JudikaturJustiz3Ob109/00a

3Ob109/00a – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. November 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 6. Jänner 1998 verstorbenen Karl H*****, infolge Revisionsrekurses des Heinz E*****, vertreten durch Dr. Engelbert Reis, Rechtsanwalt in Horn, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 2. März 2000, GZ 15 R 34/00a-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz-Land vom 3. Februar 2000, GZ 6 A 36/98a-26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass dem Erstgericht die Kundmachung der mündlichen letztwilligen Verfügung vom 11. November 1990 aufgetragen wird.

Text

Begründung:

In der am 12. 2. 1998 vom Gerichtskommissär mit der Tochter des am 6. 1. 1998 verstorbenen Erblassers errichteten Todfallsaufnahme wurde unter Punkt 15. angeführt, dass ein fremdhändiges Testament ohne Zeugen vom 11. 11. 1990 vorhanden und beim Gerichtskommissär hinterlegt sei. Eine Kundmachung erfolgte zunächst nicht.

Am 2. 4. 1998 gab die Tochter aufgrund des Gesetzes die unbedingte Erbserklärung ab. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 7. 4. 1998 wurde ihr der Nachlass zur Gänze eingeantwortet.

Am 2. 12. 1998 wurde die letztwillige Anordnung des Erblassers vom 11. 11. 1990 kundgemacht.

In der Folge brachte der in der genannten letztwilligen Verfügung mit dem Bauernhof des Erblassers Bedachte vor, dass der Erblasser am 11. 11. 1990 zu seinen Gunsten ein Testament errichtet habe. Dieses weise zwar Formmängel auf, tatsächlich seien aber bei der Verfassung dieses Testaments drei unbeteiligte Zeugen zugegen gewesen, weshalb an diesem Tag zwar ein ungültiges schriftliches, wohl aber ein gültiges mündliches Testament in Anwesenheit der genannten Zeugen errichtet worden sei. Er stellte den Antrag, dieses Testament kundzumachen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht im zweiten Rechtsgang den Antrag wiederum ab.

Da der Antragsteller selbst zugegeben habe, dass er während des gesamten Abhandlungsverfahrens bereits Kenntnis davon gehabt habe, dass der Verstorbene in seiner Gegenwart und vor drei weiteren Personen einen letzten Willen geäußert habe, liege hier keine neu entdeckte mündliche Anordnung vor. Er habe auch in seinem Antrag gar nicht behauptet, dass er von diesem Vorgang erst nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens Kenntnis erlangt habe. Auf die Unkenntnis der Voraussetzungen eines mündlichen Testaments könne er sich infolge der in § 2 ABGB normierten Fiktion nicht berufen. Es werde Sache des Antragstellers sein, allfällige Ansprüche im Rechtsweg durchzusetzen.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge.

Nach § 180 AußStrG habe das Abhandlungsgericht eine nach erfolgter Einantwortung entdeckte letzte Willenserklärung kundzumachen und zu den Akten zu nehmen. Eine neuerliche Abhandlung der Erbschaft finde nicht statt; Erbansprechern stehe es frei, ihre Rechte gegen den Erbschaftsbesitzer im Klageweg geltend zu machen. Diese Bestimmung gelte auch für mündliche letztwillige Anordnungen, es müsse sich aber um eine neu entdeckte mündliche Anordnung handeln; dies sei nicht der Fall, wenn der Antragsteller schon während der Abhandlung von der angeblichen mündlichen Anordnung gewusst habe. Die Einantwortung an die gesetzliche Erbin sei in Rechtskraft erwachsen. Das Wort "entdeckt" (in § 180 AußStrG) sei wörtlich auszulegen, es könne sinnvollerweise nur auf das jeweilige Abhandlungsverfahren bezogen werden (SZ 47/142; 6 Ob 596, 597/90). Dennoch bleibe die Frage offen, auf welche Weise ein mündliches Testament "entdeckt" werde. Wenn der Antragsteller behaupte, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass das formungültige schriftliche Testament vom 11. 11. 1990 gleichzeitig ein gültiges mündliches Testament darstellen könne, bringe er damit einen subjektiven Aspekt in die Diskussion. Auf eine solche subjektive Einschätzung und gleichzeitig damit vorgenommene rechtliche Beurteilung eines solches Vorgangs komme es aber nicht an. Er habe die Umstände, die er jetzt als gültiges mündliches Testament beurteilt wissen wolle, anlässlich dessen Errichtung als formungültig schriftliches Testament unmittelbar wahrgenommen. Insofern könne daher bei diesem mündlichen Testament auch nicht von einem späteren "Entdecken" gesprochen werden, sei es doch seinem äußeren Erscheinungsbild nach dem Einschreiter von Anfang an und nicht erst nach erfolgter Einantwortung bekannt gewesen. Daher sei dieses Testament auch nicht mehr nach § 180 AußStrG kundzumachen. Es könne daher auch dahingestellt bleiben, inwieweit die Kenntnis eines anderen als des Erbansprechers - etwa des Gerichts - die Rechtsfolge nach § 180 AußStrG verhindern könnte.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG als zulässig, weil eine explizite Rechtsmeinung des Obersten Gerichtshofes, wie ein mündliches Testament im Sinne des § 180 AußStrG "zu entdecken sei", nicht habe aufgefunden werden können.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist im Sinne des hilfsweise gestellten Abänderungsantrags berechtigt.

