JudikaturJustiz3Ob174/98d

3Ob174/98d – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R***** regGenmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Pratter, Rechtsanwalt in Leibnitz, gegen die verpflichtete Partei Klara W*****, vertreten durch Dr. Wilfrid Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen 1,068.031,98 S sA über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 7. Mai 1998, GZ 4 R 218/98b-72, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Wildon vom 25. März 1998, GZ 2 E 263/94i-69, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die Entscheidung über den Rekurs der verpflichteten Partei gegen den erstinstanzlichen Beschluss ON 69 unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung:

Nachdem bereits der Schätzwert des in seiner Gesamtheit (als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb) in Zwangsversteigerung gezogenen Grundbuchskörpers rechtskräftig festgesetzt worden war (siehe die Beschlüsse des Erstgerichtes vom 18. 9. 1995 [ON 34], des Rekursgerichtes vom 15. 1. 1996 [ON 39] und des erkennenden Senates vom 13. 3. 1996 [ON 43]), erwirkte die Verpflichtete im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen die parzellen(gruppen)weise Versteigerung der Liegenschaft sowie durch weitere Anträge und Rechtsmittel die "neuerliche Schätzung (Gutachtensergänzung) der in vier Parzellen(gruppen) auszubietenden Liegenschaft".

Zuletzt fasste das Erstgericht hierüber den Beschluss vom 25. 3. 1998, mit dem es die Schätzwerte der gesamten Liegenschaft und der vier Parzellen(gruppen) - in alter Höhe - neu festsetzte und die Bedingungen der Bietabfolge festlegte. Es ging dabei im Wesentlichen (mit Ausnahme der Festsetzung der geringsten Gebote in Höhe der Schätzwerte) von den Anträgen der Verpflichteten aus und erachtete die von dieser für eine höhere Bewertung stets eingewendete "mögliche Umwidmung der gegenständlichen Grundstücke in Bauland" als nach wie vor nicht absehbar, weshalb es bei der bisherigen Bewertung bleibe.

Gegen diesen Beschluss erhob die Verpflichtete - wie schon zuvor gegen jeden diesbezüglichen Beschluss des Erstgerichtes - Rekurs mit der Behauptung, das erstinstanzliche Verfahren sei mangelhaft geblieben, und mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichtes aufzuheben und diesem die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Das Gericht zweiter Instanz wies mit dem angefochtenen Beschluss den Rekurs der Verpflichteten zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Verpflichtete sei zwar zum Rekurs legitimiert, ihr sei auch ein rechtliches Interesse an der Erzielung eines höheren Schätzwertes (und damit auch geringsten Gebots und Meistbots) zuzugestehen, die Zurückweisung ihres Rechtsmittels beruhe jedoch auf § 144 EO, der bestimme, dass auf Vorbringen im Rekurs gegen den Beschluss auf Festsetzung des Schätzwertes nur dann Rücksicht genommen werden dürfe, wenn es bei der Einvernehmung bereits erstattet worden sei. Es handle sich dabei um ein gegenüber dem allgemeinen (Neuerungsverbot) speziell für "Schätzwertfestsetzungsbeschlüsse" geltendes Neuerungsverbot. Anders als bei jenem genüge es bei letzterem nicht, dass die geltend gemachten Tatsachen sich aus den Beweisergebnissen ableiten ließen oder der Entscheidung von Amts wegen zu Grunde gelegt worden seien. Im Übrigen sei über das von der Verpflichteten bereits in einer früheren Verfahrensphase gebrauchte Argument, es handle sich (bei den der Exekution unterzogenen Grundstücken) um Bauerwartungsland, auf der seinerzeitigen Entscheidungsgrundlage bereits rechtskräftig - dieses Argument verneinend - abgesprochen worden. Die Verpflichtete dürfe im Rahmen des vorliegenden Rekurses diesen Einwand nicht neuerlich erheben, tue dies konsequenterweise auch nicht. Stehe also nunmehr fest, dass auf das Vorbringen im Rekurs gemäß § 144 EO nicht mehr eingegangen werden dürfe, weil die Verpflichtete hiezu kein bestimmtes Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren rechtzeitig erstattet habe (und über ihr zuvor erstattetes Vorbringen bereits rechtskräftig entschieden worden sei), so stelle sich die Frage, "wie der Rekurs verfahrensrechtlich zu behandeln sei". Der Rekurs weise die Besonderheit auf, dass damit neu und im Hinblick auf § 144 EO erstmals wiederum geltend gemacht werde, es handle sich um Bauland oder Bauerwartungsland, ohne dass entsprechendes Vorbringen in erster Instanz wirksam "erstellt" worden sei. Die Verpflichtete bekämpfe weder die Versteigerungsbedingungen noch die Schätzwerte als solche, soweit deren Ermittlung land- und forstwirtschaftliche Kriterien zu Grunde zu legen gewesen seien. Insoweit sei die vorliegende Schätzung und Feststellung der Versteigerungsbedingungen unangefochten geblieben, dagegen liege auch ein Rekurs nicht vor. Würden jedoch in einem Rekurs nur Umstände geltend gemacht, welche nach § 144 EO nicht mehr geltend gemacht werden dürften, so sei der Rekurs als Ganzes unzulässig und aus diesem Grunde zurückzuweisen.

