JudikaturJustiz2Ob774/53

2Ob774/53 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. März 1954

Kopf

SZ 27/74

Spruch

Die Einwendung, daß ein Scheintestament vorliege, muß einen wenn auch noch so geringen Anhalt im Testament finden.

Ein formloser derogatorischer Vorbehalt ist bei einem formgerechten Testament unwirksam.

Entscheidung vom 24. März 1954, 2 Ob 774/53.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die am 31. Jänner 1946 in Teplitz-Schönau verstorbene Berta M. hinterließ ein notarielles Testament vom 7. März 1945 und ein eigenhändig geschriebenes Testament vom 25. März 1945. In dem notariellen Testament vom 7. März 1945 waren die Klägerin und die Erstbeklagte, die Schwestern sind, zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. In dem Testament vom 25. März 1945 hatte die Erblasserin die Töchter auf je ein Viertel ihres Vermögens beschränkt und den Zweitbeklagten, den Sohn der Erstbeklagten, als Erben der anderen Hälfte ihres Vermögens eingesetzt und verfügt, daß die Erstbeklagte ihr gesamtes unbewegliches Vermögen in Kärnten zu übernehmen habe. Die Klägerin behauptet, daß das Testament vom 25. März 1945 ein Scheintestament gegenüber den tschechoslowakischen Behörden darstelle, um das in Kärnten befindliche Vermögen der Erblasserin der Beschlagnahme zu entziehen. Sie habe daher zum Scheine dieses Vermögen den beklagten Parteien, die italienische Staatsbürger seien, zugewendet. Ihre erklärte Absicht sei aber gewesen, daß das Testament vom 7. März 1945 nach wie vor zu gelten habe. Die Erblasserin habe ihren Willen in dem Testament vom 25. März 1945 nicht mit Ernst erklärt. Dieses beruhe einzig und allein auf den irrtümlichen Beweggrund, daß das Vermögen in Österreich ohne Errichtung dieses Testamentes verloren sei. Das zweite Testament sei nur unter dem Zwang der gegen die Sudetendeutschen unternommenen Maßnahmen zustandegekommen. Die Klägerin begehrt gegenüber den Beklagten die Feststellung, daß das zweite Testament ungültig ist.

Das Erstgericht erachtet den Beweis, daß die Erblasserin mit dem zweiten Testament ein Scheintestament habe errichten wollen, nicht als erbracht und wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, daß das Testament vom 25. März 1945 einzig und allein auf dem irrigen Beweggrund beruhe, daß sonst ihr in Österreich gelegenes Vermögen verloren sei. Eine Einflußnahme der Erstbeklagten auf die Errichtung des Testaments sei nicht erwiesen.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren nach Wiederholung des Beweisverfahrens statt. Die Erblasserin habe sich vor Errichtung des zweiten Testamentes wiederholt zu Maria M. geäußert, daß keine ihrer beiden Töchter benachteiligt werden solle. Sie habe ihr mitgeteilt, daß sie im Sommer 1945 über Rat der Erstbeklagten und des Prager Rechtsanwaltes Dr. Josef P. das zweite Testament errichtet habe, jedoch nur zum Scheine vor der tschechoslowakischen Behörde, um durch Zuwendung an Ausländer etwas zu retten. Zugleich habe sie erklärt, daß das erste Testament weiter bestehen solle. Sie habe der Erstbeklagten vor deren Abreise aus Teplitz-Schönau das Versprechen abgenommen, die Klägerin so zu ihrem Teil kommen zu lassen, wie es in ihrem ersten Testament bestimmt sei. Sie habe die Klägerin von der Erbschaft in Österreich in der Erwartung ausgeschlossen, die Erstbeklagte werde ihr dem gegebenen Versprechen gemäß den zustehenden Erbteil im Sinne des im ersten Testament niedergelegten wahren Willens sobald als möglich ausfolgen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und stellte das erstgerichtliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

... Den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führen die Revisionswerber dahin aus, daß die Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes, die Klägerin sei durch das zweite Testament benachteiligt worden, die Erblasserin hätte, wenn sie das zweite Testament ernstlich gewollt hätte, zur Errichtung den Notar Dr. G. herangezogen, den Denkgesetzen widerspreche. Auch die Annahme des Berufungsgerichtes, die Erblasserin habe die Klägerin von ihrem in Österreich gelegenen Vermögen nicht ausschließen wollen, sei rechtsirrig. Aus der im zweiten Testament angegebenen Erbteilungsvorschrift lasse sich nicht der Schluß ableiten, daß die Erblasserin ihren Willen nicht habe ernstlich erklären wollen.

