JudikaturJustiz3Ob235/99a

3Ob235/99a – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. September 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei Land Niederösterreich, vertreten durch Dr. Peter Urbanek und Dr. Christian Lind, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die verpflichtete Partei C*****, vertreten durch Dr. Edmund Kitzler, Rechtsanwalt in Gmünd, wegen 176.254 S sA infolge ordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei (Interesse 66.000 S) gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems an der Donau als Rekursgericht vom 2. Juli 1999, GZ 1 R 27/99x-11, womit über Rekurs der verpflichteten Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Zwettl vom 15. Jänner 1999, GZ 2 E 2511/98w-5, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß über die Abweisung des Antrags auf Aufschiebung der Exekution insgesamt wiederhergestellt wird.

Die mit 4.871,04 S (darin 811,84 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Exekutionskosten.

Text

Begründung:

Mit rechtskräftigem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 11. Juni 1997 wurde über den seinerzeitigen handelsrechtlichen Geschäftsführer der verpflichteten Partei, einer Gesellschaft m. b. H. (GmbH), wegen Übertretung des § 28 Abs 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs 1 AuslBG eine Geldstrafe von 200.000 S verhängt; ferner wurde ihm ein Kostenbeitrag von 20.000 S auferlegt. Er hatte "als das zur Vertretung nach außen berufene Organ" der Gesellschaft "zu verantworten", daß diese "als Arbeitgeber" Ausländer entgegen § 3 AuslBG beschäftigte. Mit rechtskräftigem Haftungsbescheid vom 28. April 1998 wurde die verpflichtete Partei gemäß § 9 Abs 7 VStG zur Bezahlung der über ihren Geschäftsführer verhängten Geldstrafe samt Verfahrenskosten verhalten. Bereits mit Beschluß vom 15. April 1998 war über deren Vermögen das Ausgleichsverfahren eröffnet worden. Mit Beschluß vom 27. Mai 1998 wurde der von den Gläubigern mit einer Quote von 40 % angenommene Ausgleich bestätigt. Die Quote ist zu je 10 % binnen 14 Tagen ab Ausgleichsannahme, bis 31. März 1999, 30. November 1999 und 30. April 2000 zu bezahlen.

Zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 220.000 S aus dem Haftungsbescheid vom 28. April 1998 wurde der betreibenden Partei Land Niederösterreich gegen die GmbH als verpflichtete Partei mit Beschluß vom 8. Oktober 1998 die Fahrnisexekution bewilligt. Diese Exekution wurde später auf jeweiligen Antrag der betreibenden Partei auf zunächst 198.173 S und dann 176.254 S eingeschränkt.

Die verpflichtete Partei erhob mit Oppositions- und Impugnationsklage sowohl Einwendungen gegen den betriebenen Anspruch als auch solche gegen die Exekutionsbewilligung und beantragte die Aufschiebung der Exekution ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Klage. Sie brachte vor, der betreibenden Partei aufgrund der Ausgleichsquote von 40 % insgesamt nur mehr 88.000 S zu schulden. Durch Begleichung der ersten Quotenrate von 22.000 S sei die ursprüngliche Forderung von 220.000 S im Ausmaß eines Viertels von 55.000 S erloschen. Die zweite, die dritte und die vierte Quotenrate seien noch nicht fällig, weshalb die Exekution insofern unzulässig sei.