Es könne dahingestellt bleiben, wie vorzugehen wäre, wenn in einem Rekurs gegen die Schätzwertfestsetzung nach § 144 EO zulässiges und unzulässiges Vorbringen nebeneinander vorkomme, ob demnach diesfalls mit teilweiser Rekurszurückweisung vorzugehen und daneben eine Sachentscheidung zu treffen wäre. Zufolge der Rekurszurückweisung sei sachlich zur Schätzwertfestsetzung in der vorliegenden Form nicht Stellung zu nehmen, diese sei auch nicht erkennbar als solche bekämpft worden. Wäre jedoch der im Rekurs aufgezeigte Sachverhalt unter Bedachtnahme auf die vorgelegten Schriftstücke der Entscheidung zu Grunde zu legen, könnte auch diesfalls nur in einem sehr entfernten Sinn von "Bauerwartungsland gesprochen" werden. Die Umwidmung wäre nämlich erst von der Beschlussfassung des Gemeinderates abhängig. Es wäre ungewiss, ob es zu einem für die Verpflichtete positiven Beschluss komme. Selbst wenn die Verpflichtete die erwähnten Zusicherungen hinsichtlich des Verkaufs von Grundstücken als Bauland abgebe, wäre keineswegs noch gewiss, dass sich der Gemeinderat damit begnüge. Bei den von der Verpflichteten im Rekurs geltend gemachten Umständen sei nämlich nicht erkennbar darauf Rücksicht genommen worden, dass eine allfällige Verkaufsverpflichtung auf Ersteher kaum wirksam überbunden werden könnte. Ob schon diese Vorgänge (Erwartungen; Haftung) eine Werterhöhung darstellen könnten, wäre eine Tatfrage (Sachverständigenfrage), auf die nicht einzugehen sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, wie ein nach § 144 EO unzulässiges Rekursvorbringen verfahrensrechtlich zu behandeln sei (Zurückweisung), keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Verpflichteten, für dessen Zulässigkeit es auf den - demnach überflüssigen - Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht ankommt (vgl 3 Ob 218/98z), ist berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

§ 144 letzter Satz EO (idF des Liegenschaftsbewertungsgesetzes) verbietet die Berücksichtigung eines bei der "Einvernehmung" (über den festzusetzenden Schätzwert) nicht erstatteten Vorbringens als Rekursvorbringen (so schon SZ 69/204). Entgegen dieser Bestimmung dennoch erstattetes Vorbringen ist wie auch sonst ein neuerungsverbotswidriger Rechtsmittelvortrag als unbeachtlich bzw nicht erstattet zu behandeln. Die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage, wie ein derartiger Verstoß "verfahrensrechtlich" zu ahnden ist (durch Abweisung oder Zurückweisung des Rekurses), ist richtiger Auffassung nach dahin zu beantworten, dass mangels gerechtfertigten und begründeten Rechtsmittelvorbringens das Rechtsmittel in der Sache zu erledigen ist. Diese Auffassung findet zwanglos auch damit ihre Begründung, dass auch sonst rechtlich und/oder tatsächlich unzutreffendes Rechtsmittelvorbringen (Rekursvorbringen) wegen Nichtvorliegens des geltend gemachten Rechtsmittelgrundes zur sachlichen Erledigung des Rechsmittels führt und nicht etwa dessen Unzulässigkeit (und damit dessen Zurückweisung) begründet, weil die Erfolgsvoraussetzungen und die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen von Rechtsmitteln zu unterscheiden sind (siehe hiezu Fasching Lehrbuch2 Rz 1.680 ff).

Wie in der angefochtenen Entscheidung überdies zutreffend dargelegt ist, hat die Verpflichtete in ihrem Rekurs nicht nur solches (angeblich gegen § 144 letzter Satz EO verstoßendes) Vorbringen erstattet, sondern unter anderem auch als Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt, ihr hätte die Gelegenheit eingeräumt werden müssen, zu dem - die erstinstanzliche Entscheidung tragenden - Aktenvermerk vom 25. 3. 1998 über das Ergebnis einer telefonischen Anfrage des Erstgerichtes beim Gemeindeamt H***** Stellung zu nehmen. Jedenfalls über diesen Rekurseinwand, der als Rüge der "Verletzung des rechtlichen Gehörs" zu verstehen ist, hätte das Rekursgericht in der Sache absprechen müssen. Darauf kommt die Verpflichtete im vorliegenden Revisionsrekurs auch insoweit ausdrücklich zurück, als sie aus dem Aktenvermerk des Erstgerichtes vom 25. 3. 1998 folgert, die darin angedeuteten (dargelegten) Umstände im Bereich der Gemeinde H***** erforderten zur Wahrung des Schuldnerschutzes gegen eine Verschleuderung von Liegenschaften eine neue sachverständige Begutachtung.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtete und ihrem gegen den erstinstanzlichen Beschluss erhobenen Rekurs auch die in diesem Beschluss enthaltene Feststellung der Versteigerungsbedingungen angefochten hat. Hiefür können aber die vom Rekursgericht angestellten Überlegungen auf keinen Fall zutreffen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 EO iVm § 52 ZPO.