JudikaturJustiz2Ob38/19f

2Ob38/19f – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. September 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2018 verstorbenen I***** T*****, zuletzt *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Tochter D***** W*****, vertreten durch Dr. Richard Forster, öffentlicher Notar in Feldkirch, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 3. Jänner 2019, GZ 1 R 306/18k 38, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Im Verlassenschaftsverfahren nach der Erblasserin haben drei ihrer Töchter, darunter die Revisionsrekurswerberin, aufgrund eines Testaments bedingte Erbantrittserklärungen zu je einem Drittel des Nachlasses abgegeben. Das Inventar wurde errichtet, die Verlassenschaftsabhandlung jedoch vom Gerichtskommissär bis zum Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens nach dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin „vertagt“.

[2] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Antrag der Revisionsrekurswerberin auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators zur Durchsetzung der der Verlassenschaft zukommenden Pflichtteilsansprüche im Verlassenschaftsverfahren nach dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[4] 1. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 173 Abs 1 AußStrG vorliegen, besteht ein Ermessensspielraum des Verlassenschaftsgerichts (2 Ob 218/15w), sodass in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vorliegt (vgl 2 Ob 20/18g [Kollisionskurator]).

[5] 2. Immer dann, wenn Vertretungshandlungen im Zusammenhang mit einem Nachlass anstehen, sind schon aus Gründen der Rechtssicherheit klare Vertretungsverhältnisse zu schaffen (RS0123140). Entscheidend ist das objektive Interesse des ruhenden Nachlasses; besteht die Gefahr, dass der Anspruch des ruhenden Nachlasses später nicht mehr durchgesetzt werden kann, ist die Bestellung eines Verlassenschaftskurators zweckmäßig (2 Ob 218/15w).

[6] 3. Mögliche Ansprüche der Verlassenschaft, die allenfalls in einem Streitverfahren durchgesetzt werden müssen, stehen der Einantwortung nicht entgegen. Ist die Einantwortung möglich, so ist es im Regelfall nicht erforderlich, durch Bestellung eines Verlassenschaftskurators für eine Vertretung des ruhenden Nachlasses zu sorgen, es sei denn, im Einzelfall wären dringende Maßnahmen zu setzen, mit denen nicht bis zur Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses zugewartet werden könnte (2 Ob 218/15w).

[7] 4. Das Rekursgericht war der Ansicht, die im Antrag der Revisionsrekurswerberin behauptete Uneinigkeit der erbantrittserklärten Erbinnen über die Höhe des Pflichtteilsanspruchs der Verlassenschaft und über hinzu und anrechnungspflichtige Schenkungen erfordere keine Bestellung eines Verlassenschaftskurators, weil das gegenständliche Verlassenschaftsverfahren einantwortungsreif sei. Damit hat es die dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze und den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht verlassen. Das Erfordernis konkreter dringlicher Maßnahmen, mit denen im Interesse des ruhenden Nachlasses bzw der Erben nicht bis zur Rechtskraft der Einantwortung zugewartet werden könnte, ist weder aktenkundig noch liegen entsprechende Behauptungen vor. Der abstrakte Hinweis im Revisionsrekurs auf das Recht eines Pflichtteilsberechtigten, einen Antrag auf Absonderung der Verlassenschaft nach § 812 ABGB zu stellen, reicht dazu nicht aus.

[8] 5. Mit ihren gegen das Neuerungsverbot (§ 66 Abs 2 AußStrG) verstoßenden Ausführungen, die Verlassenschaft sei aufgrund einer noch zu Lebzeiten abgegebenen Erbantrittserklärung der Erblasserin im Verlassenschaftsverfahren nach deren vorverstorbenen Ehemann Partei eines Verfahrens über das Erbrecht und die erbantrittserklärten Erbinnen seien auch in diesbezüglichen Vertretungshandlungen (angeblich) uneinig, vermag die Revisionsrekurswerberin weder eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens noch eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen. Im Übrigen wird auch nicht behauptet, dass dort dringliche Verfahrenshandlungen notwendig wären.

[9] 6. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen. Ein an sich erforderliches Verbesserungsverfahren (§ 89c Abs 6 GOG), weil der Vertreter der Revisionsrekurswerberin das Rechtsmittel entgegen § 89c Abs 5 Z 2 GOG nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht hat, konnte unterbleiben (RS0128266 [T12]).

Rechtssätze
2
  • RS0128266OGH Rechtssatz

    03. März 2022·3 Entscheidungen

    Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag 1. 5. 2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die auf dem Postweg und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Die bisherige Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit 1. 5. 2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV‑Teilnehmer/innen in Hinkunft den elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden. Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll ‑ als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) ‑ zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen.