierende, die sich diese Sprachkompetenz nicht aneignen konnten, sind gezwungen, einen vom Institut angebotenen einjährigen Kurs zu besuchen, was allerdings in der Regel zu Studienverzögerungen von zumindest einem Semester führt. Eine vor dem Studium erworbene und einem Maturaniveau entsprechende Sprachkompetenz schafft hingegen Voraussetzungen, die es erlauben, das Prüfungsfach Sprachbeherrschung des ersten Studienabschnitts innerhalb der hiefür vorgesehenen vier Semester zu absolvieren. Ein im Dienst eines solchen Kenntniserwerb stehender Besuch eines Italienisch-Intensivkurses in Italien muß daher als absolut zweckdienlich für das beabsichtigte Studium und als direkte Studienvorbereitung angesehen werden.

Bereits vor ihrer Matura wurde die Beklagte aufgrund eines Aushangs an ihrer Schule auf ein Angebot einer in Italien wohnhaften Familie aufmerksam, die eine deutschsprachige Betreuerin mit entsprechender Ausbildung für zwei Kinder im Alter von acht und zehn Jahren suchte. Dabei wurde die Möglichkeit angekündigt, am freien Vormittag in Italien die Schule besuchen zu können. Die Beklagte nahm mit dieser Familie Kontakt auf und wurde tatsächlich aufgenommen. Sie informierte davon auch den Kläger, der darauf jedoch ablehnend reagierte.

Die Beklagte arbeitet bei der Familie Montag bis Donnerstag, und zwar muß sie die Kinder am Morgen anziehen, Frühstück herrichten und die Kinder zum Schulbesuch vorbereiten, was etwa eine Stunde dauert. Dann dauert ihre Arbeitszeit von 14.00 Uhr bis abends; auch in der Nacht muß die Beklagte anwesend sein. Am Freitag hat die Beklagte frei; Samstag und Sonntag ist einmal im Monat frei, wobei dies in der Praxis so gehandhabt wird, daß diese Tage zusammengelegt werden und die Beklagte dann einmal für eine Woche nach Hause fährt. Die Beklagte besucht am Dienstag, Donnerstag, Freitag und Samstag regelmäßig am Vormittag die Schule. Am Samstag ist dies etwa dreimal im Monat der Fall, wenn die Hausfrau anwesend ist. Die Beklagte besucht bei den Vormittagsstunden jeweils allein eine auch Deutsch sprechende Lehrerin; es handelt sich um einen sehr intensiven Unterricht von 2 bis 2 1/2 Stunden. Am Freitag besucht sie darüberhinaus am Nachmittag von 15.00 Uhr bis 18.15 Uhr ein Sprachlabor. Die Kosten für Schule betragen für das Wintersemester 1995/1996 und das Sommersemester 1996 umgerechnet S 10.000. Hinzu kommen Kosten von monatlich etwa S 400 bis S 500 für öffentliche Verkehrsmittel zum Kursort und weiters Kosten für Schulbücher und Kopieren. Insgesamt ist der Aufwand für die Schulkosten etwa S 1.000 monatlich, für Fahrtkosten und Lehrmaterial etwa S 500 monatlich. Die Beklagte hat bei der Familie, bei der sie wohnt, volle freie Station und erhält darüber hinaus ein Taschengeld von umgerechnet S 2.000 monatlich. Bekleidung, Hygieneartikel udgl muß sie selbst kaufen. Die Beklagte besucht die Sprachkurse mit gutem Erfolg. Weiters stellt sie Verhaltensbeobachtungen über die von ihr betreuten Kinder an und führt darüber Aufzeichnungen, die sie später im Rahmen ihres Studiums verwerten kann. Eine direkte Anrechnungsmöglichkeit der in Italien durchgeführten Ausbildung auf das Studium besteht nicht.