Die Willensbildung einer Person in einem bestimmten Zeitpunkt stellt einen inneren seelischen Vorgang dar. Die Feststellung innerer Vorgänge gehört ebenso wie die äußerer Vorgänge in den Bereich der tatsächlichen Feststellungen. Der Oberste Gerichtshof hat in älteren Entscheidungen die Auslegung eines Testamentes als Rechtsauslegung angesehen (GlU. 1143, 13.887, GlUNF. 1121, SZ. XXII/5). In jüngster Zeit ist jedoch der Oberste Gerichtshof von der in der Entscheidung SZ. XXII/5 niedergelegten Rechtsansicht, daß die Auslegung einer letztwilligen Erklärung lediglich eine Rechtsfrage und somit revisibel sei, ausdrücklich abgerückt (SZ. XXV/85, 1 Ob 337/52).

Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung ist Rechts- und Tatfrage. Die Feststellung der Bedeutung eines Urkundeninhaltes auf Grund von Zeugenaussagen ist nicht rechtliche Beurteilung, sondern tatsächliche Feststellung (SZ. XXV/198, SZ. XXVI/49). Da die Feststellungen über den Willen der Erblasserin auf Grund von Zeugenvernehmungen getroffen wurden, hat das Revisionsgericht von dem vom Berufungsgericht angenommenen Sachverhalt auszugehen. Als eine Verletzung der Denkgesetze kommt nur ein Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Logik in Betracht. Eine unrichtige oder mangelhafte Beweiswürdigung bildet keinen Revisionsgrund. Ob das Berufungsgericht die Zeugen Dr. Josef P. und Hans S. neuerlich vernehmen wollte, lag in seinem freien, durch die Revisionsinstanz nicht überprüfbaren Ermessen. Die Feststellungen des Berufungsgerichtes können nicht durch den Hinweis bekämpft werden, daß das Berufungsgericht Widersprüche zwischen Zeugenaussagen mangelhaft erörtert habe, oder daß die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes wenig wahrscheinlich sei. Auch die Erwägung des Berufungsgerichtes, daß die Erblasserin die Klägerin, weil diese ihr Liebling gewesen sei, nicht habe benachteiligen wollen, fällt in das Gebiet der dem Berufungsgericht zustehenden freien Beweiswürdigung.

Die Rechtsrüge ist jedoch begrundet. Die mangelnde Absicht, eine rechtliche Verfügung zu treffen, das Fehlen des sogenannten animus testandi, kann sich unzweideutig aus dem Inhalte des Testamentes ergeben, etwa, wenn das Testament eine Einsetzung längst verstorbener Personen enthält oder der Erblasser das schriftliche Testament mit der Bemerkung schließen würde, daß er das Testament nur zum Schein errichtet habe. Eine andere Beurteilung erfahren aber die Fälle, in welchen der mangelnde Testierwillen trotz einer an und für sich ernstlichen Erklärung durch einen Umstand bewirkt oder bewiesen wird, welcher mit der Scheinerklärung selbst nicht unmittelbar zusammenhängt (vgl. Pfersche, die Irrtumslehre des österreichischen Privatrechtes S. 97). Eine Veranlassung zur Errichtung von Scheintestamenten ergab sich vor dem Jahre 1938 wohl selten. Die seit dem Jahre 1938 einsetzenden Verfolgungen bestimmter Personenkreise aus politischen, rassischen oder nationalen Gründen waren jedoch häufig ein Grund für die Einsetzung von Erben, denen das zugedachte Vermögen erhalten blieb. Die Rechtsprechung der Obersten Rückstellungskommission hat im Geltungsgebiet des Dritten Rückstellungsgesetzes in der Einsetzung eines Erben, der ohne die politische Verfolgung des Erblassers zur Erbschaft nicht berufen gewesen wäre, einen Entziehungsfall erblickt. Sie hat jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit das Anfechtungsrecht in ständiger Rechtsprechung bald dahin eingeschränkt, daß ein Entziehungsfall dann nicht gegeben ist, wenn der Erblasser Familienangehörige zu Erben eingesetzt hat, denen an und für sich ein gesetzliches Erbrecht zugestanden wäre. Die gegenteilige Auffassung hätte dazu geführt, daß Familienangehörige, die von einer politisch verfolgten Person als Erben eingesetzt wurden, nunmehr zu dem Nachweis genötigt wären, daß sie auch unabhängig von der nationalsozialistischen Machtergreifung zu Erben eingesetzt worden wären und daß in einem solchen Falle formlose Äußerungen des Willens des Erblassers über die in gehöriger Form errichtete Verfügung gestellt würden (Entscheidungen vom 8. Jänner 1949, HR. 293, vom 9. April 1949, HR. 407, vom 27. Mai 1950, Rkv 224/50 u. a.).

