JudikaturJustiz3Ob101/19b

3Ob101/19b – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv. Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder J*, und C*, beide vertreten durch die Mutter D*, diese vertreten durch Mag. Doris Pritzl, Rechtsanwältin in Wien, Vater D*, vertreten durch Dr. Daniela Altendorfer Eberl, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. März 2019, GZ 45 R 538/18b 28, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 24. Oktober 2018, GZ 4 Pu 286/17h 15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Kostenersatzantrag der Minderjährigen wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Vater zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf, weshalb sein Revisionsrekurs als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 71 Abs 3 AußStrG):

Rechtliche Beurteilung

1. Vom Rekursgericht – wie hier – bereits verneinte Mängel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz (Überraschungsentscheidung; unterbliebene Zustellung eines Schriftsatzes der Gegenseite; unterlassene Einvernahme des Vaters) stellen (mangels hier nicht gegebener relevanter Ausnahme) keinen Revisionsrekursgrund dar (RIS Justiz RS0050037).

2. Strittig ist, ob die Voraussetzungen des sogenannten „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“ vorliegen, die von den Vorinstanzen verneint wurden.

2.1. Das in der jüngeren, mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gebilligte „betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell“ sieht einen – vom Vater auch in dritter Instanz angestrebten – Entfall eines Geldunterhaltsanspruchs vor, wenn die Betreuungs- und Naturalleistungen in etwa gleichwertig und die Einkommen der Eltern außerdem in etwa gleich hoch sind (RS0130655; RS0131785; RS0131331; 1 Ob 9/19h). Erfolgt keine gleichteilige Betreuung oder trägt ein Elternteil (regelmäßig) über die (an sich gleichteilige) Betreuung hinaus im Wesentlichen die Kosten für sämtliche bedarfsorientierten Naturalleistungen allein, bleibt die gesetzliche Geldunterhaltsverpflichtung des anderen Elternteils bestehen und der geleistete Naturalunterhalt ist nur, soweit die Aufenthalte über ein übliches Kontaktrecht weit hinausgehen, mit einem prozentuellen Abschlag zu berücksichtigen (RS0131331 [T1]).

2.2. Auch der 5. Senat erachtete den Betreuungsschlüssel von 139 Tagen/38 % (Vater) zu 226 Tagen/62 % (Mutter) als nicht einmal jenes Ausmaß erreichend, das der Oberste Gerichtshof in jüngeren Entscheidungen als (noch) ausreichend für eine „annähernd gleichteilige“ Betreuung befunden hat, weshalb der Unterhalt nach Prozentsatzmethode zu berechnen sei (5 Ob 189/18g mwN). Die Rechtsansicht des Rekursgerichts auf Basis der vom Vater behaupteten 138,5 Betreuungstage im Jahr 2018 hält sich daher im Rahmen der jüngeren Judikatur und bedarf deshalb keiner Korrektur.

2.3. Die erstmals im Rechtsmittelverfahren aufgestellte Behauptung des Vaters, die beiden 2010 und 2012 geborenen Kinder befänden sich an insgesamt 70 bis 72 Tagen in der Schule und im Kindergarten und Hort, stellt eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung dar.

Im Übrigen wären auch bei einem Ausscheiden dieser Phasen der „Drittpflege“ aus der Betreuungszeit der Eltern deren Anteile daran zu berücksichtigen, sodass sich das Verhältnis ihrer Betreuungsanteile nicht ändern würde.

2.4. Die für die Zeit nach Erlassung des erstinstanzlichen Beschlusses vom Vater ins Treffen geführte Neuregelung des Umfangs seines Kontaktrechts stellt eine neue Tatsache dar, die nur nach Maßgabe des § 49 Abs 3 AußStrG vom Rekursgericht zu berücksichtigen war. Eine die Grundlagen der Unterhaltsbemessung betreffende neue Tatsache bietet infolge der Möglichkeit eines Erhöhungs- oder Herabsetzungsantrags in der Regel keinen Neuerungsgrund (10 Ob 41/17b mwN). Dafür, dass eine Berücksichtigung der Auswirkungen der neuen Kontaktregelung auf das laufende Verfahren ausnahmsweise doch erforderlich gewesen wäre, weil die Einbringung eines neuen Antrags für den Vater einen wesentlichen Nachteil begründet (RS0006893 [T11]), ergeben sich weder aus seinem Vorbringen noch der Aktenlage Anhaltspunkte.

3. Ob das Ausmaß der Kontaktzeiten eine Reduzierung der Unterhaltsverpflichtung und in welchem Ausmaß rechtfertigt, beruht auf den konkreten Umständen des Einzelfalls und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RS0047452 [T16]).

3.1. Eine solche vermag auch der Vater nicht aufzuwerfen, weil sich seine Rechtsrüge (entgegen § 65 Abs 3 Z 4 AußStrG) auf die bloße Behauptung beschränkt, der von den Vorinstanzen vorgenommene Abzug erscheine völlig unzureichend. Mangels Darlegung konkreter Gründe für die Widerlegung der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen fehlt es daher an einer gesetzmäßigen Ausführung der Rechtsrüge.

3.2. Soweit der Vater fehlende Feststellungen zu seinen Naturalunterhaltsleistungen rügt, übersieht er, dass ein nach der Prozentsatzjudikatur zustehender Unterhaltsanspruch – jedenfalls was die mit der Betreuung zusammenhängenden Kosten betrifft – nicht zweifach gekürzt werden kann, einmal durch (die hier ohnehin vorgenommene) aliquote Kürzung wegen der teilweisen Betreuung und ein zweites Mal durch Anrechnung konkreter Naturalleistungen (10 Ob 41/17b mwN = RS0128043 [T8]).

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 101 Abs 2 AußStrG.

Rechtssätze
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