JudikaturJustiz3Ob231/11h

3Ob231/11h – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwalt in Graz Seiersberg, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit/Glan, wegen restlich 6.533,34 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Endurteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 22. September 2011, GZ 3 R 105/11t 35, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Feldkirchen in Kärnten vom 2. Mai 2011, GZ 3 C 249/09f 27, zum Teil als nichtig behoben und zum Teil abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 93,19 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet allein die von der beklagten Verbraucherin erstmals in ihrer Revision aufgeworfenen Rechtsfrage, ob sich die Mäßigung eines wegen Ausübung eines vom Unternehmer vertraglich eingeräumten Rücktrittsrechts fällig gewordenen Reugelds nach § 7 KSchG am wahrscheinlich drohenden oder entstandenen Schaden als Untergrenze zu orientieren habe. Die Beklagte verneint dies mit der Begründung, die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts begründe keinen Schadenersatzanspruch und das Reugeld stelle einen reinen Entgeltersatz dar; daher sei bei der in § 7 KSchG für das Reugeld angeordneten sinngemäßen Anwendung des § 1336 Abs 2 ABGB nicht auf einen Schaden abzustellen, sondern (nur) auf die persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen. Die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage greift die Revision gar nicht auf.

Rechtliche Beurteilung

Damit gelingt es der Beklagten aber nicht, eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weshalb ihr Rechtsmittel nicht zulässig ist; das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. In der Lehre wird teilweise die Ansicht vertreten, eine Mäßigung sei ausgeschlossen, wenn der Verbraucher wie hier eine ihm vertraglich eingeräumte Rücktrittsmöglichkeit nützt ( Apathy in Schwimann ³ [2006] § 7 KSchG Rz 4; Krejci in Rummel ³ [2002] § 7 KSchG Rz 4 f; vgl auch Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ [2006] § 7 KSchG Rz 4). Ob dieser Meinung zu folgen ist, braucht an dieser Stelle nicht geklärt zu werden, weil diesfalls eine Reduzierung des Klagebetrags gar nicht in Frage käme; zu diesem Ergebnis gelangt man aber ebenso bei sinngemäßer Anwendung des § 1336 Abs 2 ABGB.

2. Die von der Beklagten als Vereinbarung eines Reugelds verstandene Bestimmung des Vertrags zur Ausbildung für Pflegehilfen über 29 Monate lautet unstrittig:

„Wird ein Rücktritt durch den Vertragspartner außerhalb der oben angeführten Rücktrittsfristen vorgenommen, so werden bei Stornierung bis 4 Wochen vor Veranstaltungsbeginn 50 %, bis 2 Wochen vor Kursbeginn 75 %, danach 100 % der jeweiligen Seminarkosten als Stornogebühr verrechnet.“

Die Beklagte hat sich vier Tage vor Kursbeginn abgemeldet, weil ihr die Tragung der Kosten von 9.800 EUR wegen Nichterhalt von Förderungen unmöglich sei.

Die Festlegung der Stornogebühr in Höhe des vereinbarten Entgelts bei Rücktritt vom Vertrag unmittelbar vor Beginn der langfristigen Ausbildung lässt dem redlichen Erklärungsempfänger die Absicht des Unternehmers erkennen, damit den Schaden, den der Unternehmer durch die späte Rücktrittsausübung zu erwarten hat, abzugelten; es liegt nämlich auf der Hand, dass das kurzfristige Finden eines Ersatzteilnehmers angesichts der langen Dauer der Ausbildung und der hohen Kosten keineswegs gesichert sein wird. Damit kann aber der hier strittige Betrag als Schadenersatzpauschale angesehen werden.

3. Entsprechend der herrschenden Ansicht ist auch hier besonders die Relation zwischen zugesagter Summe einerseits und dem durch die Nichterfüllung des Vertrags dem Gläubiger wahrscheinlich drohenden oder entstandenen Schaden andererseits zu beachten, weshalb auch im Anwendungsbereich des § 7 KSchG die Mäßigung nach § 1336 Abs 2 ABGB nicht unter die Höhe des tatsächlichen Schadens erfolgen kann (2 Ob 85/05x = RIS Justiz RS0120185; Kathrein in KBB³ [2010] § 7 KSchG Rz 1; Kosesnik Wehrle in Kosesnik Wehrle KSchG³ [2010] § 7 Rz 5; Mayrhofer § 7 KSchG Rz 15; Apathy § 7 KSchG Rz 7).

Nach den unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts ist davon auszugehen, dass der tatsächlich der Klägerin entstandene Schaden dem eingeklagten Betrag entspricht und da sie der Vorwurf einer Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht trifft, erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine Mäßigung habe nicht zu erfolgen, als jedenfalls vertretbar.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.