JudikaturJustiz3Ob108/12x

3Ob108/12x – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Juli 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj C*****, geboren ***** 1996, und E*****, geboren ***** 2001, beide wohnhaft bei der Mutter Dr. E*****, vertreten durch Summer Schertler Stieger Kaufmann Droop Rechtsanwälte in Bregenz, gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 6. Februar 2012, GZ 7 Ps 254/09d-16, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Dr. F*****, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christopher Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 4. April 2012, GZ 3 R 85/12s-20, womit über Rekurs des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 6. Februar 2012, GZ 7 PS 254/09d-16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Dem Vater gelingt es aus folgenden, kurz darzulegenden Gründen (§ 71 Abs 3 AußStrG) nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.

1. Sind beide Eltern nach Scheidung ihrer Ehe mit der Obsorge betraut und beantragt ein Elternteil die Aufhebung dieser Obsorge, so hat das Gericht, wenn es nicht gelingt, eine gütliche Einigung herbeizuführen, nach Maßgabe des Kindeswohls einen Elternteil allein mit der Obsorge zu betrauen (§ 177a Abs 2 ABGB). Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Aufrechterhaltung der Obsorge beider Eltern (auch nur in einem Teilbereich) gegen den Willen eines Elternteils ausgeschlossen. Ein auf die Aufhebung dieser Obsorge gerichteter Antrag eines Elternteils bedarf daher keiner Begründung; es genügt der durch die Antragstellung zum Ausdruck gebrachte Wegfall des Willens eines Elternteils zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen Obsorge. Gegen den Widerspruch des anderen Elternteils kann die gemeinsame Obsorge nicht gerichtlich angeordnet werden (RIS-Justiz RS0117004). Gegen die entsprechende gesetzliche Regelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (RIS-Justiz RS0120492). Der Oberste Gerichtshof schrieb diese Judikatur auch nach Ergehen der Entscheidungen des EGMR vom 3. Dezember 2009, 22028/04, Zaunegger gegen Deutschland, und vom 3. Februar 2011, 35637/03, Sporer gegen Österreich (iFamZ 2011/52 [mit kritischer Anm von Klaar ]) und nach Inkrafttreten des B-VG über die Rechte von Kindern (BGBl I  2011/4) am 16. Februar 2011 für Fälle wie den hier vorliegenden fort (3 Ob 27/12k; 7 Ob 82/12b). Daran ist festzuhalten.

2. Auf die vom Vater im Revisionsrekurs mit Rücksicht auf das B-VG über die Rechte von Kindern (BGBl I 2011/4) vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 177a Abs 2 ABGB braucht nicht näher eingegangen zu werden.

Im erstgerichtlichen Verfahren stellten sowohl die Mutter als auch der Vater den Antrag, ihnen die alleinige Obsorge zu übertragen, was zwingend den übereinstimmenden Antrag beider Eltern bedeutet, die gemeinsame Obsorge aufzuheben. Selbst wenn ausschließlich das Kindeswohl dafür entscheidend sein sollte, ob die gemeinsame Obsorge aufzuheben ist, käme aber bei Ablehnung der gemeinsamen Obsorge durch beide Eltern deren Aufrechterhaltung nicht in Frage, weil diese Situation eine dem Kindeswohl entsprechende Ausübung der Obsorge ausgeschlossen erscheinen lässt.

Der Vater hat zwar die Abweisung seines Alleinobsorgeantrags durch das Erstgericht unbekämpft gelassen, der Revisionsrekurs enthält aber keinerlei Substrat, warum die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Obsorge trotz der (weiteren) Ablehnung durch die Mutter dem Kindeswohl entsprechen soll; ebenso wenig geben die Feststellungen des Erstgerichts Anlass für eine solche Einschätzung.

Daher läge auch bei Zugrundelegung der Rechtsansicht des Vaters zu den Kriterien für die Aufhebung der gemeinsamen Obsorge eine unvertretbare Fehlbeurteilung der Vorinstanzen nicht vor.

3. Auch gegen die Übertragung der Alleinobsorge an die Mutter trägt der Revisionsrekurs nichts Substantielles vor.