JudikaturJustiz2Ob35/21t

2Ob35/21t – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. März 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Parzmayr und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** M*****, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei E***** B*****, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 453.666,67 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Jänner 2021, GZ 15 R 144/20m 17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Zur Rechtslage zum AußStrG 1854 wurde Folgendes ausgesprochen: Erhebt ein Noterbe als auf den Rechtsweg verwiesener Erbansprecher die Erbrechtsklage, so bedeutet dies – ähnlich wie nach der neueren Rechtsprechung Vergleichsverhandlungen – für die Verjährung der Pflichtteilsansprüche einen Hemmungsgrund eigener Art. Der Ablauf der Verjährungsfrist wird für die Dauer des Erbrechtsstreits gehemmt; die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs tritt dann nicht ein, wenn nach rechtskräftiger Abweisung der Erbrechtsklage unverzüglich (dh in angemessener Frist) die Pflichtteilsklage erhoben wird (4 Ob 511/93; 5 Ob 164/00d; RS0012227).

[2] In der Entscheidung 2 Ob 73/15x hat der erkennende Senat diese Rechtsprechung ausdrücklich auch für die Rechtslage nach dem AußStrG 2003, wo nach die Entscheidung über das Erbrecht – anders als davor – im außerstreitigen Verfahren erfolgt (§§ 161 ff AußStrG), aufrechterhalten. Wie im damaligen Fall zeigt auch die Revision im vorliegenden Fall keinen Grund auf, warum sie nicht mehr anwendbar sein sollte.

[3] Das Berufungsgericht ist dieser Rechtsprechung gefolgt, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt insoweit nicht vor.

[4] 2. Anders als die Revisionswerberin meint, ändert daran auch der Umstand nichts, dass die Verjährungsfrist nach § 1487a iVm § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB mit 1. 1. 2017 neu zu laufen begann. Denn das Verfahren über das Erbrecht, das bereits im Jahr 2016 begonnen hatte, endete erst mit der Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses (vgl dazu näher Punkt 5.), die mit Ablauf des 15. 5. 2020 eintrat (§ 23 Abs 1, § 46 Abs 1 AußStrG iVm § 125 Abs 1 ZPO iVm § 1 Abs 1 1. COVID 19 Justiz Begleitgesetz [BGBl I 2020/16 idF BGBl I 2020/24]). Bis dahin dauerte die unter Punkt 1. dargestellte Ablaufshemmung, sodass der Anspruch auf den Geldpflichtteil nicht vor diesem Zeitpunkt verjähren konnte.

[5] 3. Der Pflichtteilsberechtigte könnte während des anhängigen Verfahrens über das Erbrecht auch keine Pflichtteils- oder Feststellungsklage einbringen, weil der im Verfahren über das Erbrecht behauptete Anspruch und der Pflichtteilsanspruch einander ausschließen (4 Ob 511/93). Aus der Entscheidung 2 Ob 49/19y (= RS0132817) ist nichts Gegenteiliges ableitbar.

[6] 4. Dass die Rechtsposition des Klägers im Verfahren über das Erbrecht mutwillig oder aussichtslos gewesen wäre, lässt sich aus den Feststellungen nicht entnehmen.

[7] 5. Die Ablaufshemmung endet mit der Rechtskraft des Beschlusses über das Erbrecht gemäß § 161 Abs 1 AußStrG (vgl RS0012227). Dies ist auch sachgerecht, weil dem im Erbrechtsstreit Unterlegenen auch bei Nichterhebung eines Rechtsmittels zugebilligt werden muss, die Rechtsmittelfrist als Überlegungsfrist zu nutzen, ob er ein Rechtsmittel erheben will oder nicht. Somit betrug die dem Kläger zugebilligte Frist für die Erhebung der Klage entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin nicht fast sieben Wochen, sondern nur 26 Tage, also weniger als vier Wochen. Gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die vorliegende Klage sei damit binnen angemessener Frist eingebracht worden, wendet sich die Revisionswerberin nicht.