Die Erwägung, daß Verfolgungen bestimmter Personenkreise aus nationalen Gründen usw. den Anlaß für die Errichtung von Scheintestamenten bilden könnten, war den Verfassern des bürgerlichen Gesetzbuches völlig fremd. § 565 ABGB. hatte daher sicherlich nicht die Errichtung eines Scheintestamentes aus derartigen Gründen im Auge. Zeiller erläutert den Ausdruck "Ernst" im § 565 ABGB. dahin, daß die Erklärung nicht aus Scherz oder offenbarem Leichtsinn geschehen solle (Kommentar II zu § 565 S. 436). Auch die Verbindung des Wortes "Ernst" mit dem Ausdruck "Überlegung" in dieser Gesetzesstelle weist darauf hin, daß der Gesetzgeber an Scheintestamente nicht gedacht hat. Scheintestamente werden nach der Natur der Sache mit nicht geringerer Überlegung als andere errichtet, erfordert doch die dem Scheintestament zugrunde liegende Täuschungsabsicht eine besondere Überlegung aller Umstände.

Mit der Frage der Gültigkeit von Scheintestamenten hat sich bereits die ältere Rechtslehre befaßt. Stubenrauch (Kommentar I S. 772), Wolff (Mentalreservation; in Iherings Jahrbücher 1931, S. 189), Handl (in Klangs Kommentar zum ABGB., I. Aufl. zu §§ 564, 565, S. 144) sprechen den Scheintestamenten die Wirksamkeit ab; Pfersche (a. a. O. S. 97), Krasnopolski, (Öst. Erbrecht, S. 84, Anm. 5), Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht 1924, S. 222, und Weiss in Klangs Kommentar zum ABGB. 2. Aufl. zu §§ 564, 565, S. 260, sehen Scheintestamente als gültig an, da der geheime Vorbehalt unwirksam sei und ein Testament keine empfangsbedürftige Willenserklärung darstelle, es also an dem anderen fehle, mit dessen Einverständnis die Erklärung nur zum Scheine abzugeben wäre. Die deutsche Rechtslehre verweist darauf, daß die in den §§ 116, 117 DBGB. hervorgehobenen Fälle der Nichtigkeit bei letztwilligen Verfügungen aus dem Gründe gar nicht vorkommen, weil die bezeichneten Bestimmungen sich nicht nur auf empfangsbedürftige Willenserklärungen beziehen (Strohal, Das Deutsche Erbrecht, 2. Aufl. S. I65). Der geheime Vorbehalt, das Erklärte nicht zu wollen, schaffe keinen Grund zur Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung. Der Erblasser könne nicht willkürlich und geheim die in rechter Form errichtete Verfügung zu einer nichtigen stempeln. Die Zulassung derartiger Anfechtungen würde jedes Testament schikanösen Anfechtungen Dritter preisgeben. Da die letztwillige Verfügung erst mit dem Erbfall in Wirkung treten solle, entscheide letzthin nur die in diesem Zeitpunkt vorhandene Willensbestimmung (Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechtes, III/1 S. 513, ebenso Kipp, Das Erbrecht S. 73, Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 9. Aufl. I, S. 463, Kretzschmar, Erbrecht, 2. Aufl. S. 119).

Demgegenüber vertritt Wolff - und zwar auch für das deutsche Recht - die Ansicht, daß Mentalreservation nicht nur bei empfangsbedürftigen Äußerungen möglich sei und daß als Vorbehaltsgegner auch eine Behörde in Betracht kommen könne (a. a. O., S. 65 und 125).