Der Kläger ist grundsätzlich damit einverstanden, daß die Beklagte im Hinblick auf ihre guten Lernerfolge ein Studium absolviert; er ist jedoch mit dem einjährigen Italienaufenthalt der Beklagten nicht einverstanden.

Der Kläger macht mit Oppositionsklage geltend, die Beklagte sei selbsterhaltungsfähig; er habe zwar grundsätzlich keinen Einwand gegen ein Studium der Beklagten. Daß die Beklagte ein Jahr italienisch lernen und zu diesem Zweck bei freier Kost und Quartier nach Mailand gehen wolle, wo sie auch Taschengeld in dem Kläger unbekannter Höhe bekomme, sei für ein allfälliges Studium ein unnötiger Luxus und für eine allfällige Berufsvorbereitung völlig unbeachtlich.

Weiters brachte der Kläger vor, er sei seit 14.12.1995 arbeitsunfähig und beziehe nur Krankengeld von etwa S 301,63 pro Tag.

Die Beklagte wendete ein, sie habe die Matura an der Bundesbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik im Juni 1995 mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen. Damit sei sie aber keineswegs selbsterhaltungsfähig; sie beabsichtigte vielmehr, aufgrund ihres guten Notendurchschnitts von 1,2 ein Studium zu beginnen; sie habe vor, Pädagogik kombiniert mit Italienisch als Lehramt an der Universität zu studieren. Im Mai 1995 habe sich die außerordentliche Gelegenheit ergeben, zwischen Matura und Studienbeginn eine Sprachausbildung in Italienisch zu absolvieren. Dieser Zeitpunkt sei günstig, um ein späteres Studium nicht unterbrechen zu müssen. Außerdem würde sich die Beklagte durch die Praxis mit den Kindern auf das Pädagogikstudium vorbereiten. Sie habe die Kinderbetreuung unentgeltlich übernommen, erhalte nur ein geringes Taschengeld von umgerechnet etwa S 2.000 pro Monat, wovon sie auch den Sprachkurs finanzieren müsse. Das Sprachstudium sei für die spätere Berufspraxis von großer Bedeutung. Mit einer Fremdsprache zusätzlich zu Englisch bestünden größere Chancen in einem Beruf unterzukommen. Die Ausbildung diene daher jedenfalls ihrem besseren Fortkommen im Beruf.

Das Erstgericht wies die Klage ab; den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, Kindern komme gegenüber ihren Eltern gemäß § 140 ABGB ein Unterhaltsanspruch bis zur Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit zu. Grundsätzlich habe die Beklagte zwar eine abgeschlossene Berufsausbildung; im Hinblick auf die derzeit schlechten Aufnahmschancen als Kindergärtnerin einerseits und ihre guten schulischen Erfolge andererseits sei ihr der Erwerb einer weiterführenden höheren Ausbildung zuzubilligen, die auch entsprechend ihre Berufs- und Einkommenschancen in der Zukunft verbessern könne. Die von der Beklagten gewählte Vorgangsweise, nämlich ein Jahr lang in Verbindung mit einer dortigen intensiven Sprachausbildung in Italien zu wohnen, könne für das angestrebte Italienischstudium absolut zweckdienlich angesehen werden. Hätte die Beklagte statt dessen sofort mit dem beabsichtigten Studium begonnen, wäre sie gezwungen gewesen, erst im Rahmen ihres Studiums die erforderlichen Italienischkenntnisse zu erwerben, was zu einem Verlust von zumindest einem, aller Wahrscheinlichkeit nach eher zwei Semestern geführt hätte und damit selbst bei zügig betriebenem Studium zu exakt jener Verlängerung der Ausbildungsdauer geführt hätte, die auch mit dem Italienaufenthalt verbunden sei. Im Ergebnis stelle damit der Italienaufenthalt für den Kläger keinen Nachteil dar.

Zu überprüfen sei allerdings, ob durch die der Beklagten zufließenden Leistungen während der Dauer ihres Aufenthalts in Italien bereits Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben sei. Bei der Beklagten ergebe sich ein Bedarf von S 10.700, der entweder durch Eigeneinkommen oder durch Unterhaltsleistung abgedeckt werden müsse. Bewerte man freie Kost und Quartier, so ergebe sich ein Betrag von S 2.700; zuzüglich Taschengeld von S 2.000 ergebe dies ein Einkommen von S 4.700 monatlich. Der Restbetrag von S 6.000 sei durch Unterhaltsleistungen der Eltern abzudecken. Selbst wenn man berücksichtige, daß diese Unterhaltsleistungen von beiden Eltern zu erbringen sind, verbleibe immer noch ein auf den Kläger entfallender Anteil von S 3.000.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision zu, weil es durch die jetzt erforderlichen Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst (Konsolidierung des Staatshaushaltes) zu einer eklatanten Verschlechterung der Berufsaussichten, insbesondere in pädagogischen Berufen, gekommen sei, sodaß sich unter diesem Gesichtspunkt die der Entscheidung 1 Ob 630/88 (EFSlg 56.559) zugrundeliegenden Wertungen verändert haben könnten. Das Berufungsgericht übernahm die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes als zutreffend und führte ergänzend aus, es sei nur zu prüfen, ob der Auslandsaufenthalt der Beklagten in Italien dem Ausbildungszweck diene. Dies sei zu bejahen. Das Ausbildungsjahr in Italien, die Erlernung von Italienisch (auf Maturaniveau) im Rahmen eines Intensivkurses, die erzieherische Arbeit mit Kindern (unter Anstellung von Verhaltensbeobachtungen) sowie letztlich auch die durch den längeren Aufenthalt erlangten Kenntnisse der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Italien seien dem angestrebten Bildungsziel zweifellos förderlich. Daß dadurch insgesamt eine Verlängerung der akademischen Ausbildung eintreten werde, könne keinesfalls gesagt werden, könnten doch die durch den Auslandsaufenthalt vermittelten qualifizierten (Sprach )Kenntnisse Verzögerungen des Studiums hintanhalten. Diene der Auslandsaufenthalt aber - wie hier - der Förderung des angestrebten Ausbildungszieles, ruhe auch für den Zeitraum des Aufenthalts im Ausland der Unterhaltsanspruch nicht (EFSlg 56.559). Auf die absolute Notwendigkeit des Auslandsaufenthalts für das beabsichtigte Studium (im Sinn einer förmlichen Anerkennung bzw einer anrechenbaren Praxis) komme es nicht an. Die vom Erstgericht vorgenommene, auf der höchstgerichtlichen Judikatur beruhende Unterhaltsbedarfsberechnung sei nicht zu beanstanden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Die Vorinstanzen folgen den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung, wonach alternierende oder vorbereitende Auslandsstudien die für die Aufrechterhaltung des Unterhaltsanspruchs geforderte Zielstrebigkeit des Studiums nicht gefährden (Schwimann in Schwimann, ABGB**2, Rz 97 zu § 140 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Da der Auslandsaufenthalt nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Förderung des von der Beklagten angestrebten Ausbildungszieles dient, zu dem der Unterhaltspflichtige beizutragen hat, hat das Berufungsgericht zu Recht die Grundsätze der Entscheidung 1 Ob 630/88 (= EFSlg 56.559) herangezogen. Die Beklagte ist auch nicht aufgrund der abgelegten Matura selbsterhaltungsfähig. Die Verpflichtung der Eltern im Rahmen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch zum Hochschulstudium beizutragen, hängt nicht davon ab, ob die Reifeprüfung an einer allgemeinbildenden oder berufsbildenden höheren Schule abgelegt wurde (SZ 58/83 ua; Schwimann in Schwimann**2 Rz 96 zu § 140 ABGB). Die Angemessenheit des Unterhaltsbetrages ungeachtet einer Einkommensminderung wurde vom Kläger bereits in seiner Berufung unbekämpft gelassen.