Das Erstgericht wies den Aufschiebungsantrag ab. Nach seiner Ansicht steht der Oppositions- und Impugnationsklage als absolutes Prozeßhindernis die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen, seien doch die erhobenen Einwendungen gegen den betriebenen Anspruch bei der Verwaltungsbehörde, die den Exekutionstitel geschaffen habe, geltend zu machen. Das beziehe sich auch auf die als Impugnationsgrund behaupteten Tatsachen, weil insoweit gleichfalls die Frage zu klären sei, ob die betriebende Forderung vom Ausgleichsverfahren über das Vermögen der verpflichteten Partei berührt und infolgedessen eine anspruchshemmende Tatsache verwirklicht worden sei. Überdies sei der betriebene Anspruch seiner Rechtsnatur nach eine von einer Verwaltungsbehörde verhängte Geldstrafe, die vom Ausgleichsverfahren gemäß § 28 Z 2 und § 53 Abs 7 AO unberührt bleibe und in voller Höhe zu entrichten sei. Somit sei aber die erhobene Klage offenbar aussichtslos und könne daher eine Exekutionsaufschiebung nach § 42 Abs 1 Z 5 EO nicht rechtfertigen.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß in Ansehung eines Forderungsteils von 132.173 S, änderte ihn jedoch sonst dahin ab, daß die Exekution auf den Restbetrag von 66.000 S bis zur rechtskräftigen Erledigung der von der verpflichteten Partei erhobenen Klage gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 66.000 S aufgeschoben wurde. Es sprach ferner aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, und erwog in rechtlicher Hinsicht, strafbare Handlungen "jeder Art" im Sinne des § 28 Z 2 AO seien solche, die einen öffentlich-rechtlichen Strafanspruch einer Gebiets- oder Selbstverwaltungskörperschaft begründeten. Diese gesetzliche Bestimmung sei daher auch auf Geldstrafen wegen Verwaltungsübertretungen anwendbar. Ihr liege der Gedanke zugrunde, daß die Folgen strafbaren Verhaltens nicht die Ausgleichsgläubiger tragen sollten. Das verwaltungsbehördliche Straferkenntnis richte sich jedoch nicht gegen die verpflichtete Partei, sondern gegen deren ehemaligen Geschäftsführer. Die betreibende Partei habe sodann von der ihr durch § 9 Abs 7 VStG gebotenen Möglichkeit auf Erlassung eines Haftungsbescheids gegen die Gesellschaft Gebrauch gemacht. Weil aber die strafbare Handlung nicht von der Ausgleichsschuldnerin begangen worden sei und diese lediglich "für eine über eine andere Person verhängte Geldstrafe" mithafte, sei die Forderung aus dem Haftungsbescheid kein Anspruch, der gemäß § 28 Z 2 AO vom Ausgleichsverfahren ausgeschlossen sei. Ob überhaupt eine Ausgleichsforderung vorliege, der die Befreiungswirkung nach § 53 Abs 1 AO zugute komme, sei erst im Prozeß zu klären. Für die Entscheidung über den Aufschiebungsantrag sei dagegen nur die Erfolgswahrscheinlichkeit der Klage in Verbindung mit den Ergebnissen des Titelverfahrens bedeutsam, ohne daß dem Prozeßergebnis vorgegriffen werden dürfe. Danach scheide eine Aufschiebung der Exekution nur dann aus, wenn die Klage offenbar aussichtslos oder deren Erfolg nur "wenig wahrscheinlich" sei.

Gemäß § 35 Abs 2 letzter Satz EO seien Einwendungen gegen den betriebenen Anspruch, der sich auf einen Exekutionstitel nach § 1 Z 10 und 12 bis 14 EO stütze, bei der Titelbehörde anzubringen. Damit korrespondiere die Bestimmung des § 3 Abs 2 VVG. Demzufolge habe der zur ersten Ausgleichsrate geltend gemachte Oppositionsgrund mangels Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs keine Erfolgsaussicht. Eine Exekutionsklage sei nicht nach ihrer Bezeichnung, sondern ihrem Streitgegenstand zu beurteilen. Danach habe die verpflichtete Partei als Impugnationsgrund behauptet, daß der gerichtlich bestätigte Ausgleich das rechtliche Schicksal der betriebenen Forderung beeinflusse. Werde die Exekution zur Hereinbringung noch nicht fälliger Raten der Ausgleichsquote bewilligt, so sei der Umstand, daß die für die Fälligkeit maßgebenden Tatsachen noch nicht eingetreten seien, gemäß § 36 Abs 1 Z 1 EO mit Impugnationsklage geltend zu machen. Die durch den Ausgleich bewirkte Befreiungswirkung sei dagegen eine den Anspruch hemmende Tatsache im Sinne des § 35 Abs 1

EO.

Die Klage beruhe daher nur soweit auf einem Impugnationsgrund, als darin vorgebracht worden sei, daß die zweite, die dritte und die vierte Rate auf die Ausgleichsquote von je 22.000 S - insgesamt daher 66.000 S - noch nicht fällig seien. Insofern sei der Klage "eine Erfolgsaussicht" nicht abzusprechen, weshalb dem Aufschiebungsantrag in diesem Umfang gegen Auferlegung einer Sicherheitsleistung stattzugeben gewesen sei, dürfe doch eine Kaution auch dann festgesetzt werden, wenn der Antrag - wie hier - nicht unmißverständlich zum Ausdruck bringe, daß eine Aufschiebung gegen Erlag einer Sicherheit gar nicht angestrebt werde. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage mangle, "ob ein im Konkurs oder Ausgleich ausgeschlossener Anspruch" vorliege, "wenn mittels Haftungsbescheids die Mithaftung für eine wegen einer strafbaren Handlung über eine andere Person verhängte Geldstrafe ausgesprochen" werde.

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung ist - wegen des vom Gericht zweiter Instanz dargelegten Grundes - zulässig; er ist aber auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 9 Abs 7 VStG haften unter anderem juristische Personen "für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand". Eine solche Regelung hat ihre dogmatische Grundlage darin, daß eine juristische Person unmittelbar nur durch physische Personen in deren Stellung als organschaftliche Vertreter handeln kann. Demnach wird der Wille der juristischen Person durch den eines organschaftlichen Vertreters repräsentiert, was vom erkennenden Senat in der Entscheidung 3 Ob 42/95 (= SZ 68/83) im einzelnen begründet wurde und (auch) die Zurechnung deliktischen Verhaltens an die juristische Person ermöglicht.