Unstrittig ist, daß ein Testament nicht etwa bloß aus sich selbst auszulegen ist. Gemäß § 582 ABGB. können von dem Erblasser angezeigte schriftliche Bemerkungen zur Erlauterung seines Willens verwendet werden. Das gleiche gilt für mündliche Äußerungen. Formlose Erklärungen können aber nicht zu einer Umdeutung des im Testament klar erklärten Willens führen. Wollte man eine beliebige Umdeutung des Testamentes auf Grund formloser Erklärungen für zulässig halten, etwa dahin, daß an Stelle der im Testament eingesetzten Person eine andere Person Erbe sein solle, daß diese mit dem im Testament genannten Erben das Erbe zu teilen habe oder daß das Verhältnis der Erbteile abgeändert werde, so bliebe schließlich von dem Inhalt des Testamentes nicht einmal so viel übrig, daß der Erblasser die gesetzliche Erbfolge ausschließen wollte, weil die Umdeutung auch ergeben könnte, daß die gesetzlichen Erben zur Erbschaft berufen sein sollen. Die aus Gründen der Rechtssicherheit vorgeschriebene Formenstrenge bei Errichtung letztwilliger Verfügungen wäre dann wertlos. Zutreffend verweist Ehrenzweig (§ 495 f.) darauf, daß die Auslegung irgend einen, wenn auch noch so geringen Anhalt im Testamente finden müsse und dem völlig unzweideutig ausgeführten Willen nicht geradezu widerlaufen dürfe. Wolff will daher dem geheimen Vorbehalt ohne Einhaltung der Form nicht die positive, wohl aber die negative Wirkung zuerkennen (a. a. O. S. 189). Es ist aber nicht einzusehen, daß formlose Erklärungen wohl die Wirkung einer Verneinung des gesamten Inhaltes haben könnten, nicht aber die einer teilweisen Abänderung des unzweideutig ausgedrückten Willens.

Es besteht auch kein Bedürfnis nach der Anerkennung eines derartigen, das Testament vernichtenden geheimen Vorbehaltes. Da das Testament bis zum letzten Augenblick frei widerruflich ist, kann der Erblasser einem geheimen Vorbehalt dadurch Wirksamkeit verleihen, daß er das zur Täuschung errichtete Testament im letzten Augenblick widerruft. Er könnte übrigens seinen Willen bis zuletzt dahin ändern, daß das Testament gelten solle. § 716 ABGB. lautete sowohl im westgalizischen Gesetzbuch als auch in der Fassung des bürgerlichen Gesetzbuches vor der Novellierung dahin, daß der einem Testament oder Kodizill angehängte Beisatz, daß jede spätere Anordnung überhaupt, oder wenn sie nicht mit einem bestimmten Merkmale bezeichnet sei, den Erblasser zwar nicht verhindere, seinen letzten Willen zu ändern; allein, wenn er in der späteren Verordnung den eben angeführten allgemeinen oder besonderen Beisatz nicht ausdrücklich aufhebe, so werde nicht sein späterer, sondern sein früherer Wille für gültig angenommen. Dadurch hatte das Gesetz dem Testator geradezu eine Simulationsform zur Verfügung gestellt. Er konnte in einem Intestatkodizill erklären, daß das Testament, welches er errichten werde, ungültig sein solle, wenn es nicht ein besonderes Merkmal trage und nun zur Täuschung seiner Umgebung ein beliebiges Testament, welches seinem Willen nicht entsprach, errichten, das aber ohne jenes Merkmal nicht zur Wirksamkeit gelangte (Pfersche, a. a. O. S. 99). Die Streichung dieser Bestimmung wurde von Pratobevera bei der zweiten und dritten Lesung des bürgerlichen Gesetzbuches, aber jedesmal ohne Erfolg, beantragt. Durch § 61 der Dritten Teilnovelle wurde die derogatorische Klausel unwirksam gemacht. Die Absicht des Gesetzgebers ging also dahin, die Simulationsmöglichkeiten zu verringern.

Der derogatorische Vorbehalt des Testators könnte aus formlosen Erklärungen vor und nach der Errichtung des Testamentes erschlossen werden. Nach § 717 ABGB. muß der Erblasser seine Anordnung ausdrücklich entweder mündlich oder schriftlich widerrufen. Ein stillschweigender Widerruf wird in den im § 721 ABGB. angeführten Fällen angenommen. (Ähnlich § 33 des deutschen Testamentsgesetzes.) Hat aber der formlose Widerruf keine rechtliche Bedeutung, so kann ihm diese auch nicht dadurch gegeben werden, daß aus der formlosen nachträglichen Erklärung auf die Absicht des Erblassers, er habe überhaupt kein Testament errichten wollen, geschlossen wird. Ganz gleiche Erwägungen gelten aber auch für die vor der Errichtung abgegebene Bezeugung der Simulation. Gelegentliche, oft weit zurückliegende Äußerungen des Erblassers würden gegenüber dem formgerechten Testament zu ungewollter Bedeutung kommen. Die Möglichkeit, einem in gehöriger Form errichteten Testament die Einwendung entgegenzusetzen, daß der Testator sich vorbehalten habe, daß das Testament nicht gelten sollte, würde zahllose Testamente der Gefahr mutwilliger Anfechtung aussetzen. Sie ist aus Gründen der Rechtssicherheit, die für den Gesetzgeber bei der Erlassung der Formvorschriften maßgebend waren, abzulehnen. Der Oberste Gerichtshof schließt sich daher der insbesondere von Pfersche und Ehrenzweig vertretenen Ansicht an, daß der formlose derogatorische Vorbehalt bei einem formgerechten Testamente unwirksam ist.

