JudikaturJustiz33R179/23w

33R179/23w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Übertragung der Marken AT 323152 und AT 323153 über die Rekurse der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 31.7.2023, AM 10752/2023-3, AM 10754/2023, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Rechtsmittelverfahren 33 R 179/23w und 33 R 5/24h werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; das führende Verfahren ist 33 R 179/23w.

II. Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Rekurse selbst zu tragen

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt jeweils EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist jeweils nicht zulässig.

Text

Begründung

I. Gemäß § 187 ZPO kann der Senat bei Parteienidentität Verfahren verbinden, wenn dadurch die Kosten und der Aufwand vermindert werden. Die Anwendung dieser Bestimmung ist nicht auf das Verfahren erster Instanz beschränkt. Es bestehen auch keine Bedenken, die Verbindung der Verfahren trotz des Fehlens einer allgemeinen Verweisungsnorm im Außerstreitgesetz auf § 187 ZPO zu stützen (vgl Höllwerth in Fasching/Konecny 3 § 187 ZPO Rz 10; 33 R 124/20b, 33 R 81/23h).

II. Die Wortbildmarke

[Abbildung]

(AT 323152, Rechtsmittelverfahren 33 R 179/23w) und die Wortmarke „*****“ (AT 323153, Rechtsmittelverfahren 33 R 5/24h) wurden von der Antragsgegnerin jeweils am 17.4.2023 zur Eintragung im Markenregister angemeldet und jeweils am 6.6.2023 registriert.

Mit Antrag vom 11.7.2023 beantragte die Antragstellerin, die beiden Marken von der Antragsgegnerin auf sie zu übertragen. Beigelegt wurde nachfolgende „Übertragungserklärung“:

[nicht abgedruckt]

Die Rechtsabteilung des Patentamts gab mit dem angefochtenen Beschluss dem Antrag auf Übertragung der beiden Marken von der Antragsgegnerin auf die Antragstellerin statt.

Dagegen richten sich die – nach den zu übertragenden Marken getrennt eingebrachten und separat vorgelegten – Rekurse der Antragsgegnerin aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, jeweils mit dem Antrag, den Beschluss im Sinne einer Antragsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin beantwortete nur den gegen die Umschreibung der Marke AT 323152 gerichteten Rekurs (33 R 179/23w) und beantragte, den Rekurs zurück-, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind nicht berechtigt.

1. Zur Verfahrensrüge:

1.1 Die Antragsgegnerin sieht darin eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, dass der Beschluss keine Begründung enthalte und somit seine Überprüfung durch das Rekursgericht nicht möglich sei.

1.2 Nach dem gemäß § 35 Abs 5 MSchG auch in markenrechtlichen Verfahren anzuwendenden § 64 Abs 2 PatG sind Entscheidungen des Patentamts mit Gründen zu versehen. Eine Begründung kann entfallen, wenn die Rechtsabteilung oder die Technische Abteilung einem Antrag im einseitigen Verfahren vollinhaltlich stattgibt. In diesem Zusammenhang werden in der Literatur auch Verfahren auf Übertragung von Patenten oder Marken, bei denen der Antrag entweder einvernehmlich oder nur von einer beteiligten Partei gestellt wird und die andere Partei dem Antrag jedoch ausdrücklich zustimmt, als einseitig verstanden ( Stadler/Gehring in Stadler/Koller , PatG § 64 Rz 8).

1.3 Von einem einseitigen Verfahren kann allerdings auch hier ausgegangen werden, weil § 28 Abs 1 MSchG in verfahrensrechtlicher Hinsicht ausdrücklich als ausreichend normiert („... erfolgen auf schriftlichen Antrag eines Beteiligten.“), dass eine Partei (hier die Erwerberin der Marken als einzige Antragstellerin) den Antrag auf Umschreibung der Marken stellt. Das Fehlen einer Begründung bewirkt für sich genommen somit keinen Verfahrensmangel.

Die in 33 R 44/23t vertretene Rechtsansicht, wonach Anträge auf die Übertragung von Marken nur dann als Anträge im „einseitigen Verfahren“ zu bewerten seien und nur dann nicht begründet werden müssten, wenn alle inhaltlich Betroffenen ausdrücklich zustimmen oder den Antrag gemeinsam stellen (so auch Stadler/Gehring aaO), kann mit Blick auf § 28 Abs 1 MSchG nicht aufrecht erhalten werden (vgl in diesem Sinne zur Parallelbestimmung im PatG: Stadler/Gehring/Holzweber in Stadler/Koller, PatG §§ 43-45 Rz 68).