1. 1. Nach den im Anlaßfall bedeutsamen Tatsachen fußt die persönliche Bestrafung des ehemaligen Geschäftsführers der verpflichteten Partei - also deren organschaftlichen Vertreters im Sinne der Erwägungen unter 1. - wegen bestimmter Verwaltungsübertretungen auf deliktischen, in Hinsicht auf die Rechtsfolgen des § 9 Abs 7 VStG auch der Gesellschaft zuzurechnenden Tathandlungen, die der Geschäftsführer in Ausübung seiner organschaftlich vermittelten Stellung beging. Durch einen Haftungsbescheid gemäß § 9 Abs 7 VStG wird also nicht die Rechtsnatur der über einen organschaftlichen Vertreter wegen bestimmter nach Verwaltungsvorschriften strafbarer Handlungen verhängten Geldstrafe verändert, sondern bloß ausgesprochen, daß für diese Strafe auch die juristische Person, der das funktionsbezogene deliktische Verhalten ihres organschaftlichen Vertreters zuzurechnen ist, einzustehen hat.

2. Nach § 28 Z 2 AO können im Ausgleichsverfahren "Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art" nicht geltend gemacht werden. Solche Strafen bleiben daher gemäß § 53 Abs 7 AO (siehe ferner § 156 Abs 7 KO) vom Ausgleich unberührt, sodaß sie auch nicht von den Rechtswirkungen nach § 53 Abs 1 AO erfaßt werden können. Sie bestehen daher als Verbindlichkeiten des Schuldners in unveränderter Höhe fort, sodaß letzterer durch den Ausgleich insofern nicht quotenmäßig entlastet werden kann.

2. 1. Daß wegen Verwaltungsübertretungen verhängte Geldstrafen solche im Sinne des § 28 Z 2 AO bzw des § 58 Z 2 KO - der Parallelbestimmung für das Konkursverfahren - sind, wurde in Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs schon wiederholt ausgesprochen (22. 2. 1996, 95/11/0361; 13. 9. 1991, 87/18/0113). 98/17/0048). Auch die Kosten eines Strafverfahrens sind § 28 Z 2 AO (§ 156 Abs 7 KO) bzw § 58 Z 2 KO zu subsumieren (25. 5. 1998, 98/17/0048).

2. 2. Es wurde bereits unter 1. 1. begründet, daß durch den gegen die verpflichtete Partei erlassenen Haftungsbescheid die Rechtsnatur der gegen ihren organschaftlichen Vertreter verhängten Geldstrafe wegen strafbarer Handlungen nach bestimmten Verwaltungsvorschriften nicht verändert wurde, sondern auf dieser Rechtsgrundlage nunmehr auch die Gesellschaft für diese Strafe einzustehen hat. Dieser Haftungsbetrag ist dann aber auch im Ausgleich der Gesellschaft als Geldstrafe wegen strafbarer Handlungen nach § 28 Z 2 AO zu qualifizieren, die - entsprechend den Erwägungen zu 2. - nicht von den Ausgleichswirkungen erfaßt wird.

Im Grundsatz Gleiches folgt aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum vergleichbaren Fall des § 58 Z 2 KO im Konkurs einer Gesellschaft, die für eine über ihren Geschäftsführer wegen gerichtlich strafbarer Handlungen verhängte Geldstrafe gemäß § 28 FinStrG haftet (14 Os 175/98 = ZIK 1999, 95 [nur Veröffentlichung der rechtlichen Erwägungen]).

3. Nach allen bisherigen Erwägungen müssen somit die von der verpflichteten Partei klageweise erhobenen Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung scheitern, wurde doch als Impugnationsgrund die mangelnde Fälligkeit der ihr als Ausgleichsschuldnerin für die Quotentilgung eingeräumten Raten geltend gemacht. Eine solche offenbar aussichtslose Klage kann eine Aufschiebung der Exekution gegen die Gesellschaft zur Hereinbringung der wegen strafbarer Handlungen ihres ehemaligen Geschäftsführers verhängten Geldstrafe, für die die Gesellschaft auch selbst haftet, nicht rechtfertigen (allgemein zur Frage der notwendigen Erfolgsaussichten einer Exekutionsklage 3 Ob 2336/96t; 3 Ob 2142/96p; SZ 63/49). Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der erstgerichtliche Abweisungsbeschluß insgesamt wieder herzustellen.

4. Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Exekutionskosten nach § 74 EO. Bei deren Bestimmung ist zu beachten, daß das Rechtsmittelinteresse der betreibenden Partei bloß 66.000 S beträgt. Nur dieser Betrag - also nicht 198.173 S entsprechend dem Kostenverzeichnis - ist als Kostenbemessungsgrundlage heranzuziehen.