Die Beklagten gehörten zum Familienkreise der Erblasserin, der Erstbeklagten wäre das gesetzliche Erbrecht in erster Linie, dem Zweitbeklagten in zweiter Linie zugestanden. Für die Klägerin wäre auch dann nichts gewonnen, wenn die Grundsätze des Dritten Rückstellungsgesetzes, die ausdrücklich auf Vermögensentziehungen im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtergreifung und während dieser beschränkt sind, zur Anwendung kämen.

Im übrigen ergibt sich nach Ansicht des Revisionsgerichtes aus den Feststellungen des Berufungsgerichtes gar nicht, daß das spätere Testament wirkungslos sein sollte. Wenn die Erblasserin davon ausging, daß die Vermögensbeschlagnahme des Eigentums Sudetendeutscher in Österreich anerkannt werde, so mußte ihr Wille darauf gerichtet sein, daß in der letztwilligen Verfügung, die der Abhandlung vor den österreichischen Behörden zugrunde gelegt werden sollte, ganz oder zum überwiegenden Teil Personen als Erben aufscheinen, auf die sich die Vermögensbeschlagnahme nicht erstrecken konnte. Ihre Erklärung, daß das erste Testament die Erbfolge bestimmen solle, kann daher nur im Zusammenhang mit ihrer weiteren Erklärung, daß die Beklagten das ihnen im Testamente zugedachte Vermögen im Sinne des ersten Testamentes der Klägerin überlassen sollten, gewürdigt werden. Ob in diesen Erklärungen die Einsetzung der Klägerin als Nacherbin oder eine fideikommissarische Substitution zu erblicken wäre, kann dahingestellt bleiben, weil ihnen mangels einer Einhaltung der gesetzlichen Form eine rechtliche Wirkung nicht zukommt. Die Erblasserin ließ sich bei der Errichtung des zweiten Testamentes von dem Bestreben leiten, ihr Vermögen ihrer Familie zu erhalten. Die Frage der Aufteilung des Vermögens auf die einzelnen Familienmitglieder mußte mit Rücksicht auf die Gefahr des drohenden Verlustes des gesamten Vermögens zurücktreten.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß das Testament wegen Zwanges oder Irrtums im Beweggrund ungültig ist. Die drohende Vermögensbeschlagnahme bildet keinen Zwang im Sinne des § 565 ABGB., sie könnte nur im Rahmen eines Sondergesetzes berücksichtigt werden. Zur Zeit der Errichtung des zweiten Testamentes war das Schicksal des Eigentums sudetendeutscher Personen in Österreich ungewiß. Dieser unsicheren Lage trug das zweite Testament Rechnung .... Alle aus dem Erbrecht entspringenden Berechtigungen nehmen erst mit dem Todesfall ihren Anfang (§ 536 ABGB.). Ein Testament der Erblasserin konnte erst mit ihrem Todesfall, also in Zukunft, der Anlaß zu einer Vermögensbeschlagnahme sein. Wäre aber das in Österreich gelegene Vermögen der Erblasserin schon zu ihren Lebzeiten beschlagnahmt worden, so hätte es keinen Gegenstand letztwilliger Verfügungen mehr bilden können. Da die beabsichtigte Wirkung des Testamentes in der Zukunft lag, hätte sich ein Irrtum der Erblasserin auf zukünftige Tatsachen erstreckt. Ein solcher kann aber im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommen, weil derjenige, der bei einer nicht vorauszusehenden Entwicklung auf eine bestimmte Gestaltung der Zukunft rechnet, auch regelmäßig mit einem anderen Verlauf der Ereignisse rechnen muß (vgl. Pisko in Klangs Kommentar, 1. Aufl. II/2, S. 340).