1.4 Ob die nicht begründete Entscheidung Bestand hat, hängt im Einzelfall davon ab, ob sie im Rechtsmittelverfahren auf der Basis der vorgetragenen Rechtsmittelgründe inhaltlich überprüft werden kann. Dies ist hier der Fall.

1.5 Aus der Aktenlage ist erkennbar, dass die Rechtsabteilung ihre Entscheidung auf die – aktenkundige und oben wiedergegebene – Übertragungserklärung gestützt und daraus eine rechtsgeschäftliche Umschreibung abgeleitet hat. Der angefochtene Beschluss ist daher überprüfbar und schließt im hier relevanten reinen Urkundenverfahren (vgl Lang in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ § 28 Rz 9; 33 R 24/20x, Rz 2.2. mwN) eine inhaltliche Erledigung durch das Rekursgericht nicht aus.

2. Zur Rechtsrüge:

2.1 Die Antragsgegnerin moniert zunächst, die Rechtsabteilung habe nicht überprüft, ob die Übertragungserklärung den Formvorschriften des § 28 Abs 2 MSchG genüge; die Erklärung enthalte insbesondere keine notariell beglaubigte Unterschrift der Antragsgegnerin oder ihrer Geschäftsführerin.

2.1.1 Die Umschreibung der Marke erfolgt auf schriftlichen Antrag eines der Beteiligten (§ 28 Abs 1 MSchG). Mit dem Antrag ist die Urkunde, auf Grund der die Umschreibung geschehen soll, in Kopie vorzulegen. Wenn das Original der Urkunde keine öffentliche Urkunde ist, muss sie mit der beglaubigten Unterschrift des über sein Recht Verfügenden versehen sein. Im Fall der Umschreibung der Marke kann an Stelle der Urkunde auch eine übereinstimmende, unbeglaubigte Erklärung der Parteien oder ihrer Vertreter über den Wechsel des Rechtssubjekts vorgelegt werden (Abs 2 leg cit; vgl Lang aaO Rz 17). Die Eintragung einer rechtsgeschäftlichen Übertragung kann daher beispielsweise auch aufgrund eines durch den Rechtsinhaber und den Rechtsnachfolger gemeinsam unterschriebenen Antrags oder aufgrund eines Antrags von einem der beiden und einer gesonderten (zustimmenden) Erklärung des jeweils anderen bewilligt werden. In diesen Fällen ist keine Beglaubigung (oder Überbeglaubigung) der Unterschrift des das Recht Übertragenden erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn dem Antrag als Urkunde der Kaufvertrag beigeschlossen wird, der dann als übereinstimmende Erklärung gewertet wird und keiner Beglaubigung der Unterschriften hinsichtlich Echtheit und Vertretungsberechtigung bedarf (vgl Lang aaO Rz 17 f).

2.1.2 Das Verfahren über die Eintragung der Übertragung des Rechts an einer Marke ist ein reines Urkundenverfahren, dh der Antrag ist ausschließlich anhand der – zum Antragszeitpunkt – vorliegenden Urkunden zu prüfen, aus denen sich die maßgeblichen Umstände für die Übertragung ergeben müssen. Überprüft werden die Urkunden nach Form und Inhalt – so etwa deren Echtheit, die Zeichnungsberechtigung der (schriftlich) Erklärenden, die Übereinstimmung dieser Erklärungen (vgl Lang aaO R 9 ff; da die Voraussetzungen für die Übertragung und Umschreibung von Patenten, Marken und Mustern grundsätzlich gleich geregelt sind, siehe auch Stadler/Gehring/Holzweber in Stadler/Koller , PatG §§ 43-45 Rz 79 ff). Eine Beweisaufnahme durch das Patentamt, beispielsweise durch Einvernahme der berechtigten Personen zur mündlichen Übertragungserklärung, kann hingegen durch die Parteien nicht veranlasst werden (33 R 24/20x, Rz 2.2.; Stadler , Anmerkungen zum Erwerb von gewerblichen Schutzrechten, ÖBl 2017/70, 264). § 28 Abs 3 MSchG verpflichtet das Patentamt jedoch zur formellen und inhaltlichen Prüfung und trägt ihm im Zweifelsfall weitere Erhebungen auf.