Als Nichtigkeit (des Verfahrens erster Instanz) macht der Antragsteller geltend, er wäre bereits dem Verlassenschaftsverfahren beizuziehen gewesen. Das Rekursgericht hat jedoch ausdrücklich die Rechtskraft der Einantwortung bejaht, weil dem Erstgericht lediglich das Vorhandensein einer eindeutig formungültigen fremdhändigen letztwilligen Verfügung zugunsten des Antragstellers, nicht jedoch die aus diesem nicht hervorgehende Gegenwart von drei Zeugen und somit eine Konversionsmöglichkeit (in ein mündliches Testament) bekannt war. Damit hat es aber bereits die nunmehr behauptete Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens verneint. Auch im Außerstreitverfahren können seit der WGN 1989 behauptete Nichtigkeitsgründe, deren Vorliegen das Rekursgericht bereits verneint hat, nicht mehr im Revisionsrekursverfahren geltend gemacht werden (SZ 65/84 = JBl 1992, 780 uva E zu RIS-Justiz RS0007232; zuletzt 6 Ob 32/00z).

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens (erster Instanz) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 16 Abs 4 AußStrG). Sekundäre Feststellungsmängel sind mit der Rechtsrüge geltend zu machen (Nachweise bei Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 5 zu § 503).

Im Ergebnis berechtigt ist allerdings die Rechtsrüge. Zwar hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 12. 5. 1908 (GlUNF

4.228 = ZBl 1908, 744) ausgesprochen, eine nach erfolgter Einantwortung der "Erbschaft" entdeckte letzte Willenserklärung liege nicht vor, wenn der Antragsteller nach dem Inhalt des Gesuchs von der angeblich zu seinen Gunsten errichteten letztwilligen Erklärung schon während der Nachlassabhandlung Kenntnis gehabt habe und gar kein Grund abzusehen sei, warum er seine Kenntnis nicht schon vor der Einantwortung beim Abhandlungsgericht verwertet habe; in jüngerer Zeit ist der Oberste Gerichtshof jedoch von dieser Entscheidung, die allerdings entgegen der Ansicht des Rekursgerichts auch einen Hinweis auf subjektive Momente enthält, ohne dies allerdings ausdrücklich auszusprechen, abgegangen. In den beiden bereits zitierten Entscheidungen SZ 47/142 und 6 Ob 596, 597/90 = EFSlg 64.835, auf die sich auch das Rekursgericht bezogen hat, wurde nämlich klargestellt, dass das Wort "entdeckt" in § 180 AußStrG wörtlich auszulegen sei und sinnvollerweise nur auf das jeweilige Abhandlungsverfahren bezogen werden könne. In dem der ersten Entscheidung zugrundeliegenden Verfahren war ein wechselseitiges Testament zwar bereits im Verlassenschaftsverfahren nach der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers kundgemacht, in dem des Erblassers aber nicht berücksichtigt worden. In der Entscheidung 6 Ob 596, 597/90 (insoweit nicht veröffentlicht) wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, ein Testament werde dann vom Abhandlungsgericht nicht "entdeckt", wenn es dieses selbst, also bei einem schriftlichen Testament dessen Urschrift nicht kennt. Selbst die Auskunft des zentralen Testamentsregisters über das Vorliegen einer letztwilligen Verfügung unter einem bestimmten Namen bedeutet nach dieser Entscheidung nicht die Entdeckung einer letzten Willenserklärung (insoweit veröffentlicht in EFSlg 64.835).

Nach diesen zitierten Entscheidungen kommt es, entgegen GlUNF 4.228, nicht darauf an, ob ein Beteiligter, allenfalls ein präsumtiver Erbe, bereits während des Verlassenschaftsverfahrens Kenntnis von einer letztwilligen Anordnung des Erblassers erlangte, entscheidend ist vielmehr die Kenntnis des Verlassenschaftsgerichtes von einer letztwilligen Erklärung, und zwar der betreffenden Urkunde. Bei mündlichen Testamenten kommt demnach nur der von allen Zeugen eigenhändig gefertigte Aufsatz im Sinn des § 585 ABGB oder das vom Gericht über den Inhalt und die Umstände der letzten Willenserklärung aufgenommene Protokoll in Betracht (§ 65 AußStrG). Weder ein solcher schriftlicher Aufsatz noch das (erst nach Einantwortung aufgenommene) Protokoll (hier ON 21) lag dem Erstgericht bei der Einantwortung vor. Die mündliche letztwillige Verfügung des Erblassers ist somit im Sinn des § 180 AußStrG erst nach der Einantwortung entdeckt worden, weshalb sie nach dieser Gesetzesstelle kundzumachen und bei den Akten aufzubehalten ist.

Da kein Hinweis auf eine Zeugnisunfähigkeit der Testamentszeugen im Sinn des § 591 ABGB vorliegt und sie alle über 18 Jahre alt waren, als der Erblasser angeblich mündlich testiert hatte, liegt die äußere Form (§§ 577 ff ABGB) eines außergerichtlichen mündlichen Testaments im Sinne des § 585 ABGB vor. Eine schriftliche Aufzeichnung des mündlichen Testaments nach Satz 2 des § 585 ABGB ist zur Gültigkeit des Testaments nicht notwendig.

Es ist somit dem Revisionsrekurs Folge zu geben und dem Erstgericht die Kundmachung des mündlichen Testaments aufzutragen. Eine neuerliche Abhandlung hat allerdings, wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, nach § 180 AußStrG nicht stattzufinden, vielmehr steht es Erbansprechern frei, ihre Rechte im Klagewege geltend zu machen.