2.1.3 Maßgeblich für die Überprüfung der Markenumschreibung sind daher der Antrag und die diesem beigelegte Übertragungserklärung. Letztere enthält – über dem Firmenstempel der Antragsgegnerin – die leserliche Unterschrift von NN, die als vertretungsbefugte Geschäftsführerin der Antragsgegnerin seit 2.3.2016 im Firmenbuch aufscheint. Der Wortlaut der Urkunde ist dahin eindeutig, dass die Antragsgegnerin ihre Rechte an den Marken der Antragstellerin übertragen und diese die Rechte angenommen hat. Über dem Firmenstempel der Antragstellerin findet sich eine nahezu unleserliche Unterschrift (möglicherweise „G*****“, der Prokurist der Antragstellerin laut Firmenbuchauszug). Da die neue Markeninhaberin als Rechtsnachfolgerin aber ohnedies selbst den Antrag auf Umschreibung gestellt hat (vgl Stadler aaO 264) und der Übertragungserklärung die Zustimmung der vorherigen Rechtsinhaberin zur Markenübertragung innewohnt, lässt sich dadurch schon den zum Antragszeitpunkt vorliegenden Unterlagen ein übereinstimmender Parteiwille entnehmen. Die Urkunden sind folglich inhaltlich und formal unbedenklich, womit den Erfordernissen des § 28 Abs 2 MSchG Genüge getan ist; entgegen dem Rekurs bedurfte es auch keiner Beglaubigung der Unterschriften (vgl § 28 Abs 2 letzter Satz MSchG). Die Antragsgegnerin räumt im Übrigen selbst ein (siehe ihre Ausführungen im Rekurs unter Punkt 3.), dass es ihre Geschäftsführerin NN war, die die Übertragungserklärung unterfertigt hat; deren Echtheit bestreitet sie damit gar nicht.

2.2 Die Antragsgegnerin bringt allerdings in diesem Zusammenhang vor, dass ihre Geschäftsführerin vor der Leistung der Unterschrift vom Prokuristen der Antragstellerin massiv unter Druck gesetzt worden sei. Dieser habe sie eingeschüchtert und bedroht, weshalb die Übertragungserklärung und das zugrundeliegende Rechtsgeschäft nach § 870 ABGB anfechtbar und zivilrechtlich ungültig seien.

Da im Verfahren vor der Rechtsabteilung allein auf Grund der zu prüfenden Urkunden zu entscheiden ist, können allfällige Willensmängel der Parteien (Zwang, Irrtum, Betrug, Handlungsunfähigkeit usw)nicht geprüft werden. Zivilrechtliche Einwendungen gegen die Wirksamkeit der in der Übertragungsurkunde dokumentierten Übereinkunft hat das Patentamt nicht zu berücksichtigen. Die Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche (wozu auch die Anfechtung von Verträgen wegen Willensmängeln zählt) obliegt den Zivilgerichten ( Lang aaO Rz 12). Das Patentamt kann und darf auf Umstände, die weder aus der Übertragungsurkunde noch aus dem Übertragungsgesuch hervorgehen, grundsätzlich nicht Bedacht nehmen. Schließlich ist die Entscheidung darüber, welche über die gesetzlich notwendigen Fakten hinausgehenden Angaben über das der Urkunde zugrundeliegende Rechtsgeschäft in die Übertragungsurkunde aufgenommen werden, den Parteien überlassen (BA 9.8.1990, B 9 und 10/90, PBl 1991, 105).

Im Ergebnis bedarf die Entscheidung der Rechtsabteilung, die die Umschreibung der Marken auf die Antragstellerin im Markenregister anordnete, keiner Korrektur.

3. Die Antragsgegnerin verzeichnete Kosten für die Rekurse. Gemäß § 37 Abs 3 MSchG iVm § 139 Z 7 PatG haben die Parteien die Kosten des Rekursverfahrens jedoch selbst zu tragen.

4. Aufgrund der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils EUR 30.000 übersteigt (§ 59 Abs 2 AußStrG iVm § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG).

Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.